»Free, Free Palestine«-Sprechchöre schallten am Mittwochnachmittag durch die Straße vor der Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Humboldt-Universität (HU). Etwa 50 Personen besetzten gegen 16 Uhr das Institut. Sie errichteten Barrikaden und besprühten Wände, während vor dem Gebäude in der Universitätsstraße 300 bis 500 Personen demonstrierten. Auf eine Wand wurde dabei »Intifada!« gesprüht. Der Begriff bezeichnet die arabischen Aufstände im Westjordanland und Gaza, in deren Rahmen mehr als tausend israelische Zivilisten bei Terroranschlägen ums Leben kamen.
Muckefuck: morgens, ungefiltert, links
nd.Muckefuck ist unser Newsletter für Berlin am Morgen. Wir gehen wach durch die Stadt, sind vor Ort bei Entscheidungen zu Stadtpolitik – aber immer auch bei den Menschen, die diese betreffen. Muckefuck ist eine Kaffeelänge Berlin – ungefiltert und links. Jetzt anmelden und immer wissen, worum gestritten werden muss.
Im Gegensatz zu der Besetzung der Freien Universität vor zwei Wochen ordnete das Präsidium der HU keine sofortige Räumung der Protestierenden an, sondern duldete die Besetzung zunächst bis Donnerstagabend. Im Verlauf des Tages kündeten die Besetzer allerdings bereits an, das Gebäude länger besetzt halten zu wollen.
Angeführt wurde die Besetzung von der Gruppe »Student Coalition Berlin«, die sich mit dem Protest für ein Ende »des Völkermords in Palästina« und deutscher Waffenlieferungen nach Israel einsetzen, wie sie auf Flyern verbreiteten. Darüber hinaus fordern sie einen »vollständigen akademischen und kulturellen Boykott Israels«. Die »Student Coalition Berlin« zeigte sich bereits für die folgenschwere Besetzung an der FU vor zwei Wochen verantwortlich.
Eine Stunde nach Beginn der Besetzung räumte die Polizei den Haupteingang des Institutes, vor dem Unterstützer*innen der Besetzung demonstrierten und nahm mehrere Personen fest. Gegen einen Festgenommenen wendete ein Polizist einen Schmerzgriff an, woraufhin die Person in Ohnmacht fiel. Sanitäter*innen hatten augenscheinlich Probleme, die Person wieder zu Bewusstsein zu bringen. Eine Anfrage, ob Ermittlungen wegen Körperverletzung gegen den Beamten eingeleitet wurden, ließ die Polizei bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
Gegen 19 Uhr betrat eine Delegation des HU-Präsidiums die besetzte Fakultät, um mit den Studierenden zu verhandeln. Währenddessen räumte die Polizei die Straße vor der Fakultät. Eine Sprecherin der Polizei kommentierte am Abend gegenüber »nd«, dass es sich lediglich um eine Verlegung der Versammlung und keine Auflösung gehandelt habe. Der Versammlungsort vor der Fakultät sei »ungeeignet« gewesen. Die Versammlungsteilnehmer*innen seien der Aufforderung der Polizei nachgekommen: »Das ist alles friedlich verlaufen«, erklärt die Polizeisprecherin.
Von einem freiwilligen Wechsel des Versammlungsortes könne nicht die Rede sein, kritisiert die »Student Coalition Berlin« auf nd-Anfrage: »Die Bereitschaft, mit brutaler Gewalt gegen propalästinensische Proteste vorzugehen und verfassungsmäßige Rechte einzuschränken, ist ungebrochen.«
Sanitäter*innen berichteten »nd«, dass sie von der Polizei daran gehindert wurden, die sich im Inneren der Fakultät befindenden Besetzer mit Wasser und Lebensmitteln zu versorgen. Erst nachdem die Duldung der Besetzung verkündet wurde, ließ die Polizei eine Versorgung der Besetzer*innen zu.
In den sozialen Medien wurde den Besetzern Antisemitismus vorgeworfen. Im Fokus der Vorwürfe stehen rote Dreiecke, die an die Wände der Fakultät gesprüht wurden. Die Hamas verwendet dieses Symbol in Propagandavideos zur Markierung von Feinden. Gesprüht wurde ein solches rotes Dreieck auch auf das Büroschild eines Wissenschaftlers, der sich mit Antisemitismusforschung beschäftigt.
Bei der »Student Coalition Berlin« liefert man eine eigene Interpretation des Terrorsymbols: »Das rote Dreieck ist einerseits ein historisches Zeichen des politischen Widerstandes gegen das deutsche NS-Regime und seine Konzentrationslager«, erklären die Besatzer auf nd-Anfrage. Gleichzeitig erschiene das rote Dreieck auf der Fahne Palästinas und würde deshalb von der »gesamten und politisch breitgefächerten nationalen Befreiungsbewegung verwendet«.
#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket