Ostdeutsche SPD-Politiker:innen fordern von der Ampel einen anderen Regierungsstil und mehr diplomatische Initiativen für ein Ende des Ukraine-Kriegs.
FRANKFURT/ODER taz | Die drei SPD-Spitzenkandidat:innen für die ostdeutschen Landtagswahlen Dietmar Woidke, Brandenburg, Petra Köpping, Sachsen und Georg Maier, Thüringen haben sich mit einem Appell an die Bundesregierung gewandt, ihren Politikstil zu ändern. Die hohen Zustimmungswerte für die AfD in allen drei Bundesländern hätten auch mit politischen Entscheidungen der Ampel zu tun, „die nicht vom Ende her gedacht waren“, so Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke bei einem Pressegespräch am Samstag in Frankfurt/Oder.
Als schlechte Beispiele nannte Woidke die Gasumlage, das Heizungsgesetz und die Streichung der Agrardieselsubvention für Landwirte. „Beim Gebäudeenergiegesetz überzeugt mich bis heute nicht, was da an Unterstützungsmöglichkeiten angeboten wird“, sagte Woidke. Außerdem sei es „handwerklich einfach schlecht gemacht.“ Diese Kritik geht eindeutig vor allem an die Adresse des von Robert Habeck (Grüne) geführten Wirtschaftsministeriums, auch wenn das Haus von SPD-Bauministerin Klara Geywitz ebenfalls daran beteiligt war.
Die sächsische Sozialministerin Köpping sagte, es fehle, „dass man miteinander rede und nicht über die Köpfe der Menschen hinweg entscheidet.“ Sie sieht beim Kommunikationsstil der Bundesregierung noch „Riesennachholbedarf“.
Thüringens Innenminister Georg Maier ergänzte, man mache die Bundesregierung natürlich auch dafür verantwortlich, „dass wir gut durch die Krise gekommen sind.“ Aber es sei wichtig, dass „wir nicht mehr ad hoc Maßnahmen beschließen, die nicht richtig durchdacht sind.“
Mehr Diplomatie im Ukraine-Krieg
In Brandenburg, Thüringen und Sachsen wählen die Bürger:innen im September neue Landtage. In allen drei Ländern führt die AfD gegenwärtig die Umfragen, während die SPD selbst in Brandenburg, wo Woidke Ministerpräsident ist, weit dahinter liegt. In Thüringen und Sachsen rangieren die Sozialdemokraten zurzeit im mittleren einstelligen Bereich. Alle drei Spitzenkandidat:innen appellierten zudem an die Bundesregierung, die ostdeutschen Länder stärker in den Blick zu nehmen. „Wir müssen uns jetzt verstärkt um den Osten kümmern.“
Die SPD setzt in den anstehenden Wahlkämpfen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen vor allem auf die Themen Fachkräftegewinnung, gute Arbeit und gute Löhne sowie gleichwertige Lebensverhältnisse. In einem auf der Ostklausur beschlossenen Strategiepapier fordern die ostdeutschen SPD-Politiker:innen eine Reform der Schuldenbremse, die Investitionen ermöglicht.
Ein weiteres Thema dürfte in den Wahlkampf aber ebenfalls eine entscheidende Rolle spielen, nämlich der Krieg in der Ukraine. Hier fordert Brandenburgs Ministerpräsident Woidke die Bundesregierung auf, sich stärker auch diplomatisch zu engagieren. „Neben der Unterstützung für eine freie und demokratische Ukraine, die Deutschland in hervorragender Weise leistet, ist es notwendig, auch wahrnehmbarer zu werden, was diplomatische Aktivitäten zur Beendigung des Krieges betrifft“, sagte Woidke. Natürlich müsse die Ukraine einbezogen werden und danach ein freies Land sein.
Auch hier hat Woidke einen Tipp für die Grünen. Er würde sich wünschen, „dass unsere deutsche Außenpolitik sich stärker dafür einsetzt, dass dieser Konflikt beendet wird.“ Täglich würden viele, viele Menschen in diesem Krieg sterben und deshalb sei es nötig nach einer diplomatischen Lösung zu suchen. „Es sollte wahrnehmbar sein, dass die Bundesregierung nach einer solchen Lösung sucht, gemeinsam mit der Ukraine.“ Und die Situation, in der die Ukraine momentan stehe, mache es mehr als notwendig.
Massenflucht vor Russland
Die SPD sieht sich beim Thema Krieg in der Ukraine einerseits von der AfD andererseits vom Bündnis Sahra Wagenknecht eingezwängt, die beide einen sofortigen Waffenstillstand fordern. Was, laut dem Thüringer Innenminister Maier, ein Fehler wäre. Denn, „Wenn die Russen jetzt weiter vormarschieren, dann würde eine Flüchtlingsbewegung ausgelöst werden, die alle bisherigen Dimensionen übersteigt.“ Die Populisten, die einfach forderten: Waffenlieferungen einstellen und alles ist gut, gaukelten den Menschen einfache Lösungen vor. Er sei froh, dass Olaf Scholz als Kanzler da so besonnen sei.
Auch Köpping lobte den Kanzler, der am Donnerstag beim Gespräch mit Bürgerinnen und Bürgern in Dresden auch von humanitärer und medizinischer Hilfe gesprochen habe. „Die Menschen wollen wissen, was man alles tun kann, um diesen Krieg so schnell wie möglich zu beenden.“
Scholz hatte beim Bürgerdialog in Dresden in ungewohnter Klarheit begründet, warum Deutschland keine Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine liefert. Denn bei einer solchen Waffe, die theoretisch bis Moskau fliegen könne, „will man auch wissen, wo sie landet“, hatte Scholz erklärt. Also müssten deutsche Soldaten an der Programmierung beteiligt sein, und das schloss der Kanzler aus. Dafür bekam er von Teilen des Publikums viel Beifall. Indirekt hatte Scholz damit aber auch klargemacht, dass er der ukrainischen Armee in diesem Punkt misstraut.