Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm sitzt im Aufsichtsrat von Siemens Energy und berät die Bundesregierung in Energiefragen. Das kann nicht gut gehen.

Veronika Grimm

Wird viel schweigen müssen: Wirtschaftsweise Veronika Grimm Foto: dts Nachrichtenagentur/imago

Es lohnt sich, Aufsichtsrätin bei Siemens Energy zu sein. Das Grundgehalt liegt bei 120.000 Euro im Jahr; hinzu kommen noch Sitzungsgelder und weitere Vergütungen, wenn man in Ausschüssen mitwirkt. Da sind schnell 200.000 Euro im Jahr beisammen. Es ist also kein Wunder, dass sich die Wirtschaftsweise Veronika Grimm dieses lukrative Mandat nicht entgehen lassen wollte. Am vergangenen Montag wurde sie in den Aufsichtsrat gewählt.

Das ist legal. Es ist Wirtschaftsweisen gesetzlich nicht verboten, Aufsichtsratsmandate anzunehmen. Trotzdem bleibt Ratlosigkeit zurück, weil nicht zu erkennen ist, wie Grimm künftig ihr Amt als Wirtschaftsweise ausfüllen will. Es gehört nun einmal zur Aufgabe einer Aufsichtsrätin, die Interessen ihres Unternehmens zu vertreten. Aber dieser Fokus lässt sich nicht mit einer unabhängigen Beratung der Bundesregierung verbinden. Grimm ist jetzt Lobbyistin, nicht mehr neutrale Expertin.

Dieser Interessenkonflikt ließe sich nur auflösen, indem sich Grimm bei den Wirtschaftsweisen immer dann heraushält, wenn es um Energiefragen geht. Diese Strategie ist jedoch doppelt absurd. Erstens: Grimm ist Energieexpertin. Bei anderen Themen wird sie nicht dringend gebraucht. Zweitens: Energiefragen sind absolut zentral, weil der gesamte Klimaschutz daran hängt. Grimm muss künftig also ziemlich viel schweigen. Das Ergebnis ist ­bizarr: Die Bundesregierung hat jetzt eine Beraterin, die nicht mehr beraten kann.

Erstaunlich, dass Grimm nicht selbst sieht, dass sie bei den Wirtschaftsweisen austreten muss, wenn sie Aufsichtsrätin bei Siemens Energy wird. Die anderen vier Wirtschaftsweisen haben dies auch vehement­ gefordert. Wahrscheinlich fürchtet Grimm den Kaskadeneffekt: Sie hat noch diverse andere Beraterjobs, die wohl auch gefährdet wären, wenn sie die eigene Parteilichkeit zum Thema machte.

Den Interessenkonflikt aussitzen

Ihrem Lebenslauf ist zu entnehmen, dass Grimm unter anderem in der Expertenkommission zur „Energie der Zukunft“ beim Bundeswirtschaftsministerium sitzt, im „Zukunftskreis“ des Bildungs- und Forschungsministeriums, im Sachverständigenrat für Verbraucherfragen sowie im „Energy Steering Panel“ des European ­Academies ­Science Advisory Council.

Grimms Plan dürfte sein, ihren Interessenkonflikt einfach auszusitzen. In einem Jahr wird sie ohnehin als Wirtschaftsweise ausscheiden. Grimm wurde im April 2020 berufen, und da eine Amtszeit fünf Jahre dauert, ist es für sie im Frühjahr 2025 vorbei.

Natürlich sind auch mehrere Amtszeiten möglich: Der Wirtschaftsweise Achim Truger wird bis 2029 bleiben, wie das Kabinett vor zehn Tagen beschlossen hat. Aber es ist unvorstellbar, dass Grimm noch einmal nominiert wird, nun da sie offizielle Lobbyistin eines Energiekonzerns ist.

Grimm beruft sich darauf, dass es früher einen ähnlichen Interessenkonflikt gab. Der Wirtschaftsweise Bert Rürup war zugleich Aufsichtsrat der Axa Pensionskasse. Allerdings ist es keine gute Idee, dass Grimm an diesen Fall erinnert: Heraus kam die „Rürup-Rente“, eine private Altersvorsorge, die vor allem den Versicherungskonzernen nutzt. Diesen ungenierten Lobbyismus will niemand erneut erleben.

Abhilfe wäre einfach: Gesetzlich ist bereits festgelegt, wen die Regierung nicht als Wirtschaftsweisen berufen darf. VerbandsvertreterInnen sind schon jetzt ausgeschlossen. Diese Liste müsste um Aufsichtsräte erweitert werden.



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