Frankfurt am Main. Wie weit hinkt die deutsche Wirtschaft in der Digitalisierung hinterher? Ziemlich weit. Die hiesigen Unternehmen schöpfen die Möglichkeiten von Anwendungen mit Bits und Bytes derzeit nur zur Hälfte aus. Dies geht aus einer aktuellen Studie der Beratungsfirma Accenture hervor, die dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) exklusiv vorliegt. Die Pointe dabei: Mit einem stärkeren Einsatz fortschrittlicher Technik könnten die Firmen nicht nur ihre Gewinne deutlich steigern, sondern zugleich erhebliche positive Effekte für den Klimaschutz erzielen.

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Die Fachleute von Accenture haben im Auftrag des Vodafone-Instituts für Gesellschaft und Kommunikation fünf Schlüsselsektoren untersucht: Industrie, Landwirtschaft, Gebäude, Logistik und Strom. Das Ergebnis soll als Weckruf verstanden werden. „Wir stehen an einem kritischen Punkt, an dem wir entscheiden müssen, wie ernsthaft wir die Chancen der Digitalisierung ergreifen wollen. Die Zeit zu handeln ist jetzt“, sagte Michael Jungwirth, Nachhaltigkeitsexperte bei Vodafone, dem RND.

Digitalisierung hilft dem Klima und erhöht Gewinne

Weit verbreitet ist die Auffassung, dass Klimaschutz nur Geld kostet und deshalb Gewinne drückt. Der sogenannte Seed-Index von Accenture will erstmals das Gegenteil beweisen: Dass mit der Digitalisierung Profite wachsen und zugleich weniger Treibhausgas in die Luft geblasen wird. Und auch schon mit dem eher bescheidenen Einsatz von avancierter Software in Kombination mit anderer elektronischer Technik konnten laut Accenture im vorigen Jahr die Gewinne aus betrieblicher Tätigkeit (Ebit) um 28 Milliarden Euro gesteigert und die CO₂-Emissionen um 31 Megatonnen (etwa 4 Prozent der Gesamtemissionen) verringert werden. Der Seed-Index sei ein Fahrplan, um die deutsche Wirtschaft nicht nur wettbewerbsfähiger, sondern auch nachhaltiger zu gestalten, so der Accenture-Experte Alexander Holst.

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Aktuell vorne in der Digitalisierung liegt der Sektor Strom. Vor allem bei der Kontrolle und Überwachung der Netze ist viel Intelligenz nötig, damit immer genau so viel elektrische Energie in die Leitungen eingespeist wird, wie gebraucht wird. Die rote Laterne hat die Logistik, obwohl mit schlauer Routenplanung und einer Optimierung der Transporte – was weniger Lkw-Leerfahrten bringt – viel erreicht werden könnte. Als Grund für die Vernachlässigung des Digitalen nennen Logistiker den Mangel an Kapazitäten, um die Technologien zu implementieren.

Und wie geht es weiter? Die Prognosen von Accenture gehen davon aus, dass 2030 der Gebäudesektor der Vorreiter sein könnte. Das leuchtet buchstäblich ein: Wenn Echtzeitdaten über Raumtemperaturen, Luftqualität oder Beleuchtung gesammelt, von künstlicher Intelligenz analysiert und automatisch reguliert werden, lässt sich jede Menge Energie sparen.

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Präzisionsfütterung und „Echtzeitgeräuschanalyse“

Überraschend ist, dass ausgerechnet auch auf dem Land – im Stall, auf Acker und Wiese – enorme Potenziale schlummern. Etwa die sogenannte Präzisionsfütterung: Sensoren, Kameras und eine „Echtzeitgeräuschanalyse“ geben Auskunft über Gesundheit und Wohlbefinden von Kuh und Schwein. Mit mathematischen Modellen können „die spezifischen Bedürfnisse jedes einzelnen Tieres“ festgestellt werden. Und so kann dann das individuelle Lieblingsfutter mit einer täglich optimierten „Nährstoffkomposition“ gereicht werden.

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Der Effekt: erhebliche CO₂-Einsparungen, weil Überfütterung vermieden wird, und zugleich ein für den Bauern deutlich spürbarer „Ebit-Effekt“. Die Accenture-Berater gehen davon aus, dass die digitale Nutztierüberwachung im Jahr 2030 hierzulande auf Weltniveau sein wird.

Was aber nur in ganz wenigen der anderen untersuchten „Use Cases“ der Fall sein könnte. Denn eine Befragung von Unternehmen im Rahmen der Studie hat ergeben, dass die hiesigen Manager die Digitalisierung eher verhalten angehen wollen und damit deutlich unter dem globalen Vergleichsmaßstab bleiben würden. Im Klartext: Chancen der Digitalisierung werden unterbewertet. Dies mache die Dringlichkeit für Maßnahmen zur Beschleunigung der Digitalisierung deutlich, heißt es in der Studie. Thomas Koenen, Innovationsexperte beim Bundesverband der Deutschen Industrie, betont denn auch: „Es kann und darf uns nicht genug sein, die Potenziale nur zur Hälfte auszuschöpfen.“



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