Frauke Bagusche, Jahrgang 1978, ist Meeresbiologin, Autorin und Rednerin. Sie war Berufstaucherin in Ägypten und hat an der englischen University of Southampton zu den Auswirkungen des Klimawandels auf Austern promoviert. Danach leitete sie meeresbiologische Stationen auf den Malediven und segelte 9500 Kilometer von der Karibik durch den Atlantik ins Mittelmeer, um auf die Vermüllung der Ozeane aufmerksam zu machen. Bagusche hat zwei Bücher veröffentlicht: „Das Blaue Wunder“ (2019) und „Nomaden der Ozeane“ (2023). Sie lebt in Saarbrücken.

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Frau Bagusche, wieso setzen Sie sich fast 400 Kilometer von der nächsten Küste entfernt für die Ozeane ein?

Ich fühle schon immer eine tiefe Verbindung zum Meer. Viele reagieren überrascht, wenn ich sage: Meeresschutz beginnt im Binnenland. Denn ob an der Nordsee oder wie bei mir im Saarland, in diesem Augenblick atmen Sie Meeresluft!

Bis zu 80 Prozent des globalen Sauerstoffs wird von Phytoplankton im Ozean produziert. Mit jedem Atemzug sind wir überall auf der Erde mit dem Meer verbunden – und das Meer ist für uns überlebenswichtig.

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Wie schützen die Meere denn unser Klima und die Umwelt?

Neben der Sauerstoffproduktion sind die Ozeane wetterbestimmend. Ohne den warmen Golfstrom zum Beispiel hätten wir in Mitteleuropa ein deutlich kälteres Klima. Sie nehmen auch den größten Teil des vom Menschen emittierten CO2 auf.

Ökosysteme wie zum Beispiel Korallenriffe schützen Inseln vor Erosion und Sturmfluten. Und die Meere sind Nahrungsquelle für Millionen von Menschen.

Kurzum: Ohne das Meer gäbe es uns nicht.

Die Meere selbst leiden aber zunehmend unter uns Menschen. Seit einem Jahr beobachten Forschende einen sprunghaften Anstieg der globalen Oberflächentemperatur. Wie wirkt sich das auf die Meereslebewesen aus?

Weltweit ist die Korallenbleiche in vollem Gange. Die Rekordwärme im Wasser lässt sich deutlich an den Korallen ablesen, denn bei zu hohen Temperaturen über einen längeren Zeitraum sterben sie ab.

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Das ist alarmierend, weil Korallen lebenswichtig für das Ökosystem Ozean sind. Sie schützen die Küsten vor Erosion und dienen als Kinderstube von 25 Prozent aller Fischarten weltweit. Das bedeutet: Korallenriffe produzieren Unmengen an Fisch, von dem auch wir Menschen leben.

Klima-Kompass

News und Entwicklungen rund um den Klimawandel. Jeden Freitag in diesem Newsletter.

Dass die Ozeane so warm sind wie noch nie seit Beginn der Messungen, liegt auch am menschengemachten Klimawandel. Überrascht Sie das als Meeresexpertin?

Die Fakten sind seit Jahrzehnten eindeutig: Die Meere leiden besonders unter Klimawandel, Plastikverschmutzung und Überfischung.

2010 bis 2013 habe ich die Auswirkungen des Klimawandels auf Austern untersucht. Dass die Klimakrise so schnell und drastisch spürbar wird, hätte ich während meiner Promotion nicht gedacht.

Die Folgen spüren wir nicht nur im globalen Süden, sondern auch mitten in Deutschland: Menschen sterben durch Überflutungen und an den enormen Hitzewellen. Das alles wird schlimmer, wenn wir nicht endlich umsteuern.

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Haben Sie im Laufe Ihrer Karriere ein verändertes Krisenbewusstsein erlebt?

Als ich 2013 zum ersten Mal als Forscherin auf den Malediven war, habe ich bereits über Plastikverschmutzung gesprochen. Damals war Mikroplastik noch kein gängiger Begriff, und ich musste viel erklären. Heute weiß jeder Viertklässler, wo Mikroplastik landet. In den Supermärkten gibt es immer mehr plastikfreie und unverpackte Alternativen.

Das zeigt, dass ein Wandel stattfindet, was mir Mut macht. Diese positiven Veränderungen sollten wir hervorheben.

Unzählige Mengen an Plastik landen in den Meeren. Das Projekt „The Ocean Cleanup" versucht, den Müll herauszufischen.

