Es sind AfD-Festspiele im deutschen Fernsehen – allerdings wechselhaft wie das Wetter in diesem April, in dem sie stattfinden. „Welt TV“ hat das Tabu gebrochen und den AfD-Spitzenkandidaten Björn Höcke in einem TV-Duell salonfähig gemacht, wie ein Vorwurf lautet.
Das war am 11. April. Wenig später lädt der ARD-Sonntagstalk „Caren Miosga“ den AfD-Vorsitzenden Tino Chrupalla ein, da heißt das Thema noch: „Wofür steht die AfD?“ Am Donnerstag darauf sitzt der AfD-Bundessprecher bei Maybrit Illner.
Jetzt lautet die Frage schon: „Russland, China, Spionage – vertritt die AfD deutsche Interessen?“ Der Zuschauer sieht in drei Sendungen live zu, wie die AfD ihre Kernkompetenz verliert.
Diese Partei muss sich vorwerfen lassen, dass sie Gelder aus Russland bekommt und für China spioniert – wer soll ausgerechnet ihr noch Vaterlandsliebe zutrauen?
„Lagerfeuer des Grauens“
„Es wäre dramatisch, wenn es sich belegen ließe“, gibt Tino Chrupalla beim ZDF-Talk zu. Und der AfD-Bundessprecher muss versprechen: „Wir werden klare Konsequenzen ziehen, wenn sich diese Vorwürfe bewahrheiten.“
Damit macht er deutlich, wie sehr seine AfD in diesen Wochen ihre Offensivkraft verloren hat. Den Spitzenkandidaten für die Europawahl nimmt sie verzagt aus der Schusslinie, gräbt ihn tief im Schützengraben ein, zeigt ihn bei keinem Wahlauftritt und auf keinem Wahlplakat.
So sehr gerät Chrupalla bei diesem jüngsten öffentlichen TV-Auftritt in die Defensive, dass die Schriftstellerin Juli Zeh als Talkgast schon vom einem „kleinen Lagerfeuer des Grauens“ spricht, in das Chrupalla geraten sei – ein Lagerfeuer des Grauens, an dem sich die AfD verbrennt.
„Putin müsste für Ihre Position vielleicht gar kein Geld bezahlt haben!“
So lange, so laut, so hartnäckig hat die Partei beklagt, dass sie im öffentlich-rechtlichen Fernsehen nicht zu Wort kommt. Jetzt bekommt sie Redezeit wie nie zuvor.
Und: Sie schadet sich damit selbst. So desolat ist das Bild, das die Partei aktuell in der Öffentlichkeit abgibt, dass die Moderatorin Maybrit Illner den Bundesvorsitzenden Chrupalla fast schon schadenfroh begrüßen kann: „Umso besser, dass er heute in der Sendung ist…“.
Es kommt noch schlimmer. „Putin müsste für Ihre Position zu Moskau vielleicht auch gar kein Geld bezahlt haben, weil die ist ja bekannt“, sagt die Moderatorin. Und dann unterstellt sie Chrupalla die allerschlimmste Form kompletter Unglaubwürdigkeit: „Glauben Sie, dass bei den Leuten hängenbleibt, dass man nicht weiß, ob Sie das jetzt sagen, weil Sie auf eine fremde Macht hören?“
An der Stelle bleibt der AfD-Bundessprecher stumm. Chrupalla widerspricht nicht. Er lächelt nur in die Fernsehkamera. Da sollte die AfD vielleicht nicht nur ihren Spitzenkandidaten für die Europawahl verstecken, sondern ihren Bundesvorsitzenden gleich mit dazu.
„Je mehr Sie so auftreten wie heute…“
An anderen Stellen zeigt sich Tino Chrupalla kämpferisch. Zehn Mal in 63 Minuten Sendezeit fordert er vehement: „Lassen Sie mich aussprechen!“ Noch öfter unterbricht er selbst die anderen Diskussionsteilnehmer.
Er nennt Barack Obama einen Kriegsverbrecher und macht ihn verantwortlich für Kriegstote im Irak. Dabei war der frühere US-Präsident zu dieser Zeit längst nicht im Amt. Da muss er sich von CDU-Politiker Armin Laschet vorwerfen lassen: „Sie werfen einfach irgendetwas in die Luft!“
Überhaupt wird es zwischen Laschet und Chrupalla immer lauter. „Sie haben Zettelchen, wo Sie dumme Sprüche alle zehn Minuten absondern“, schimpft Laschet, „Sie glauben, dass die Bürger darauf hereinfallen – ich glaube das nicht.“
Zum Schluss legt Laschet noch einmal nach: „Je mehr Sie so auftreten wie heute…“, fängt der frühere Kanzlerkandidat an. Der Rest des Satzes geht in Chrupallas Wort-Stakkato unter. Klar wird trotzdem die Botschaft. Mit solchen TV-Auftritten schadet sich die AfD. Öffentlichkeit kann auch wehtun. Der AfD tut sie in diesen Wochen weh.