Eine türkische Spielerin wird zum Ziel der homophoben Hasstirade einer Ex-Weltmeisterin. Sie kennt das aus ihrer Heimat.

Volleyballerin Ebrar Karakurt beim Spiel.

Hassobjekt: die türkische Volleyballerin Ebrar Karakurt (links) Foto: Marta Badowska/Newspix/imago

Es waren Bilder, die um die Welt gegangen sind. Normalerweise dürften sich nur die wenigsten – und seien sie noch so sportbegeistert – für die Play-offs der türkischen Meisterschaft im Volleyball der Frauen interessieren. Doch mit einem Mal liefen Bilder des Halbfinalspiels zwischen dem Vakıfbank Spor Kulübü und Eczacıbaşı Dynavit Istanbul vor allem via Tiktok über die Bildschirme von Millionen Smartphones weltweit.

Der Grund dafür war ein Kuss, den Cansu Özbay ihrer Teamkollegin Ali Frantti nach einem Punktgewinn auf den Mund gedrückt hat. In der aufgeklärten Welt hat man sich mit den beiden gefreut, im voyeuristischen Boulevard wurde die Szene ausgeschlachtet und wer halbwegs ernsthaft darüber berichtet hat, der fügte noch einen Satz über die schwierige Lage der LGBTIQ-Communtiy in der Türkei an den Artikel mit dem viralen Video.

Ob bei der ehemaligen russische Spitzenvolleyballerin Jelena Godina diese Szene auch übers Smartphone geflimmert ist, weiß man nicht. Dass sie sich maßlos darüber echauffiert hätte, sollte das der Fall gewesen sein, davon darf ausgegangen werden – womit wir beim Halbfinale der russischen Volleyballmeisterschaft der Frauen wären.

In dem standen sich Dynamo Moskau und Lokomotive Kaliningrad gegenüber. Godina, als ehemalige Weltmeisterin mit Russland eine Art Klub-Ikone von Dynamo, jedenfalls hat nach dem Ausscheiden der Moskauerinnen einen Kommentar verfasst, der es in sich hat.

Küsse und andere Abscheulichkeiten

In der Rubrik „Direkte Rede“ auf der Dynamo-Website wütete sie unter dem Titel „Schluss damit, das zu ertragen!“ gegen die Spielerinnen des Halbfinalgegners, die die ganze Saison über provoziert hätten, sodass man sich nicht zu wundern brauche, dass die Dynamo-Kapitänin Natalja Gontscharowa irgendwann die Schnauze voll gehabt und ihren Gegnerinnen den Mittelfinger gezeigt habe. Dafür muss sie sich nun vor dem Verbandsgericht rechtfertigen. Doch für Godina hat der eigentliche Skandal auf der anderen Seite des Netzes stattgefunden.

In ihrem Posting schreibt sie von „mons­trösen Szenen“ beim Jubel, die an Sexualverkehr erinnern würden. Sie moniert „gleichgeschlechtliche Küsse auf die Lippen und andere Abscheulichkeiten“. Wie das möglich sein könne in einem Land, „in dem die LGBT-Bewegung per Gesetz als extremistische Organisation“ eingestuft werde, ist die Frage, die sie mit dem Text transportieren möchte.

Es würden doch auch Kinder zu den Spielen in die Hallen kommen und dennoch hätte kein einziger Schiedsrichter je bei einer derartigen Szene eingegriffen. „Stellen Sie sich vor, dass Ihre Kinder mit solchen Subjekten in der Umkleidekabine sein müssen!“ Godina lässt in ihrer Lesbenhasstirade beinahe keine Geschmacklosigkeit aus.

Zwei Bilder zu dem Text zeigen Jubelszenen. Dabei trägt einmal eine Spielerin ihre Kollegin, von der sie angesprungen worden ist. Ein anderes zeigt einen Kuss, den die Kaliningrader Kapitänin Ebrar Karakurt einer Mannschaftskameradin auf die Wange gibt. Die türkische Spitzenspielerin, die mit der Nationalmannschaft im vergangenen Jahr die Nations League des Internationalen Volleyballverbandes gewonnen hat, ist das vorrangige Ziel von Godinas Klageschrift.

Die wütende Russin wird um den Sturm der Entrüstung wissen, den Karakurt in ihrer türkischen Heimat ausgelöst hat, als sie im August 2021 auf Instgram ein Foto gepostet hat, das sie zusammen mit ihrer Freundin zeigt. Auf Social Media wurde eine Hasskampagne gegen die Außenangreiferin losgetreten. Der Türkische Volleyballverband hat sich damals hinter eine seiner besten Spielerinnen gestellt.

Nun wird Karakurt also in Russland homophob angegangen. Am Mittwoch beginnt die Finalserie um den Titel gegen Dynamo Ak-Bars Kasan. Sie könnte dramatisch werden – nicht nur in sportlicher Hinsicht.





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