Plastik: Der Superstoff, der zum ewigen Albtraum wurde

Die Erde ist zugemüllt: Millionen Tonnen Plastikmüll entstehen weltweit jedes Jahr – und landen zum Teil in der Umwelt. Die Vereinten Nationen wollen das Müllproblem mit einem international verbindlichen Vertrag lösen, doch die Verhandlungen sind zäh. Ist eine Welt ohne Plastik überhaupt möglich?

Wie bewerten Sie auf globaler Ebene das Vorhaben der Vereinten Nationen, 30 Prozent der weltweiten Meeresfläche bis 2030 unter Schutz zu stellen?

Das ist löblich und längst überfällig. Auch die UN-Ozeandekade von 2021 bis 2030 hilft, dass das Thema Ozeanschutz in die breite Masse der Bevölkerung gelangt. Aber nichtsdestotrotz brauchen wir schnell größere Schutzgebiete, damit sich die Meeresumwelt erholen kann – das heißt Orte, an denen nicht gefischt wird!

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Wir müssen auch mehr Druck auf die Industrie ausüben, CO2 und Plastikemissionen zu reduzieren. Klar: Daran wird gearbeitet, auch global. Aber jeder Einzelne kann seinen Teil dazu beitragen und selbst Druck machen!

Sie engagieren sich heute sehr in der Bildungsarbeit zum Thema Meer. Wie kam es dazu?

Ich konnte aufgrund einer chronischen Krankheit nach meiner Rückkehr nach Deutschland 2016 nicht wieder als Meeresbiologin auf den Malediven arbeiten.

Doch Nichtstun liegt nicht in meiner Natur. Also habe ich begonnen, ein Buch zu schreiben. Parallel dazu haben wir 2018 auch den Verein „The Blue Mind“ gegründet, um das Meereswissen im Inland zu fördern. Denn Meeresschutz fängt vor der Haustür an.

“The Blue Mind”

„Meer-Wissen im Inland verankern“: Dieses Ziel verfolgt der Verein „The Blue Mind“ im Saarland, in Hessen und Rheinland-Pfalz. Die Meeresbiologin Frauke Bagusche hat ihn 2018 gegründet. Gemeinsam mit zwei Kolleginnen gibt sie Workshops und Vorträge in Kitas und Schulen. Das Projekt wird von den Umweltministerien der jeweiligen Länder und privaten Spendern und Spenderinnen gefördert. www.thebluemind.org

Wie zeigen Sie das?

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Ich versuche, die Menschen dafür zu sensibilisieren, was ihr Konsum anrichtet: ob Kleidung, Lebensmittel oder Autoreifen. Alles, was hergestellt wird, produziert CO2 und im schlimmsten Fall noch Plastik. Mikropartikel finden wir mittlerweile in jedem kleinen Gewässer, das irgendwo ins Meer mündet. Im Fisch – meist aus bedrohten Beständen – landen sie dann wieder bei uns auf dem Teller.

Erleben Sie die Zusammenhänge auch praktisch?

Na klar. Mit Kindern und Jugendlichen gehe ich im Rahmen der Vereinsarbeit zum Beispiel an die heimischen Bäche und erforsche mit einem Netz, was dort schwimmt. Wir sammeln Müll und sprechen über die Funde. Ich frage sie: Was glaubt ihr, von wem der Müll ist? Wie lange dauert es, bis er zu Mikroplastik wird?

Mit VR-Brillen können die Kinder außerdem virtuell in die Ozeane eintauchen und ein Bewusstsein für ihre schützenswerte Schönheit entwickeln.

Was wünschen Sie sich, was jeder Einzelne zum Schutz der Meere beitragen sollte?

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Jeder sollte mehr darüber nachdenken: Wie kann ich morgen nachhaltiger leben als gestern? Ich muss nicht gleich mein ganzes Leben umkrempeln. Im Supermarkt gibt es überall plastikfreie und unverpackte Alternativen. Und es gibt auch so viele Second-Hand-Läden, in denen man nachhaltig und günstig einkaufen kann.

Und der Fischkonsum?

Ich esse sehr gerne Seefisch und Lachs. Durch meine Buchrecherche bekomme ich das meiste leider nicht mehr runter, weil ich weiß, wie problematisch es gefangen wird. Aber wenn ich Lust habe, schaue ich mir an, wie es in heimischer Aquakultur zugeht; Label und Apps helfen dabei. Jeder kleine Schritt zählt.



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