Bei einem Rundgang durch seinen Ort ahnt Edgar Kalb schnell, was hier noch auf ihn und die Bürger zukommen wird. „Das sind 100.000 Euro Schaden pro Haus“, rechnet der Bürgermeister von Dinkelscherben am Sonntagnachmittag grob zusammen. Die Heizungen, die Wechselrichter der
Fotovoltaik
-Anlagen im Keller, der Estrich. Nicht zu vergessen die Container voll Müll und die nicht vorhandenen Handwerker, die es zur Beseitigung der Schäden braucht.

Der Markt im Landkreis Augsburg an der Zusam kämpft seit Samstag mit den Wassermassen. „Wir haben wirklich Katastrophe hier“, bilanziert Daniel Nägele von der Freiwilligen Feuerwehr Dinkelscherben. Der Fluss habe den bisherigen Höchststand von 2005 deutlich überschritten, an manchen Messstellen um bis zu 40 Zentimeter. Seit Freitagnachmittag füllten Helfer und Einsatzkräfte tausende Sandsäcke ab und errichteten Verteidigungslinien. Doch auch damit konnten sie nicht verhindern, dass der Fluss sich einmal mehr seinen Weg in den Ort bahnt. „Das Wasser ist aus allen Richtungen gekommen. Auch von dort, wo es noch nie herkam“, schildert er.

Wäre dieses Drama vermeidbar gewesen?

Für die Einsatzkräfte überschlugen sich die Ereignisse schnell. Sogar Einrichtungen für betreutes Wohnen seien weder begeh- noch befahrbar gewesen, entsprechend fand die Menschenrettung zu Wasser statt. Weil die Bahn nicht mehr fuhr, galt es 50 gestrandete Passagiere am Bahnhof zu versorgen und einen Weitertransport zu organisieren. Überschwemmte Trafo-Stationen führten zu Stromausfällen, Telefon- und Internetnetz brachen zusammen. Selbst am Sonntagnachmittag war das Feuerwehrhaus nur durch Notstromaggregate versorgt. „Das macht die Einsatzführung schwierig“, merkt Nägele an. Die Einsatzkräfte dürften noch einige Tage mit dem Hochwasser zu kämpfen haben, vermutet er.

Doch wäre dieses Drama vermeidbar gewesen? Bürgermeister Kalb jedenfalls ist sauer auf das Wasserwirtschaftsamt in Donauwörth. „Seit elf Jahren haben sie eine Baugenehmigung für einen Hochwasserdamm zwei Kilometer vom Ort entfernt! Seit elf Jahren haben sie keine Schaufel bewegt“, sagt er.

Noch im März des Vorjahres hatte er sich über die fehlenden Schutzvorkehrungen geärgert: Der Bau sollte mittlerweile 6,9 statt 3,5 Millionen Euro kosten, wie die Augsburger Allgemeine berichtete. Damals hieß es, bis 2025 solle der Damm stehen. Aus Zuständigkeitsgründen habe der Markt nicht selbst aktiv werden können, erläutert Kalb und kritisiert die Staatsregierung für die Untätigkeit. Dinkelscherben habe seine Hausaufgaben gemacht und den Hochwasserschutz an anderen Stellen verbessert – mit Erfolg, wie sich am Wochenende gezeigt habe.

Doch nun habe der Ort den Schaden, für den die Bürger vermutlich wieder die Kommunalpolitiker verantwortlich machen werden, befürchtet Kalb. „Warum müssen wir die Kosten tragen, wenn die Zuständigen das nicht umsetzen?“, ärgert er sich. Er hoffe, dass wenigstens von Land und Bund entsprechende Gelder für die Reparaturen fließen werden. „Nicht alle haben eine Elementarschadenversicherung“, weiß der Bürgermeister. Durch die zurückliegenden Hochwasser sei die in Dinkelscherben für manche kaum erschwinglich gewesen.





Source link www.focus.de