Ein Rabe gleitet durch einen finsteren Wald, überquert Felsen und Hügel und schwebt auf Burg Winterfell ein, wo die wackeren Starks leben, die „Wächter des Nordens“, die die Menschen des Fantasykontinents Westeros vor etwas Bösem schützen, das in der Wildnis jenseits einer 200 Meter hohen Eismauer darauf lauert, die Sieben Königslande zu verheeren. So beginnt die zweite Staffel von „House of The Dragon“, die eine Vorgeschichte erzählt zu der Mutterserie „Game of Thrones“. Es geht 170 Jahre zurück in die Vergangenheit, als die silberhaarigen Eroberer des Hauses Targaryen auf dem Eisernen Thron sitzen. Raben sind hier Brieftauben. Und gewaltige feuerspeiende Drachen sind die Atombomben dieser mittelalterlich anmutenden Welt.

Weiterlesen nach der Anzeige

Weiterlesen nach der Anzeige

Der Winter kommt, der Krieg kommt auch

„War is coming“, dieser Satz stand zu den acht Staffeln von „Game of Thrones“ (2011 – 2019) auf zahllosen Merchandising-Artikeln – T-Shirts, Postern und Tassen. „War is coming“ heißt es auch in „House of The Dragon“, wo ein Prinz den Herrn von Winterfell mit ebendiesem Satz davon überzeugen will, ihm Truppen bereitzustellen. Der Frieden ist gefährdet, eine Königin und ein König beanspruchen den Eisernen Thron. Die Königin ist die rechtmäßig für die Nachfolge bestimmte Tochter des vorherigen Herrschers, der König ist dessen ältester Sohn aus zweiter Ehe – seine Ansprüche beruhen auf einem Missverständnis.

Weiterlesen nach der Anzeige

Weiterlesen nach der Anzeige

Allianzen werden auf beiden Seiten geschmiedet, alte Eide eingefordert, auf dass im Ernstfall keines der Heere blitzkriegartig überrumpelt werden kann. Einstweilen hat Politik im Reich noch den Vorrang, es gibt noch Stimmen der Vernunft, die das Pro und Contra eines Waffengangs abwägen. Und stets waren es ja Politik und Intrige (und die geschliffenen Dialoge), die gemeinsam mit den wahrlich großartigen Überwältigungsbildern den Reiz, ja die Einzigartigkeit dieser beiden Fantasyserien ausmachten. Aber das Verbrechen, besser, der Unfall, der dann am Ende der ersten Staffel von „House of The Dragon“ geschah, hat das Räderwerk eines großen Sterbens bereits unumkehrbar in Gang gesetzt.

Zwei Attentäter begehen einen Fehler (oder war‘s am Ende keiner?)

Man erinnert sich an diesen Schockmoment, in dem das Katz-und-Maus-Spiel zweier Drachen tödlich endete. Ein junger Mann, Sohn der Königin, wurde samt seines eher kleinen Flugreptils vom Biest des Bruders des konkurrierenden Königs in der Luft zerrissen. Es war kein Mordbefehl, eher ein Unglück, das sich am Ende einer Verfolgungsjagd ereignete. Das Untier Vhagar, das da tödlich zubiss, ist der Moby Dick unter den geflügelten Lindwürmern der Targaryens. Mit den vielen Seilen am gigantischen Narbenleib und Löchern in den riesigen Schwingen sah er aus wie eine Flugversion von Käpt‘n Ahabs Wal. Tolles Monster. Creepy.

Rache für diesen Tod steht im Raum, zwei Attentäter werden ausgeschickt, Aemond (Ewan Mitchell), den vermeintlichen Mörder, zu töten. Der Fehler, den sie begehen, ist dann so schrecklich, dass eine Fortsetzung des Friedenszeitalters ausgeschlossen ist. Zumal Gegenkönig Aegon II. (Tom Glynn-Carney), ein dekadenter, unreifer Lebemann, Geschmack am (irrlichternden) Herrschen bekommen hat, und immer weniger geneigt ist, auf augenblicklichen Gelüsten zuwiderlaufenden guten Rat zu hören. „War is coming“.

