In Israel haben erneut Zehntausende Menschen gegen die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu protestiert. Allein in Tel Aviv nahmen nach Angaben der Organisatoren etwa 100.000 Menschen an einer Demonstration teil. Auch in anderen Städten wie Haifa, Jerusalem und Ceasarea gab es Kundgebungen, teilweise kam es dabei zu Zusammenstößen mit Polizisten. Die Polizei meldete mehrere Festnahmen. Für diesen Sonntag – genau sechs Monate nach dem Hamas-Massaker vom 7.
Oktober – ist eine weitere große Demonstration in Jerusalem geplant. 

Die Demonstranten forderten den sofortigen Rücktritt des Ministerpräsidenten und einen neuen Deal mit der Hamas, um die im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln zurückzuholen. In Tel Aviv zog eine Menschenmenge vor den Sitz des Gewerkschaftsverbands Histadrut und rief deren Chef Arnon Ben-David auf, aus Protest einen Generalstreik gegen die Regierung auszurufen. Medienberichten zufolge kam es zu Handgreiflichkeiten zwischen Demonstranten und Beamten, als die Polizei versuchte, die Kundgebung vor dem Gewerkschaftsgebäude aufzulösen. An anderer Stelle wurden Berichten zufolge fünf Protestteilnehmer offenbar
mutwillig von einem Auto angefahren und verletzt. Der Fahrer wurde nach
Polizeiangaben festgenommen.

Vorwürfe von Geisel-Angehörigen

In Israel gibt es bereits seit Wochen Proteste. Während zu Beginn der Ruf nach einer Freilassung der Geiseln im Vordergrund gestanden hatte, richten sich die Demonstrationen inzwischen verstärkt gegen die Regierung unter Netanjahu. Vertreter der Protestbewegung und Angehörige der Geiseln werfen dem Regierungschef vor, sich nicht ernsthaft um die Freilassung der Geiseln zu bemühen. Zuletzt forderte mit dem Oppositionspolitiker und früheren Verteidigungsminister Benny Gantz auch ein prominentes Mitglied des Kriegskabinetts eine Neuwahl. Als Termin dafür schlug Gantz den September vor. Netanjahus Likud-Partei wies den Vorschlag zurück. 

Netanjahu hatte bereits vor Beginn des Gaza-Kriegs unter erheblichem innenpolitischen Druck gestanden. Monatelang gab es in Israel damals Massendemonstrationen gegen eine von Netanjahu geplante Justizreform. In der Kritik steht der rechtskonservative Regierungschef auch wegen eines Korruptionsverfahrens.

Die Hamas hatte am 7. Oktober mehr als 1.100 Menschen in Israel ermordet und 250 weitere in den Gazastreifen verschleppt. Mehr als Hundert Geiseln kamen im Zuge vorübergehender Abkommen zwischen Israel und der Hamas frei. Unter den Geiseln, die sich noch immer im Gazastreifen befinden, sind nach Einschätzung der israelischen Armee noch knapp Hundert am Leben.

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