Frankfurt am Main. Sie sind so etwas wie das vernachlässigte Stiefkind der Energiewende: die Stromnetze, die dringend ausgebaut werden müssen. Die Vorhaben für mehr Überlandleitungen kamen jahrelang kaum voran. Um Proteste gegen „Monstertrassen“ mit hohen Masten zu befrieden, beschloss die Bundesregierung, auf Erdkabel zu setzen. Doch nun flammt die Debatte wieder auf. Denn die Freileitungen haben einen endscheidenden Vorteil: Die Kosten sind erheblich niedriger. Davon würden auch die Verbraucher profitieren.

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„Die Energiewende ist nicht verhandelbar, aber ihre Rahmenbedingungen und somit die Kosten für jeden Einzelnen sind es durchaus“, sagte Stefan Kapferer, Chef des Übertragungsnetzbetreibers 50hertz, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Mit einem Wechsel von Erdkabel auf Freileitung könnten allein bei drei geplanten Gleichstromverbindungen 20 Milliarden Euro gespart werden. Die Kosten für den Ausbau müsse jeder Haushalt, jeder Industriebetrieb und jedes Gewerbe tragen. Kapferer fügt hinzu: „Hohe Strompreise schaden der Akzeptanz der Energiewende und wirken sich negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie aus. Es liegt in unserer Verantwortung, die Energiewende finanziell verantwortungsvoll zu gestalten.“

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50hertz ist einer von vier Übertragungsnetzbetreibern (ÜNB) – diese kümmern sich um die Stromautobahnen, die insbesondere Windstrom, den es im Norden der Republik schon jetzt im Überfluss gibt, in den Süden transportieren, wo er dringend zur Versorgung von Haushalten und vor allem von großen Industriebetrieben benötigt wird.

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Deutschland hinkt beim Netzausbau hinterher

Ähnlich wie 50hertz sehen es die Kollegen beim ÜNB Tennet: „Mit dem Ziel einer schnelleren und allem bezahlbaren Energiewende befürworten wir den Bau neuer Projekte mittels Freileitung“, so ein Tennet-Sprecher gegenüber dem RND. Er betont mit Blick auf die Bundesregierung und die Landesregierungen: „Die Technologieentscheidung sollte jedoch schnellstmöglich erfolgen, um Verzögerungen und erhebliche Mehrkosten neuer Projekte zu vermeiden.“ Zugleich macht der Tennet-Sprecher darauf aufmerksam, es sei enorm wichtig, dass „bei bereits gesetzlich bestätigten Maßnahmen keine Änderungen herbeigeführt würden. Hier hat die Vergangenheit gezeigt, dass dies zu erheblichen Verzögerungen führen würde.“

Immer wieder haben Anwohner und Umweltschützer gegen die Südlink-Stromautobahn von Nord- nach Süddeutschland protestiert.

Immer wieder haben Anwohner und Umweltschützer gegen die Südlink-Stromautobahn von Nord- nach Süddeutschland protestiert.

Und das dürfte niemand wirklich wollen. Denn beim Netzausbau hinkt Deutschland weit hinter den ursprünglichen Plänen her. Laut Wirtschaftsministerium sind bis 2045 Übertragungsleitungen mit einer Länge von knapp 14.000 Kilometern nötig. Nur rund 2300 Kilometer sind bereits in Betrieb, weitere knapp 3000 Kilometer in Bau. Es muss hurtig vorangegangen werden, um Verwerfungen bei der Energiewende zu verhindern: Mit mehr Wind- und auch mit mehr Sonnenstrom sowie weniger elektrischer Energie aus fossilen Quellen muss die bundesweite Stromumverteilung massiv verstärkt werden, zumal der Bedarf in den nächsten Jahren erheblich steigen wird – siehe zum Beispiel Wärmepumpen und Elektromobilität. Und schon jetzt kosten die unzulänglichen Netze die Verbraucher Geld: Wegen Engstellen beim Transport müssen Windräder aus dem Wind gedreht und stattdessen Gaskraftwerke hinter der Engstelle zugeschaltet werden, was wegen Entschädigungszahlungen eine teure Angelegenheit ist.

Widerstand vor allem in Bayern groß

Für die Priorisierung der Erdkabel hat sich die schwarz-rote Bundesregierung im Jahr 2015 entschieden. Vorangegangen waren heftige Diskussionen über „Monstertrassen“. Allenthalben bildeten sich lokale Bürgerinitiativen, um die enormen Masten – damals noch mehr als 70 Meter hoch – zu verhindern. Vor allem in Bayern war der Widerstand groß, und die dortige Landesregierung schlug sich auf die Seite der Gegner der oberirdischen Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsleitungen.

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Moderne Masten sind mehr als zehn Meter niedriger. Und die neue Diskussion kocht nun hoch, weil die Bundesnetzagentur (BnetzA) gerade eine Kostenkalkulation vorgelegt hat. Alles in allem rechnet die Behörde mit Investitionen von 320 Milliarden Euro. Bei einem weitgehenden Verzicht auf Erdkabel könnten sie theoretisch um insgesamt rund 35 Milliarden Euro gedrückt werden. Leitungen im Boden zu vergraben ist bis zu achtmal teurer, als sie an Masten zu hängen. Wie viel für die dicken Kabel ausgegeben wird, macht sich letztlich auch in den Portemonnaies der Verbraucher bemerkbar. Denn über deren Stromrechnungen holen sich die ÜNB ihre Investitionskosten wieder zurück.

Mehrere Bundesländer wollen wieder mehr Masten aufstellen

Ein Umfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa) hat ergeben, dass mehrere Landesregierungen – darunter Hessen, Brandenburg und Rheinland-Pfalz – befürworten, wieder mehr Masten aufzustellen. Während Niedersachsen oder auch Schleswig-Holstein nach wie vor auf Erdkabel setzen wollen. Die drei geplanten Trassen mit dem 20-Milliarden-Sparpotenzial sollen Strom vom hohen Norden aus nach Baden-Württemberg und Sachsen transportieren. Alle drei würden durch die Region zwischen Hannover und Hildesheim führen. Bei einem Umschwenken weg vom Erdkabel könnte es in den betroffenen Gebieten erneut heftige Proteste geben.

Auch in der Energiewirtschaft gibt es indes kein einhelliges Bild. So ist der Übertragungsnetzbetreiber Amprion, der unter anderem im dicht besiedelten NRW aktiv, nach RND-Informationen gegen mehr Masten – im Gegensatz zu Tennet und 50hertz.



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