München – Mit Kiffverboten in der Gastronomie, auf Volksfesten und in staatlichen Parks sowie Tabuzonen auf stark besuchten Plätzen, einem teuren Bußgeldkatalog und einer speziellen Einheit zur Kontrolle der strikten Regeln will die Bayerische Staatsregierung einen besonders harten Kurs gegen Cannabis-Konsumenten fahren.

Auch außerhalb des Freistaats wird der vehemente Widerstand vom Legalisierungsgegner und bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) wahrgenommen – und sorgt unter anderem beim Brandenburger Jugendrichter Andreas Müller für große Verärgerung.

“Ich kann nur mit dem Kopf schütteln, was ich von Herrn Söder immer wieder höre”, sagt der 62-Jährige zur AZ. “Das ist so demokratiefeindlich, was um ihn herum passiert. Da ist ein Gesetz über zwei Jahre beraten worden, es hat Änderungen gegeben und der Jugendschutz wurde eingebaut – doch nun meint Herr Söder, er könnte es immer weiter verschärfen”, so der Richter vom Amtsgericht Bernau bei Berlin. “Es klingt so, als würde die Welt untergehen, weil auf jedem Oktoberfest Horden von Kiffern rumlaufen würden. Das ist ein Unding.”

Jugendrichter Andreas Müller setzt sich seit vielen Jahren für Freigabe von Cannabis ein

Wenn es um die Legalisierung von Gras geht, ist Müller in Deutschland kein Unbekannter. Seit 1997 ist er Jugendrichter in Brandenburg und machte bundesweit 2019 Schlagzeilen, als er zwei Strafverfahren wegen des Besitzes von geringen Grasmengen aussetzte.

Damals erklärte der Richter, dass er die Regelungen des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) für verfassungswidrig hält. Ein Jahr später schickte Müller eine 140-seitige Schrift an das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, damit dieses seine Bedenken überprüft.

Der Jugendrichter Andreas Müller hält die Vorhaben der Bayerischen Staatsregierung für nicht zielführend.
Der Jugendrichter Andreas Müller hält die Vorhaben der Bayerischen Staatsregierung für nicht zielführend.
© Imago / Olaf Wagner
Der Jugendrichter Andreas Müller hält die Vorhaben der Bayerischen Staatsregierung für nicht zielführend.

von Imago / Olaf Wagner

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Die Staatsanwaltschaft Frankfurt an der Oder reagierte daraufhin und stellte einen Befangenheitsantrag gegen Müller. Trotz seines Engagements und aktivistischen Auftretens für die Freigabe der Droge kamen Gerichte in erster und zweiter Instanz zum Entschluss, dass Müller nicht befangen sei.

Cannabis-Vorstöße von CSU-Chef Markus Söder: “Halte viel von dem für rechtswidrig”

Mit Blick auf den CSU-Chef Markus Söder und seiner strengen Regierungslinie in Bayern hat Müller eine klare Meinung: “Ich halte viel von dem, was da gemacht wird, für rechtswidrig. Söder versucht, das Bundesrecht auszuhebeln. Irgendwann werden das hoffentlich Richter prüfen.”

Das Wirrwarr an Regeln, das im Freistaat zu entstehen droht, macht den Jugendrichter wütend. In den letzten knapp 30 Jahren sei kein Gewaltfall auf seinem Tisch gelandet, der auf Cannabiskonsum beruht. Bei jedem dritten Körperverletzungsverfahren sei jedoch Alkohol im Spiel gewesen. “Und dann steht da Herr Söder mit dem Bierkrug in der Hand und bringt Kindern schon bei, dass Saufen das normalste überhaupt ist”, sagt Müller. Für den Richter zeige sich dadurch eine “absolute Doppelmoral”.

Sechs Millionen Euro für Kontrolleinheit? Richter will stattdessen Präventionsangebote verbessern

Grundsätzlich steht Müller wie auch Söder für eine Stärkung der Präventionsangebote – auch aufgrund persönlicher Erfahrungen: “Mein Vater hat sich totgesoffen, mein Bruder ist wegen Cannabis-Konsum unnötigerweise in ein Heim für Schwererziehbare gesteckt worden.”

Genau deshalb sind Investitionen in diesen Bereich Müller zufolge bedeutend. Statt sechs Millionen Euro in eine Spezial-Kontrolleinheit zu stecken, sollte Bayerns Ministerpräsident deshalb – wie Müller meint – mit dieser Summe lieber die Sozialarbeit stärken, “die tatsächlich auch vor den Gefahren des Dauerkonsums warnt, aber ehrlich mit den Jugendlichen ist.”

“Habe unterm Monopteros mit 19 schon gekifft”: Repressive Maßnahmen helfen Süchtigen nicht

Verbote bei Volksfesten, die laut dem Jugendrichter eher im Ermessensspielraum der Hausherren liegen, würden wenig helfen. “Dann kiffen Jugendliche extra da, weil es verboten ist”, meint der Richter.

Auch von Tabuzonen – unter anderem im Englischen Garten – hält Müller wenig. “Ich habe unterm Monopteros mit 19 schon gekifft. Da konnte man noch mit dem Schlafsack hin und übernachten, wenn es geregnet hat”, erinnert er sich. Jetzt überall eine “Kiffer-Polizei” herumzuschicken, helfe Suchtkranken aber nicht weiter. “Hat man nicht genug mit ganz normalen Kriminellen zu tun?”

Verbotspartei CSU? Richter rechnet mit Wählerwanderung

Warum Bayerns Staatsregierung gerade vorprescht? Laut Müller liege das quasi in der DNA der CSU. “Fast alle positiven, gesellschaftlichen Veränderungen wurden in Bayern erstmal torpediert. Dieser CSU-Politik läuft Herr Söder immer weiter nach.”

Auch in der Debatte um die Legalisierung werde das deutlich. Langfristig rechnet Müller so mit Stimmverlusten bei der CSU. “Die Menschen sind nicht so blöd, wie Herr Söder denkt.”





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