Lübeck/Kiel. In der Justizvollzugsanstalt (JVA) Lübeck entsteht ein barrierefreier Neubau, der auch seniorengerechte Wohnungen enthalten soll. Die Idee war bereits 2018 von der Landesregierung mit der JVA entwickelt und angekündigt worden. Nach Informationen der Gewerkschaft der Polizei Schleswig-Holstein (GdP SH) ist im neuen Hafthaus eine komplette Abteilung mit etwa 30 Haftplätzen für Senioren vorgesehen.

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Das Kieler Justizministerium wollte aktuell nur ausdrücklich bestätigen, dass es sich um einen Neubau „für insgesamt 86 Gefangene“ handele, sagte Sprecher Oliver Breuer auf LN-Nachfrage. Im Erdgeschoss werde es darin drei barrierefreie, für Senioren nutzbare Hafträume geben, außerdem entsprechend ausgestattete Gemeinschaftsräume. „Daneben gibt es in der JVA Lübeck weitere acht weitere barrierefreie Hafträume“, führt Breuer aus.

Barrierefreie Räume auch in Neumünster

Hinzu kämen zwei neue Hafträume in einem ähnlichen Neubau in der JVA Neumünster, der im Sommer fertig werden soll. „Dort gibt es dann insgesamt fünf barrierefreie Hafträume, in Lübeck wären es ab Fertigstellung des Neubaus im April 2025 elf. Landesweit hätten wir also 16. Wir gehen davon aus, dass das im Moment ausreicht.“

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Wie viele Gefangene landesweit derzeit über 60 Jahre alt seien, konnte Breuer nicht sagen. Doch dem Justizministerium sei klar, dass die Zahl der Gefangenen im Seniorenalter zunehme, so Breuer. „Auch im Vollzug werden die Leute älter.“

Zu viele für geringe Vergehen inhaftiert?

Ein gesamtgesellschaftliches Phänomen – laut Informationen der Bundeszentrale für politische Bildung wird der Anteil der 67-Jährigen und Älteren von derzeit knapp 20 Prozent bis 2070 auf 25,6 Prozent anwachsen. Ob in diesem Zusammenhang das Modell altengerechter beziehungsweise barrierefreier Hafträume auch bundesweit künftig häufiger vorzufinden sein werde, war beim Bundesjustizministerium indes nicht in Erfahrung zu bringen. Auch nicht, wie viele es davon bundesweit gebe. Dies sei Ländersache, ließ Sprecher Eike Götz Hosemann lediglich wissen.

Aus Kiel heißt es, es sei möglich, dass behinderte oder ältere Gefangene aus anderen JVAs nach Fertigstellung des neuen Hafthauses „unter Berücksichtigung des Vollstreckungsplans“ nach Lübeck verlegt würden, sagte Oliver Breuer. Derzeit seien auf Barrierefreiheit angewiesene Gefangene entweder in einem der vorhandenen barrierefreien Hafträume in Schleswig-Holstein oder in einem anderen Bundesland untergebracht.

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GdP: Spezialisiertes Personal nötig

Der Paritätische Schleswig-Holstein äußerte unterdessen Bedenken, ob für Behinderte oder Senioren die JVA überhaupt der richtige Ort sei. „Wir würden es begrüßen, wenn dies im Einzelfall geprüft wird“, erklärt Sprecherin Julia Bousboa. Zunehmend würden Menschen auch aufgrund geringfügiger Vergehen inhaftiert. „Wie zum Beispiel bei wiederholtem Schwarzfahren, weil sie die Geldbuße aus Armutsgründen nicht entrichten können.“ Statt Gesundheitsleistungen wie etwa zahnärztliche Versorgung oder psychotherapeutische Angebote in die Haftanstalt zu verlagern, sei zu prüfen, „ob nicht ambulante Resozialisierungsangebote die bessere Wahl wären“.

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Grundsätzlich sei die Schaffung von mehr seniorengerechten Hafträumen zu begrüßen, meint Ute Beeck, Vorsitzende der Regionalgruppe Justizvollzug bei der GdP SH. Die Betreuung der Senioren bedeute für das Personal aber eine zusätzliche, spezialisierte Aufgabe. Mit dem bisherigen Personalbestand sei das nicht zu leisten. „Manche der Senioren brauchen Hilfe. Und sie gehen auch nicht, wie viele andere Gefangene, täglich einer Arbeit nach.“ Es sei dem Vernehmen nach vorgesehen, Personal der JVA Lübeck aus einem anderen Haus für die Senioren abzustellen. „Das wird nicht reichen.“

LN



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