US-Präsident Joe Biden will möglicherweise auf eine Strafverfolgung des WikiLeaks-Gründers
Julian Assange wegen Geheimnisverrats verzichten. “Wir denken darüber nach”, antwortete Biden auf die Frage nach einem
entsprechenden Ersuchen Australiens, als er den japanischen Ministerpräsidenten Fumio Kishida empfing. Der Anwalt von Assange wertete die Äußerungen des US-Präsidenten als sehr ermutigend.

“Dies ist ein Fall, der nie hätte begonnen werden dürfen”, sagte
Wikileaks-Chefredakteur Kristinn Hrafnsson auf einer Kundgebung in London anlässlich des fünften Jahrestags von Assanges Festnahme in Großbritannien. “Die
Lösung für diesen Fall, in dem wir es mit einer politischen Verfolgung
zu tun haben, ist eine politische Lösung und ein politischer Vorstoß”, sagte Hrafnsson.

“Herr Assange hat bereits einen erheblichen Preis bezahlt”

Der australische Premierminister Anthony Albanese nannte Bidens Äußerung ebenfalls “ermutigend”. Er sei der festen Überzeugung, dass die Inhaftierung Assanges nichts bringe und zu einem Abschluss gebracht werden müsse. “Herr Assange hat bereits einen erheblichen Preis bezahlt – und genug ist genug”, sagte Albanese.

Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International forderte erneut die Freilassung von Assange, der an diesem Donnerstag seit genau fünf Jahren in Großbritannien im Gefängnis sitzt. “Julian Assange hat es gewagt, Enthüllungen über mutmaßliche Kriegsverbrechen der USA ans Licht zu bringen. Es ist inakzeptabel, dass ihm Jahre seines Lebens gestohlen wurden”, sagte Generalsekretärin Agnès Callamard. Die Organisation warnte vor einem katastrophalen Präzedenzfall für die weltweite Medienfreiheit, sollte Assange in die USA ausgeliefert werden. Die USA müssten alle Vorwürfe gegen Assange fallen lassen, forderte Amnesty.

Zuletzt hatte ein britisches Gericht im März entschieden, dass Assange nicht
ausgeliefert werden kann
, sollten die US-Behörden nicht garantieren, dass
ihm keine Todesstrafe droht. Assange ist in den USA in 17 Punkten der Spionage und der missbräuchlichen Nutzung eines Computers angeklagt. Hintergrund ist die Veröffentlichung von rund 700.000 vertraulichen diplomatischen und militärischen Dokumenten über die Enthüllungsplattform WikiLeaks vor fast 15 Jahren. Assange drohen bei einem Schuldspruch in den USA bis zu 175 Jahre Haft.

Unterstützer sehen in Assange einen Investigativjournalisten, seine Gegner einen Spion

US-Staatsanwälte werfen dem 52-Jährigen vor, die frühere militärische
Geheimdienstanalystin Chelsea Manning zum Diebstahl einiger Dokumente ermutigt und ihr dabei geholfen zu haben. Unterstützerinnen und Unterstützer Assanges sehen in ihm hingegen einen Enthüllungsjournalisten, welcher Fehlverhalten
des US-Militärs im Irak und Afghanistan offengelegt hat. 

Im Februar hatte das australische Parlament mit der Unterstützung des
Regierungschefs Albanese einen Antrag verabschiedet, in dem ein Ende der
Strafverfolgung des 52-jährigen Assange gefordert wird. Seit Jahren appelliert die Regierung in Canberra an die USA, die Vorwürfe gegen den australischen Staatsbürger fallen zu lassen. Sie argumentiert, dass es ein Missverhältnis zwischen der Behandlung Mannings
und Assanges durch die USA gebe. Der damalige US-Präsident Barack Obama
hatte Mannings 35-jährige Haftstrafe in eine Strafe von sieben Jahren
umgewandelt, wodurch Manning im Jahr 2017 freigelassen wurde.

Stella Assange warnt vor Tod ihres Ehemannes im Hochsicherheitsgefängnis

Assange wurde 2010 in Großbritannien im Zusammenhang mit inzwischen
eingestellten Ermittlungen in Schweden festgenommen. Kurz vor seiner
Auslieferung nach Schweden suchte er Asyl in der Londoner Botschaft von
Ecuador, wo er sich sieben Jahre lang verschanzte. 2019 wurde er unter dem
Vorwurf des Verstoßes gegen Kautionsbedingungen inhaftiert. 

Seitdem
sitzt er im Hochsicherheitsgefängnis in Belmarsh. Stella Assange warnte wiederholt vor einem verschlechterten Gesundheitszustand ihres Ehemannes im Gefängnis, der ihrer Ansicht nach auch zu seinem Tod führen könnte.



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