Überzeugendes Ensemble, angeführt von starken Frauencharakteren

Dem Betrachter erscheinen nicht alle Personenentwicklungen sofort nachvollziehbar – etwa die des heroisch-grausamen Daemon, Onkel und Gatte der Königin (Inzest ist okay im Königshaus). Und manche Gefahr hier wird naiv und sträflich unterschätzt wird (etwa die von Zwillingsbrüdern auf verschiedenen Seiten eines Konflikts). Wiewohl ist Staffel zwei tiefschürfend und fesselnd. Und das Ensemble ist weitgehend erlesen, angeführt von starken weiblichen Charakteren: Eve Best als abgeklärte Prinzessin Rhaenys, Emma D‘Arcy als um Frieden ringende Königin Rhaenyra, Olivia Cooke als erst wütende, dann zweifelnde Königswitwe Alicent Hohenturm.

Weiterlesen nach der Anzeige

Weiterlesen nach der Anzeige

Unter den männlichen Darstellern überzeugen Rhys Ifans als Alicents ehrgeiziger Vater Otto, der „Hand“ genannte, rangerste Königsberater, Matt Smith als furchtloser, zwielichtiger Daemon und Matthew Needham als klumpfüßiger Strippenzieher Lord Larys.

Denn die Action steigert sich langsam. Schlachtengetümmel wird hier zunächst nur vom Ergebnis her gezeigt – den auf dem Feld Liegengebliebenen, die vom Gegner mitleidlos auf ihr Ableben geprüft werden. Das wird sich indes im Lauf der vier (von acht) zur Sichtung gewährten Folgen ändern. Die Drachen liefern von dem Moment an, als Rhaenyra am Strand den Beweis für den Tod ihres Sohnes findet, durchaus einige sehenswerte Flugschauen – vorläufig gipfelnd im furiosen Finale der vierten Folge. Fliegendes Feuer.

Der erste Aegon sah eine Bedrohung von jenseits der Mauer

Und doch wirft man den Blick im Geiste nach Norden. Erwähnt wird zudem wiederholt das „Lied von Eis und Feuer“, was der Titel von George R. R. Martins Romanvorlagen zu „Game of Thrones“ war, und auf eine Vision des ersten Targaryenkönigs in Westeros, zurückgeht. Der sah eine Bedrohung aus dem Norden von jenseits der Mauer voraus. Wie der Drachentanz von dieser Gefahr ablenkt, und wie sie sich äußern und dreinfahren wird in die Pläne und Absichten der widerstreitenden gekrönten Häupter, darauf darf man gespannt sein.

Das Stream-Team

Die besten Serien- und Filmtipps für Netflix & Co. direkt in Ihr Postfach – jeden Monat neu.

Weiterlesen nach der Anzeige

Weiterlesen nach der Anzeige

Die unschlagbare „GoT“-Musik, ein Wiener Walzer aus der Feder des deutsch-iranischen Komponisten Ramin Djawadi, wurde wieder übernommen. Vertrautes schafft Vertrauen. Und der neue Vorspann ist superb, zeigt, wie nach dem Muster der Bayeux Tapestry ein Historien-Wandteppich mit den Ereignissen jener Tage von unsichtbarer Hand gewoben wird. Schon diese zwei Minuten machen wieder Lust auf diese schöne, harte Welt.

Und nun lasset die Drachen tanzen.

„House of The Dragon“, zweite Staffel, acht Folgen, mit Emma D‘Arcy, Olivia Cooke, Eve Best, Matt Smith, Rhys Ifans, Fabien Frankel, Ewan Mitchell, Tom Glynn-Carney, Matthew Needham, Sonoya Mizuno, Freddie Fox, Tom Taylor (ab 17. Juni bei Wow)



Source link www.ln-online.de