Die CDU erarbeitet derzeit ein neues Grundsatzprogramm. Es ist ein normaler Vorgang, dass dabei Entwürfe diskutiert und geändert werden. So geschieht es nun mit einem Satz, in dem die CDU ihr Verhältnis zum Islam klären will. “Muslime, die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland”, hieß es in der ersten Fassung. Nach heftiger Kritik, unter anderem von muslimischen Verbänden, hat sich die Antragskommission jetzt stattdessen für die Formulierung entschieden: “Muslime sind Teil der religiösen Vielfalt Deutschlands und unserer Gesellschaft.” Neu hinzugekommen ist dafür allerdings der Satz: “Ein Islam, der unsere Werte nicht teilt und unsere freiheitliche Gesellschaft ablehnt, gehört nicht zu Deutschland.” Man habe einen konservativen Grundton beibehalten, allerdings keinen Pauschalverdacht gegen Muslime äußern wollen, heißt es zur Begründung.

Ach, ja? Glaubt die CDU im Ernst, dass Muslime sich von ihr nun als geschätzte und gleichwertige Mitbürger und Mitbürgerinnen begrüßt fühlen?

Die eigentliche Frage bleibt doch eher, wieso die CDU überhaupt glaubt, sich in dieser Weise vom Islam – und zwar nur von diesem – abgrenzen zu müssen. Immerhin kann man sich auch andere Religionen oder Weltanschauungen vorstellen, bei denen einzelne Strömungen oder Mitglieder sich nicht in Übereinstimmung mit “unseren Werten” befinden. Wobei erst noch mal zu klären wäre, was “unsere Werte” überhaupt sind.

Und was ist mit der katholischen Kirche?

Das Grundgesetz? Das sieht zum Beispiel die Gleichberechtigung von Mann und Frau vor. Die aber wird aber auch in der katholischen Kirche nicht vollumfänglich verwirklicht, denn dort werden Frauen von bestimmten Ämtern ausgeschlossen. An ihrer Zugehörigkeit zu Deutschland scheint die CDU allerdings keinen Zweifel zu haben. Und gehört auch der Grundsatz, dass Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung nicht diskriminiert werden dürfen, zu “unseren Werten”? Auch auf dieser Grundlage ließen sich problemlos zahlreiche religiöse Gruppierungen finden, denen man dann die Zugehörigkeit zu Deutschland absprechen müsste.

Das eigentliche Problem ist allerdings die Formulierung “gehört nicht zu Deutschland”. Diese Festlegung ist eine demonstrative Umkehr des berühmten Satzes des früheren Bundespräsidenten Christian Wulff, dessen eigentlicher Urheber aber der von der CDU so sehr verehrte Wolfgang Schäuble war. “Der Islam ist Teil Deutschlands und Europas”, hatte dieser bereits zum Auftakt der ersten Islamkonferenz 2007 und damit vier Jahre vor Wulff gesagt. Abseits von dieser Symbolik bleibt die nun von der CDU gewählte Formulierung bei näherem Hinsehen jedoch so sinn- wie folgenlos.

Der Islam als solcher lässt sich schließlich nicht ausbürgern. Es geht immer um einzelne Menschen, die bestimmte Haltungen vertreten. Sofern es sich dabei um deutsche Staatsbürger handelt, gehören sie zu Deutschland – ganz egal, welche problematischen Ansichten sie im Zweifelsfall teilen, und vor allem ganz egal, welcher Religion sie angehören. Wenn sie dabei mit bestimmten Äußerungen Gesetze überschreiten oder gewalttätig werden, sind sie ein Fall für die Justiz. An ihrer Zugehörigkeit zum Land ändert das nichts. Wer dagegen keine deutsche Staatsangehörigkeit hat, kann bei schwersten Straftaten auch ausgewiesen werden. Auch in diesem Fall gilt allerdings: Seine Religion spielt dabei keine Rolle. Bloße Meinungen und Gesinnungen werden dagegen nicht in der gleichen Weise sanktioniert. Zum Glück.

Einfach streichen

Sollte der CDU tatsächlich daran gelegen sein, Muslime nicht von vornherein auszugrenzen, sollte sie den neu eingefügten Satz deswegen schleunigst wieder streichen. In einem Grundsatzprogramm, das viele Jahre tragen soll, zeigt sich schließlich gewissermaßen die DNA einer Partei. Umso wichtiger ist es, hier den richtigen Ton zu treffen. Es darf sich nicht lesen wie markige Forderungen zu einer aktuellen Debatte, die man in 10-Punkte-Papieren zusammenzimmert oder mit denen man in erster Linie Signale an die Wählerinnen und Wähler der AfD senden will.

Dass die CDU gerade mit Blick auf den Islam schon mal weiter war, zeigt übrigens ein Blick in ihr derzeit noch geltendes Grundsatzprogramm von 2007 (PDF). “Wir achten und schätzen die reiche kulturelle Tradition der islamischen Welt”, heißt es dort zunächst. Dann folgt: “Wir müssen bereit und fähig sein, den islamistischen Terrorismus und Fundamentalismus gemeinsam mit der großen Mehrheit der Muslime zu bekämpfen und ihm den Nährboden zu entziehen.” Hier wird konkret benannt, welche Formen des Islams problematisch sind, statt ein unbestimmtes Feindbild aufzubauen. Zudem wird das Verbindende betont, nicht das Trennende.

Schade, dass die CDU im Jahr 2024 zu solch einer differenzierten Problembeschreibung nicht mehr bereit ist.



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