Die 45-jährige Geschichte der Islamischen Republik Iran – es ist auch eine Geschichte der Konfrontation mit äußeren und inneren Feinden, eine Geschichte von Konflikten und Kriegen.

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Das erste Feindbild, welches die Islamische Republik nach dem Sturz des Schah 1979 erkor, waren die USA. Als Feindbild taugte das Land, weil es die Schutzmacht des Schah war. Dieser regierte als absoluter Monarch das von seinem Vater „ererbte“ Land bis zur Islamischen Revolution. Ein kurzes demokratisches Intermezzo unter dem gewählten Premierminister Mohammad Mossadegh endete 1953 durch einen Putsch, auch mithilfe westlicher Beteiligung.

Doch nach der siegreichen Revolution von 1979 blieb es nicht allein beim Feindbild USA: Am 4. November stürmten etwa 400 iranische Studenten die US-Botschaft in Teheran und hielten anschließend 52 Geiseln für 444 Tage gefangen. Bald stellte sich heraus, dass sich hier nicht spontan Volkszorn entlud, sondern dass die Aktion von der neuen Machtelite wohl orchestriert wurde – die damit auch zeigte, dass sie nicht bereit war, sich an diplomatische und völkerrechtliche Regeln zu halten.

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Revolutionsführer Ajatollah Khomeini billigte die Aktion – und forderte im Gegenzug die Auslieferung des in die USA geflohenen Schahs. Ein langes Tauziehen um das Schicksal der Geiseln begann. Ein von US-Präsident Jimmy Carter angeordneter Befreiungsversuch am 24. April 1980 scheiterte. Erst nach einem Geheimabkommen und der Abwahl Carters endete für die 52 Geiseln das Martyrium am 19. Januar 1981.

Mit Slogans wie „Tod Amerika“ und „Tod Israel“ begann die Revolution 1978 auf den iranischen Straßen, daraus schöpfte sie auch ihre Legitimität.

Peter R. Neumann,

Professor für Sicherheits­studien am King‘s College London

„Von Anfang an gehörte es sozusagen zur DNA der Islamischen Revolution, auf Konfrontationskurs gegen Amerika, gegen Israel und den Westen zu gehen. Mit Slogans wie ‚Tod Amerika‘ und ,Tod Israel‘ begann die Revolution 1978 auf den iranischen Straßen, daraus schöpfte sie auch ihre Legitimität“, sagt Peter R. Neumann, Professor für Sicherheits­studien am King‘s College London, im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Insofern ist das etwas, was mit dem Projekt der iranischen Revolution ganz eng verbunden ist und sich auch nicht einfach so weglassen lässt“, so der Politikwissenschaftler.

Saddam Hussein fiel im Iran ein

Militärisch bedroht wird die noch junge Islamische Republik jedoch weder von Israel noch von Amerika – sondern von einem arabischen Nachbarland: Am 22. September 1980 überfällt Iraks Diktator Saddam Hussein den Iran. Ein achtjähriger Krieg beginnt, er fordert auf beiden Seiten Hunderttausende Tote. Das Regime der Mullahs weiß jedoch, den Krieg innenpolitisch zu instrumentalisieren, indem es gnadenlos die Islamisierung des Justizwesens, der Schulen und Hochschulen sowie der Wirtschaft und Medien betreibt. Für Frauen gilt fortan eine islamische Kleiderordnung und in öffentlichen Verkehrsmitteln Geschlechtertrennung.

Eine Verhaftungs- und Hinrichtungswelle gegen Kritiker beginnt, die im Iran traditionell starke linke und säkularistische Opposition wird ausgeschaltet. Allein bis 1988 sollen mehr als 2000 Gefangene, vor allem Anhänger der linken Volksmudschahedin, die ursprünglich gemeinsam mit Khomeini gegen den Schah gekämpft hatten, hingerichtet worden sein.

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Ajatollah Khomeini.

Ajatollah Khomeini.

Spätestens als Khomeini am 14. Februar 1989 eine Fatwa, eine Art Rechtsgutachten mit einem Mordaufruf, gegen den britisch-indischen Autor Salman Rushdie erlässt, weiß die Welt, dass der Iran weder Grenzen noch andere Rechtsordnungen respektiert. Weltweit fallen in dieser Zeit Exil-Iraner Mordanschlägen von Auftragskillern und Geheimdienstlern zum Opfer – so wie Schapur Bachtiar, der letzte Übergangspremierminister vor Ankunft Khomeinis in Teheran, der 1991 in Paris ermordet wird. In Bonn wird zudem 1992 der iranische Regimegegner Fereydoun Farrochzad erstochen. Am 17. September 1992 sterben in einem Berliner Restaurant vier iranische Exilpolitiker, erschossen im Auftrag des iranischen Geheimdienstes VEVAK.

