Paris. Es sollte bloß niemand auf die Idee kommen, Emmanuel Macrons Aussage, er schließe den Einsatz von Bodentruppen in der Ukraine nicht aus, sei nur ein improvisierter Patzer gewesen. Um diesen Eindruck zu vermeiden, legte der französische Präsident in den vergangenen Tagen nach. Er „stehe voll und ganz“ zu seinen Äußerungen, versicherte er. Die Ukraine gelte es zu unterstützen, „koste es, was es wolle“. Und: „Wir nähern uns einem Moment in unserem Europa, in dem es angebracht ist, nicht feige zu sein.“

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Zum Einlenken brachte ihn weder der Einspruch vieler internationaler Verbündeter und der eigenen Opposition, die einstimmig seine „Verantwortungslosigkeit“ kritisierte, noch polternde Warnungen aus dem Kreml. Dessen Sprecher Dmitri Peskow ließ wissen, Macron erhöhe „immer weiter das Niveau der direkten Beteiligung Frankreichs“.

Was treibt den 46-Jährigen an, der selbst Wochen nach Beginn der russischen Angriffe auf die Ukraine das Gespräch mit Präsident Wladimir Putin suchte? Der noch im Frühsommer 2022 davor warnte, diesen zu „demütigen“? Der politische und auch militärische Kontext habe sich verändert, erklärt der Politikwissenschaftler Bertrand Badie. Längst sei die Unmöglichkeit eines Dialogs mit Putin offensichtlich. „Die Europäer sind sich ihrer eigenen Verletzbarkeit bewusst geworden.“

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Die offensive Wortwahl hat auch innenpolitische Gründe

Macron, der stets für eine stärkere Verteidigungskraft der EU eintrat, strebe eine europäische Führungsrolle an. Dies beißt sich freilich mit der Tatsache, dass Frankreich bei militärischen Hilfen für die Ukraine weit hinter anderen zurückliegt. Auch irritierte seine Methode, öffentlich voranzupreschen, anstatt gemeinsame Positionen zu erarbeiten. Suchte er „strategische Ambiguität“, um Putin über seine wahren Absichten im Unklaren zu halten, zogen die Partner in der Folge klare rote Linien.

Die offensive Wortwahl hat aber auch innenpolitische Gründe. Thomas Gomart, Direktor des französischen Instituts für internationale Beziehungen, zufolge wolle er „den Ernst der Situation in der Ukraine unterstreichen und vor den europäischen Wahlen die politischen Spaltungspunkte hervorbringen“. Macron versucht, der Bevölkerung einzubläuen, dass in der Ukraine auch ein Kampf um die Sicherheit und Stabilität Europas ausgefochten wird. In dieser Woche lud er seine Vorgänger Nicolas Sarkozy und François Hollande zu Gesprächen ein, ebenso wie alle Parteichefs – ein Signal für die akute Krisensituation.

Außerdem zwingt er seine Gegner, eindeutig Position zu beziehen; insbesondere den rechtsextremen Rassemblement National (RN), den Umfragen bei der EU-Wahl im Juni als stärkste Kraft sehen. RN-Frontfrau Marine Le Pen ließ 2022 auf Wahlkampfbroschüren noch ein Bild von sich drucken, auf dem sie Putin stolz lächelnd die Hand schüttelte. Jahrelang finanzierte sich ihre Partei über russische Bankenkredite. Inzwischen ist Le Pen auf Distanz zu ihrem einstigen Idol gegangen, kritisiert aber Waffenlieferungen an die Ukraine.

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RND-Auslandsreporter Can Merey und sein Team analysieren die Entwicklung globaler Krisen im neuen wöchentlichen Newsletter zur Sicherheitslage – immer mittwochs.

Russland-Verbindungen sind Hauptangriffspunkt für Macrons Lager

Die Verbindungen der Partei zu Russland, die laut Recherchen der US-Zeitung „Washington Post“ fortbestehen, ist ein Hauptangriffspunkt für Macrons Lager. Er frage sich, „ob die Truppen von Wladimir Putin nicht längst in unserem Land sind“, sagte Premierminister Gabriel Attal bei einer hitzigen Debatte in der Nationalversammlung. „Ich spreche von Ihnen und Ihren Truppen, Frau Le Pen!“

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Mitte nächster Woche wird das Parlament über die französische Ukraine-Politik debattieren und abstimmen. So sollen die Parteien Farbe bekennen. Bindend ist das Votum nicht, denn bereits Mitte Februar entstand ein bilaterales Sicherheitsabkommen, wie es die Ukraine zuvor mit Deutschland und Großbritannien unterzeichnete. Darin verspricht Paris dem Land langfristige militärische und wirtschaftliche Hilfe sowie Unterstützung beim Wiederaufbau. Im laufenden Jahr sind dafür bis zu 3 Milliarden Euro im Haushalt vorgesehen. Auch mit seiner moldawischen Amtskollegin Maia Sandu schloss Macron in dieser Woche einen Verteidigungsvertrag als weiteres Signal der Entschlossenheit, Putin Einhalt zu gebieten.



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