Der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis und seine konservative Partei Nea Dimokratia sind klare Favoriten bei der Europawahl.

Der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis und seine konservative Partei Nea Dimokratia sind klare Favoriten bei der Europawahl.

Foto: IMAGO / Alex Nicodim

Seit dem klaren Sieg bei den Parlamentswahlen im Juni 2023 mit knapp 41 Prozent der Stimmen wirkt Premierminister Kyriakos Mitsotakis von der rechtskonservativen Nea Dimokratia unbezwingbar. Sein Kommunikationsteam hat im vergangenen Jahr geschickt die vermeintliche »griechische Erfolgsstory« von der Erholung von der Staatsverschuldungskrise, die das Land seit den 2010er Jahren bis heute noch plagt, erfolgreich für sich reklamiert.

In Gastbeiträgen darf Mitsotakis davon erzählen, wie er das Land auf Kurs gebracht und dem »Griff der Populisten« entzogen hat. So etwa im britischen Wirtschaftsmagazin »The Economist«: »Zwischen den Wahlen 2019 und 2023 erlebten die Menschen einen raschen Wandel. Die Arbeitslosigkeit ging zurück, das Wachstum stieg nach der Pandemie stark an und wir gewannen das Vertrauen der Märkte und ausländischer Investoren zurück. Gleichzeitig hat sich das Land auf die grüne und digitale Wirtschaft der Zukunft ausgerichtet.« Griechenland habe zudem eine neue Stimme, »die näher am Zentrum der Europäischen Union liegt«. Die Beziehungen zur Türkei hätten begonnen, sich zu verbessern.

Europawahl 2024

Illustration: Stephanie Schoell

Im Juni wird in allen Mitgliedsländern der Europäischen Union über ein neues EU-Parlament abgestimmt. Dabei zeichnet sich ab, dass rechte Parteien an Einfluss gewinnen könnten. Was ist eine linke Antwort darauf? Und wie steht es um die Klimapolitik der EU? Welche Entwicklungen gibt es in Hinblick auf Sozialpolitik und was ist im Bereich der europäischen Asyl- und Migrationpolitik zu erwarten? Die anstehende Europawahl wird richtungsweisend. Auf unserer Themenseite fassen wir die Entwicklungen zusammen: dasnd.de/europawahl

Nur die halbe Wahrheit

Nach Ansicht der Opposition verschweigt Mitsotakis, wie Griechenland die Rückkehr zu den schwarzen Zahlen geschafft hat. Laut Stefanos Kasselakis, neuer Vorsitzender der Linkspartei Syriza, seien die Preise in den Supermärkten weiterhin sehr hoch und die Senkung der Arbeitslosigkeit einer kompletten neoliberalen Entfesselung des Arbeitsmarktes zu verdanken. Viele junge Griechen verdienen mit 800 bis 1000 Euro im Monat einen mickrigen Mindestlohn und etliche wählen weiterhin den Weg ins Ausland. Und Syriza hat im Grunde in der Regierungszeit von 2015 bis 2019 den härtesten Teil der Schocktherapie selbst durchgezogen, mit der Mitsotakis jetzt angibt.

Trotz zahlreicher Vorlagen seitens der Regierung Mitsotakis – Überwachung von Politikern und Journalisten, Zugkatastrophe mit 57 Toten, unkontrollierte Waldbrände und Überschwemmungen – haben es linke Kräfte nicht geschafft, bei den Wahlen zu profitieren. Die Chancen dazu werden weiter ungenutzt bleiben, wenn sie sich nicht zusammenschließen. Doch schon bei der Parlamentswahl im Vorsommer konnten sich Syriza und die sozialdemokratische Pasok nicht auf einen gemeinsamen Kurs einigen – die kommunistische Partei Griechenlands KKE schon gar nicht.

Im Hinblick auf die Europawahlen sieht es noch trüber aus: Syriza hat sich aufgrund eines Führungsstreits gespalten. Aber das neue Nebenprodukt – die Neue Linke – scheint nach den Umfragen den Einzug ins EU-Parlament knapp zu verpassen. Gleiches gilt für den Kurs der Freiheit von Zoe Konstantopoulou und die Partei von Yannis Varoufakis Mera25, die schon nicht mehr im nationalen Parlament vertreten ist.

Überraschungen bleiben möglich

Für einen Sitz im Europaparlament müssen griechische Parteien mindestens drei Prozent der Stimmen erreichen. Es kann also noch die eine oder andere Überraschung geben. Etwa, dass die neue linksliberale Parteie Kosmos des Ex-Syriza-Europaabgeordneten Petros Kokkalis oder die zentristischen Demokraten von Andreas Loverdos einen Sitz erringen.

Am rechten Rand tummeln sich mehrere Parteien. Die populistische und euroskeptische Partei Griechische Lösung, die nationalistische Niki (Sieg) und die faktische Nachfolgerin der verbotenen Neonazipartei Goldene Morgenröte, Die Spartaner, buhlen um Stimmen. Allesamt sind sie im griechischen Parlament vertreten.

Mitsotakis überragt das Feld und hat unerwartete Schritte vollzogen. Gegen innerparteilichen Widerstand wurde die gleichgeschlechtliche Ehe legalisiert. Dennoch bleibt die Gesellschaft in Aufruhr. Aktuell gibt es Auseinandersetzungen um ein neues Bildungsgesetz, das Privatuniversitäten ermöglichen soll. Woche für Woche gehen Tausende Studierende auf die Straßen. Auch Griechenlands Landwirte machen mit Protesten auf ihre Lage aufmerksam. Und am 28. Februar haben zum Jahrestag der großen Zugkatastrophe von Tempi Zehntausende für Aufklärung demonstriert.

Immer wieder betont Syriza-Chef Kasselakis, dass die Linke sich zu sehr mit sich selbst beschäftigt, statt die Probleme der Gesellschaft anzugehen. Daran dürfte sich bis zur Europawahl nichts ändern.

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