In einem weltweiten Netz Islamischer Zentren – wie jenem der Imam-Ali-Moschee in Hamburg – werden spätere Kader der Islamischen Republik wie der „Blutrichter“ Mohammad Beheschti, Mohammad Chatami, später Staatspräsident, oder Reza Ramezani ausgebildet, heute Mitglied des mächtigen Expertenrates.

Sitz des Islamischen Zentrums Hamburg: Die blaue Moschee an der Alster in Hamburg wird schon lange vom Verfassungsschutz beobachtet.

Sitz des Islamischen Zentrums Hamburg: Die blaue Moschee an der Alster in Hamburg wird schon lange vom Verfassungsschutz beobachtet.

Eine neue Stufe der Eskalation wird spätestens ab 1995 eingeleitet, als bekannt wird, dass der Iran versucht, in den Besitz von Atombomben zu kommen. US-Präsident Bill Clinton verhängt noch im selben Jahr Sanktionen, sie umfassten ein Handelsembargo und das Verbot amerikanischer Investitionen im Land.

Der Iran gewinnt in anderen Ländern Einfluss

Der wirtschaftliche Niedergang des einst reichen Landes, der bereits mit dem irakisch-iranischen Krieg einsetzte, beschleunigt sich durch die Maßnahmen. Gleichzeitig steigt im Land eine Miliz zum Staat im Staate auf, deren Gründung noch der 1989 verstorbene Revolutionsführer Khomeini veranlasste: die Revolutions­garde (IRGC), auch Pasdaran genannt. Keiner Nation, keinem Führer verpflichtet – sondern nur dem Islam, also dem theologisch-ideologischen Fundament der Islamischen Republik.

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Heute verfügt die IRGC über ein Wirtschafts­imperium, darunter Fabriken, Unternehmen und Tochter­gesellschaften im Bankensektor, in der Infrastruktur des Landes, im Wohnungsbau, auch Flug­gesellschaften und Unternehmen im Tourismus gehören dazu. IRGC-geführte Scheinfirmen helfen, Sanktionen durch ein Netz von Schmuggel­operationen zu umgehen.

Iran attackiert Israel mit Drohnen, Raketen und Marschflugkörpern

Wie das israelische Militär mitteilte, konnten 99 Prozent der mehr als 300 Drohnen und Raketen abgeschossen werden.

Während die iranischen Streitkräfte abgeschnitten von westlicher Technik in einem desolaten Zustand sind, verfügt die Revolutions­garde über ein beeindruckendes Arsenal, das auch Programme für ballistische Flugkörper und Drohnen umfasst.

Ab 2012 unterstützt Teheran im Bürgerkrieg in Syrien die syrische Armee und Diktator Baschar al-Assad militärisch und finanziell. Seit dem Ende des Bürgerkriegs im Libanon 1990 baut der Iran in diesem Land, in dem sich 27 Prozent der Bevölkerung zum schiitischen Islam bekennen, mit der Hisbollah eine das Land machtpolitisch dominierende Miliz auf.

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Im Gazastreifen gelingt es dem Iran, auf die dort seit 2007 herrschende Hamas Einfluss zu nehmen – auch wenn die Menschen in Palästina mehrheitlich sunnitischen Glaubens sind. Im Jemen im Süden der Arabischen Halbinsel gelten die Huthi-Milizen als verlängerter Arm Teherans. Und im Irak, wo sich 60 Prozent der Bevölkerung zum schiitischen Glauben bekennen, kann gegen die von Teheran gesteuerten schiitischen Milizen politisch nichts durchgesetzt werden.

Im Januar 2024 beschießt der Iran pakistanisches Territorium mit Raketen – angeblich, um extremistische Milizen auszuschalten. Mehrere Menschen sterben. Zuvor waren bei Anschlägen der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) im Iran mehr als 80 Menschen ums Leben gekommen.

Sie leisten sich das, gerade weil sie innenpolitisch so schwach sind. Weil sie nämlich daraus Legitimität schöpfen können.

