„Icke war jestern“, stellte kürzlich der Tagesspiegel fest und fragte: „Wie berlinern die Kids von heute eigentlich?“ Dabei würde es „istanbullern“ oder „damuskutieren“ besser treffen. Denn längst sind neben der Hauptstadt auch zahlreiche andere deutsche Städte zum Scharnier zwischen West und Nahost geworden, in der ein neuartiges Rotwelsch 2.0 mit orientalischer Migrationsgeschichte entsteht. Zeit für eine weitere Folge des JF-Migrantenwörterbuchs. Immerhin möchte der eine oder andere ja vielleicht die voranschreitende „Favelarisierung“ zumindest in Worte fassen können, die alle Beteiligten auch verstehen. Tamam – „Okay, in Ordnung!“

Acht neue Einträge im JF-Migrantenwörterbuch:

Lo

Es geht nicht um Spanisch oder Italienisch. Hier fehlt kein „l“ am Ende und zum Lachen ist es eigentlich auch nicht. „Lo“ ist ein kurdisches Füllwort und geht in die Richtung „schau“ oder „siehe“, kann aber auch im Sinne von „Junge“ verwendet werden.

Azzlack

Für die einen stammt das Wort vom türkischen „asalak“ („Schmarotzer“, „Parasit“). Für andere ist es eine kombinierte Neuschöpfung aus „Assi“ und „Kanacke“, die negativ, aber auch positiv selbstbewußt gemeint sein kann: einer, der sich nichts sagen läßt und sein Ding durchzieht. Wiederum andere verstehen darunter einen „Asslicker“ („Arschlecker“), also abwertend einen Schwulen oder einen Schleimer. Bekannt gemacht hat den Begriff in seiner stolzen Verwendung der kurdische Rapper Haftbefehl, der sein eigenes Musiklabel „Azzlackz“ getauft hat, das mit Alben wie „Hinterhofjargon“ von Celo & Abdi den Frankfurter Straßenslang in die Charts und in den Mainstream gehievt hat.

Chaya

In Persien waren „Chayas“ Frauen, die am Hof für die Belustigung und Unterhaltung des Königs zuständig waren, beispielsweise als Tänzerin. Heute kann der ambivalente, von beiden Geschlechtern verwendete Begriff ein attraktives selbstbewußtes Mädel, aber auch eine eingebildete Frau oder schlampige „Bitch“ meinen.

Wesh

Auch die Franzosen sprechen mittlerweile vielerorts Arabisch wie bei Wish bestellt und exportieren den Banlieue-Slang ins östliche Nachbarland. Eigentlich kommt der Begriff „Wesh“ aus dem maghrebinischen Raum, insbesondere aus Marokko. Im Einwanderungsland Frankreich wird er als lockere freundschaftliche Begrüßung wie „Hi“ benutzt, kann aber auch „oha“, „was“ oder sogar soviel wie „breiter starker Kerl“ ausdrücken. Längst werden in Paris, Marseille und Co. mit der sogenannten „Verlan“-Sprache neue Begriffe durch Silbenvertauschen kreiert: „Bürgergeld“ = „Geldbürger“. Ähnliche Umgangssprachensysteme gibt es auf dem Balkan, insbesondere bei Roma-Mundarten. Und nun halt auch zwischen Aachen und Zwickau.

Moruk

Im Türkischen bedeutet „Moruk“ eher scherzhaft unter sich kennenden Personen „alter Knacker/Mann/Knochen/Sack“ oder „Greis“. Eingedeutscht ist es ein Pendant zum Deutschen „Alter“ am Satzanfang wie -ende oder kann „Kollege“, „Bruder“, „Atze“ und „Kumpel“ bedeuten. Im Vergleich zum dezidiert freundschaftlichen „Bro“, „Bre“, „Akhi“ kann „Moruk“ allerdings flapsig, sarkastisch und neckisch gemeint sein. Der Ton macht die Musik.

Sharmuta

„Sharmuta“ ist eine wirklich heftige, ehrabschneidende Beleidigung und heißt soviel wie „Hure“ oder „Schlampe“. An den Richtigen geraten, kann das ernsthafte Konsequenzen bedeuten. Ursprünglich in erster Linie auf Frauen bezogen, auch um deren Familienmitglieder und -ehre zu verletzen, können damit im deutschen Raum neuerdings auch Männer gemeint sein; dann eher als „Fotze“ im Sinne von „Verräter“ oder jemandem, der sich anbiedert und verkauft.

Ye salame

Nein, keine Salami. „Ye salame“ kommt aus dem Arabischen und bedeutet als Ausruf soviel wie „O Mann!“, „Großartig!“, „Jawoll!“, „Wie schön!“, „Yeah!“ oder „Wow!“ Aber aufpassen: Als „Ya salam“ kann es ironisch, Augen rollend rüberkommen. „Na toll!“, „na super!“ Emotionen pur zwischen Freude, Wut und Enttäuschung.

Den 31er machen

Ein „31er“ ist in Anlehnung an den Paragraphen 31 des Betäubungsmittelgesetzes ein Verräter. Die Regelung sieht vor, daß ein Gericht eine Strafe reduzieren kann, wenn der Delinquent mit den Behörden zusammenarbeitet und zur Aufklärung oder Verhinderung einer Straftat beiträgt. „Den 31er machen“ heißt also, mit der Polizei zu kooperieren. V-Männer beim Verfassungsschutz sind demnach 31er.



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