München – Der Himmel über der Olympiahalle ist in schimmerndes Licht getaucht, das sanft wie ein glitzernder Schleier die Besucher umschmeichelt. Die Männer tragen Vollbärte und traditionelle, jeanslastige Kleidung mit Hemden und Westen. Auch die Frauen bevorzugen schlichte schwarze Gewänder mit wenig Schmuck oder Verzierungen. Diese Mode ist zeitlos und praktisch, nur die aufgenähten Patches und Aufdrucke zeugen von der tiefen Verbundenheit mit dem Heavy Metal, der einst geprägt war von düsterer Schwere, heute allerdings in einem hellen Glanz erstrahlt und die Herzen des Publikums erleuchtet wie ein spiritueller Gospelchor.

Drinnen ist ein kleiner Altar aus Kleidungsstücken aufgebaut, die okkulte Symbole aufweisen. Auch hier ist ein gewisser Hang zum Kitsch nicht zu übersehen, einhorngleich reiten hünenhafte Flügelwesen durch pinkfarbene Himmelszelte, jedes T-Shirt kostet den einheitlichen Preis von 45 Euro, auf einem Hinweisschild steht mit Handschrift: “Umsatz wird zu 100% gespendet” geschrieben, vermutlich gehen diese Spenden direkt in die Gemeindekasse von Judas Priest. Die Gemeindekasse der ausverkauften Olympiahalle dürfte ja bereits durch die bizarren Speise- und Getränkepreise (0,5 Liter Löwenbräu für 6,50 Euro) prall gefüllt sein. 

Judas Priest in München: Erinnerungen an Bon Scott werden wach

Doch das macht nichts. Die Botschaft lautet: fürchtet euch nicht, hier wird heiterer Schwermetall vom Feinsten dargeboten. Jedes Gesicht der 12.000 Besucher ist erfüllt von Liebe und positiver Energie, schon zu Beginn, als Uriah Heep samt Ur-Mitglied Mick Box über die Bühne geistern und kompromisslos jene wunderbaren Hymnen Lady in Black und Easy Livin’ anspielen, die einfach nur glücklich machen. 

Wie bei jeder Messe ist auch hier eine hohe Disziplin bei den Besuchern zu erkennen. Während die Hohepriester predigen, macht keiner einen Mucks, außer, wenn ausdrücklich dazu aufgefordert wird. Zwischen den einzelnen Darbietungen wird sich an Manna gelabt, der Duft von hellem Bier und veganer Currywurst mischt sich mit den an Weihrauch erinnernden Aromen der Nebelmaschinen. Alles ist so vertraut, so stimmig. Drei Legenden der Rockmusik geben sich heute die Ehre, thematisch und im Härtegrad steigernd. Saxon glänzt mit deftigen Riffs und Sänger Biff Byford übertrifft sich stimmlich wieder einmal selbst.  Auch  seine gute Laune erinnert an den großen Bon Scott.  Zwei Besucher werfen beim Klassiker “Wheels  of Steel”  ihre Kutten auf die Bühne, Biff hebt sie auf und zieht sie sich über sein edles Lederkleid.

Ein Abend fernab von Social Media

Dann macht es einen Paukenschlag und Judas Priest betreten episch das Podium. Bodenständiger Glamour, verkörpert durch eine famose Kapelle und dem bekennend homosexuellen Frontmann Rob Halford, der mit kahlrasiertem Schädel und Vollbart bärenhaft charismatisch, erhaben, lässig und mächtig über die spartanische, mit strassbesetzten Neptunstäben verzierte Bühne schreitet und gesangliche Wunder zu verbringen scheint.

Judas-Priest-Sänger Rob Halford in der Olympiahalle in München.
Judas-Priest-Sänger Rob Halford in der Olympiahalle in München.
© Jens Niering (Jens Niering)
Judas-Priest-Sänger Rob Halford in der Olympiahalle in München.

von Jens Niering (Jens Niering)

“}”>

Wer ihn anblickt, ist durchflutet von väterlicher Geborgenheit, die Menschen geraten in Ekstase, einige verdrehen die Augen wie bei einem charismatischen Gottesdienst,  während die Gitarren den treibenden Klang von “Breaking the Law” anstimmen und damit spontane emotionale Heilungen verursachen. 

Dieser Abend bewegt sich fernab von Social Media, im Gegensatz zu anderen Konzerten wird hier in den Rängen kaum gefilmt oder fotografiert, so sehr sind die Menschen gebannt und erleuchtet von ihren Idolen, dem mystischen Zauber und der energetischen Dynamik der Hohepriester des Happy Metal.





Source link www.abendzeitung-muenchen.de