Peter R. Neumann,

Politologe

Immer dichter ist das politische Netz, welches der wirtschaftlich darniederliegende Iran im Nahen und Mittleren Osten spinnt. Rechnet sich der Aufwand? „Sie leisten sich das, gerade weil sie innenpolitisch so schwach sind. Weil sie nämlich daraus Legitimität schöpfen können. Weil sie damit ihren Anhängern zeigen können: Trotz unserer innenpolitischen Schwäche verfolgen wir weiter unser Projekt und vergessen nicht, wofür wir stehen“, ordnet Peter R. Neumann ein. Ein Nebeneffekt ist, dass das Regime hofft, „vor allem durch die stete Konfrontation mit Israel, dem unterstellt wird, die Existenz der Islamischen Republik zu bedrohen, die Menschen wieder hinter sich zu versammeln, die sich vom Regime abgewendet haben“. Kam es kurz nach der Revolution noch zu großen Massendemonstrationen, zum Beispiel durch Frauen, die sich dem Schleichzwang widersetzten, so ließen öffentliche Proteste aufgrund der drakonischen Bestrafungen vorerst nach.

Protestbewegungen erschüttern das Land

Nach Gerüchten über Wahlfälschungen 2009, damals gewann der Hardliner Mahmoud Ahmadinedschad, begannen umfangreiche Straßenproteste, die als „grüne Bewegung“ für Schlagzeilen sorgen – über 100 Menschen sterben. Seitdem erschüttern immer wieder Protestwellen das Land, zuletzt im Herbst 2022 nach dem Tod von Mahsa Amini in Gewahrsam der „Sittenpolizei“. Der jungen Frau war vorgeworfen worden, ihren Kopfschleier nicht ordnungsgemäß zu tragen.

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Als schiitisches Land sowohl konfessionell als auch, als nicht arabisches Land, kulturell in der Region eher isoliert, baut der Iran dennoch seinen Einfluss in der Region mit Hilfe verbündeter Milizen stetig aus. „Durch diese expansive Außenpolitik hat er jetzt die Möglichkeit, vor allem Israel aus verschiedenen Richtungen zu provozieren“, so Neumann. Allerdings glaubt der in London lehrende Wissenschaftler, dass sich das Regime in Teheran mit den jüngsten Attacken auf Israel selbst am meisten geschadet hat.

Krisen-Radar

rter Can Merey und sein Team anRND-Auslandsrepoalysieren die Entwicklung globaler Krisen im wöchentlichen Newsletter zur Sicherheitslage – immer mittwochs.

„Bis zuletzt wurde die internationale Berichterstattung vom Leid der Menschen in Gaza dominiert. Israel wurde als Täter dargestellt, drohte, auch seine letzten Verbündeten zu verprellen“, so Neumann. Die Angriffe aus dem Iran hätten „das Narrativ, Israel sei Täter, jetzt entkräftet. Die Weltöffentlichkeit wurde daran erinnert, dass Israel der Angegriffene sei – am 7. Oktober 2023, aber auch am jetzt am Wochenende. Und wenn Netanjahu klug ist, wird er nicht gleich zurückschlagen, sondern die neu entstandene Situation für seine Zwecke ausnutzen“, sagt der Londoner Politikwissenschaftler.

Anhaltende Kontroverse über das Atomprogramm

Das 2015 zwischen dem Westen unterzeichnete Atom-Abkommen mit dem Iran hält Neumann, anders als viele seiner Kollegen, für keinen Fehler. Das Abkommen sollte Irans Bestrebungen, eine Atombombe zu bauen, beenden. Im Gegenzug lockten den Iranern wirtschaftliche Öffnung und Hilfe beim Bau von Kernkraftwerken.

US-Präsident Donald Trump kündigt das Abkommen 2018 einseitig auf. „Eine der großen Errungenschaft ist, dass dieses Atomprogramm, das ja schon relativ weit fortgeschritten war und welches die Iraner dann nicht bis zum Ende durch verfolgt haben, bis heute nicht zum Bau der Bombe geführt hat“, sagt der Politikwissenschaftler. Kritiker indes verweisen auf die Lücken des Abkommens – Irans Raketenprogramm und sein militärisches Engagement in der gesamten Region seien im Abkommen übersehen worden. Die jetzige Konfrontation mit Israel werten indes viele als Folge dieser Versäumnisse.



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