Der Bildungserfolg von Kindern in Deutschland hängt noch immer maßgeblich vom Geldbeutel und dem Schulabschluss der Eltern ab: Nicht einmal ein Drittel der Kinder, deren Eltern kein Abitur und ein niedriges Einkommen haben, besuchen ein Gymnasium. Unter den Kindern, deren Eltern die allgemeine Hochschulreife und ein hohes Einkommen haben, sind es fast zwei Drittel. Das zeigt eine Studie, die das Münchner Ifo-Institut an diesem Montag vorgestellt hat.

Was die Untersuchung auch zeigt: dass es bei der Chancengerechtigkeit darauf ankommt, in welchem Bundesland ein Kind zur Schule geht. Am wenigsten negativ wirkt sich ein ungünstiger familiärer Hintergrund für Kinder in Berlin und Brandenburg aus: Hier ist etwa halb so wahrscheinlich (zu 54 beziehungsweise 53 Prozent), dass Kinder aus benachteiligten Verhältnissen ein Gymnasium besuchen wie Kinder aus privilegierten Verhältnissen. Bundesweit liegt der Wert bei 45 Prozent. Am niedrigsten ist er in Bayern mit 38 Prozent und in Sachsen mit 40 Prozent.

Wobei das nicht heiße, dass in den Bundesländern, die in der Untersuchung vorn liegen, alles gut sei, sagt Ludger Wößmann, Leiter des Ifo-Zentrums für Bildungsökonomik. Schließlich liege auch in Berlin und Brandenburg die Chancengerechtigkeit weit unter 100 Prozent. “Die Bildungschancen in Deutschland sind nicht nur ungleich verteilt, sondern auch verbesserungswürdig”, sagt Wößmann.

Worauf es hauptsächlich ankommt, ist das Schulsystem

Zwar könne man nicht davon ausgehen, dass das Gymnasium für alle Kinder die geeignete Schulform ist. Trotzdem sei der Besuch des Gymnasiums ein wichtiges Maß für soziale und wirtschaftliche Teilhabe: Menschen mit Abitur verdienen im Durchschnitt netto 42 Prozent mehr pro Monat als Menschen ohne.

In der Studie haben die Forschenden auch untersucht, wie sich die Unterschiede zwischen den Bundesländern erklären lassen. Demzufolge spielt es für die Bildungsgerechtigkeit keine signifikante Rolle, wie sich die Bevölkerung in den Ländern zusammensetzt, ob die Länder wirtschaftlich gut dastehen oder besonders viel Geld für die Schulen ausgeben. Worauf es der Untersuchung nach hauptsächlich ankommt, ist das Schulsystem, in dem die Kinder aufwachsen.

Besonders auffällig ist, dass mit Berlin und Brandenburg die beiden Bundesländer am besten abschneiden, die Schulkinder nicht schon nach der vierten, sondern erst nach der sechsten Klasse auf die weiterführenden Schulen aufteilen.

Damit bestätige die Studie die Ergebnisse früherer Forschung, sagt Wößmann. “Die Haltung ist in Deutschland nicht populär, aber die Wissenschaft zeigt relativ eindeutig, dass es für die Chancengerechtigkeit von Nachteil ist, wenn die Kinder schon nach der vierten Klasse getrennt werden.” Oft kämen dann vor allem jene Kinder aufs Gymnasium, die aus privilegierten Elternhäusern stammen.

“Kitas und Kindergärten sollten Orte sein, an denen Freude am Lernen vermittelt wird.”

Der Studie zufolge wirkt es sich auch positiv auf die Chancengerechtigkeit aus, wenn es in einem Bundesland nicht so viele unterschiedliche weiterführende Schulen gibt. Im Saarland zum Beispiel existieren schon seit Jahren neben dem Gymnasium nur Gemeinschaftsschulen, in denen die Schülerinnen oder Schüler entweder einen Haupt-, einen Realschulabschluss oder das Abitur machen können.

Auch relevant ist laut der Untersuchung, wie flächendeckend in einem Bundesland Kitas und Kindergärten ausgebaut sind. “Kitas und Kindergärten sollten keine Aufbewahrungsstellen sein, sondern Orte, an denen Freude am Lernen vermittelt wird”, sagt Wößmann. Bei der Sprachförderung zum Beispiel sei Hamburg vorbildlich, hier werden die Deutschkenntnisse schon im Kindergarten getestet. Wer bei einem Sprachtest mit viereinhalb Jahren schlecht abschneidet, bekommt schon vor Beginn der Grundschule ein spezielles Training. “Viele Kinder können es besser”, sagt Ludger Wößmann, “nur müssen sie auch gefördert werden.”



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