Lübeck. Montagmorgen 10.30 Uhr, Dasong öffnet die Tür des Restaurants Shanghai. Er ist etwa 1,70 Meter groß, hat schwarzes Haar und ein freundliches Gesicht. Zu Beginn unseres Gesprächs kann direkt ein Missverständnis aufgeklärt werden: Der korrekte Name des Kochs lautet Yin Dasong, nicht Dasong Yin, wie in den LN bisher geschrieben wurde. In China steht der Familienname nämlich vor dem Geburtsnamen, was bei Übersetzungen oft für Verwirrung sorgt.

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 Von Mai 2023 bis Mitte Februar 2024 war Dasong gezwungen, seine Arbeit niederzulegen, denn seine Arbeitsgenehmigung war ausgelaufen. Diese Zeit beschreibt er als eine dunkle Periode in seinem Leben. „Ich kann nicht in Worten ausdrücken, wie ich mich in dieser Zeit gefühlt habe“, erzählt Dasong. „Ich war sehr angespannt und rastlos, und ich wollte unbedingt wieder in meinem gewohnten Umfeld arbeiten.“

Chinesischer Koch macht deutschlandweit Schlagzeilen

Yin Dasong ist Chefkoch des Restaurants Shanghai am Koberg. Er kommt ursprünglich aus der Provinz Jiangsu, die nördlich der Stadt Shanghai liegt, seine Muttersprache ist Mandarin. Die Geschichte des Fünfzigjährigen kennen inzwischen viele in Lübeck, sogar deutschlandweit hat sie für Schlagzeilen gesorgt. Doch direkt mit ihm gesprochen hat bisher keiner. Dasong spricht nämlich kein Deutsch und in der Redaktion der LN gab es niemanden, der Chinesisch spricht – bis jetzt.

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Dasong ist traurig, weil er seine Familie schon lange nicht sehen konnte. „Ich will unbedingt nach China zurück, denn das letzte Mal, dass ich meine Familie sehen konnte, war vor der Pandemie, ich vermisse sie sehr“, sagt er. Doch selbst ein Urlaub in seiner Heimat ist nicht möglich. „Wenn ich nach China reise, ohne eine Arbeitsgenehmigung in Deutschland zu haben, kann ich nicht nach Lübeck zurückkehren, um zu arbeiten.“ Er wolle langfristig in Lübeck bleiben und befürchte, dass ein Urlaub in China eine Wiedereinreise nach Deutschland unmöglich machen könnte.

Kleiner Fehler mit großen Folgen

Dasong sollte eigentlich aus Deutschland ausgewiesen werden. Grund dafür war ein formaler Fehler beim Einreichen von Dokumenten bei der Ausländerbehörde Lübeck. Versehentlich wurde ein alter Arbeitsvertrag vorgelegt. Laut des alten Vertrags war Dasong als „Spezialitätenkoch“ tätig. In Wahrheit war er zu diesem Zeitpunkt aber bereits Betriebsleiter. Das falsch eingereichte Dokument führte dazu, dass die Ausländerbehörde Dasong die Arbeitsgenehmigung entzog.

Die bevorstehende Ausweisung, die im Sommer letzten Jahres noch unausweichlich schien, sorgte für einen Aufschrei. Weit mehr als 72.000 Menschen (Stand: April 2024) unterzeichneten eine Online-Petition mit dem Titel „Gerechtigkeit für Dasong Yin“.

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Im Februar dieses Jahres gab es endlich gute Neuigkeiten: Dasong wurde mitgeteilt, dass er vorerst in Deutschland bleiben und arbeiten darf. Sein Anwalt hatte beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Widerspruch gegen die vom Verwaltungsgericht beschlossene Ausweisung eingelegt. Das OVG beschloss, dass der Chefkoch im Shanghai arbeiten darf, solange das Widerspruchsverfahren läuft.

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Doch auch heute ist Dasong nicht entspannt. Denn seine temporäre Arbeitsgenehmigung läuft in zwei Monaten schon wieder ab. „Was nach den zwei Monaten passiert, weiß ich nicht. Ich muss auf die Entscheidung des Gerichts warten“, sagt Dasong. „Das ist wirklich eine unangenehme Situation für mich.“

Dasong fühlt sich in Lübeck sehr wohl und will unbedingt weiterhin hier wohnen und arbeiten dürfen.

Dasong fühlt sich in Lübeck sehr wohl und will unbedingt weiterhin hier wohnen und arbeiten dürfen.

„Deutschland ist meine zweite Heimat“

Wenn Dasong über sein Leben in Lübeck spricht, kommt er ins Schwärmen. „Lübeck ist perfekt für mich. Ich bin 2005 das erste Mal hierher gekommen, um für das Shanghai zu kochen. Heute ist Deutschland meine zweite Heimat. Ich will unbedingt hierbleiben.“ In seiner Freizeit fahre er gern Fahrrad. „Ich fahre gerne nach Travemünde, um das Meer zu sehen und die Meeresluft zu genießen.“

Dasong kam nach Deutschland, weil das Restaurant Shanghai von Mitgliedern seiner Familie betrieben wird. „Ich habe mich damals sehr gefreut, nach Deutschland zu kommen, um im Restaurant meiner Familie arbeiten zu dürfen“, sagt Dasong. Das Shanghai wurde bereits 1966 von Dasongs Großvater gegründet.

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Dasongs Arbeitserlaubnis: „Ich muss hoffen“

Über die große Anteilnahme ist Dasong sehr glücklich. Er kann sie sich aber erklären: „Wir haben hier im Shanghai viele Stammkunden, und die kennen mich gut. Daher haben sie mit mir mitgefühlt, als sie von meiner Situation gehört haben.“

Das laufende Verfahren frustriert ihn. „Ich verstehe nicht, was das Problem ist. Was habe ich falsch gemacht?“ Hat er dennoch Hoffnung, dass alles gut ausgehen wird und er in Lübeck bleiben kann? „Ich muss Hoffnung haben“, sagt er. Dasong erzählt auch, was er sich für die Zukunft wünscht, wenn er in Lübeck bleiben darf: „Ich möchte mit mehr Menschen von hier Freundschaften knüpfen, deswegen möchte ich auch Deutsch lernen.“

LN



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