Es herrschte mal wieder sehr, sehr gute Stimmung in Stuttgart-Bad Cannstatt. So wie eigentlich immer, wenn der VfB Stuttgart eines seiner Heimspiele gewinnt, was ihm beim 2:0 gegen Union Berlin in dieser Spielzeit nun schon zum zehnten Mal im 13. Versuch gelungen ist. Im Mittelpunkt der Feierlichkeiten stand indes diesmal nicht Serhou Guirassy, der den ersten Stuttgarter Treffer geschossen (19.) hatte, auch nicht Chris Führich, der das zweite mit einem ebenso platzierten wie stahlharten Schlenzer beisteuerte, den nicht nur Robin Gosens von Union “Weltklasse” fand. Und auch nicht Maximilian Mittelstädt, der zusammen mit Führich auf der linken Außenbahn an fast allen gefährlichen Situationen beteiligt war.
Nein, an diesem Abend ging es ganz eindeutig um den Trainer: Sebastian Hoeneß. Denn der hatte am Morgen einen neuen Vertrag unterzeichnet, der ihn bis 2027 an die Schwaben bindet. Aber ist das nicht nur eine billige Finte, um eine hohe Ablöse zu erhalten, wenn er nun doch im Sommer zu einer der deutschen Adressen mit noch mehr Prestige und Geld wechselt? Eher nicht. Denn Hoeneß gab vor dem Spiel noch ein paar Interviews. Eines davon dem vereinseigenen TV, das ihn vor dem Anpfiff von der Anzeigentafel herunter schöne Sätze fürs schwäbische Gemüt sagen ließ: “Liebe VfB-Fans, es gibt gute Nachrichten. Unser gemeinsamer Weg geht weiter”, woraufhin tausende klatschten. Noch deutlicher wurde er bei Dazn: “Wenn ich wirklich mit dem Gedanken spielen würde, mich im Sommer zu verändern, dann hätte ich den Vertrag jetzt wahrscheinlich nicht verlängert”, sagte er. Und auch das war ebenso logisch wie erhellend.
Alle Spekulationen, ob Hoeneß denn nun in der kommenden Spielzeit den FC Bayern, Bayer Leverkusen oder vielleicht doch gleich eine dann noch zu gründende Weltauswahl trainieren wird, müssen nun also vorerst ruhen. Und das ist nach Lage der Dinge eine wirklich gute Nachricht für den VfB. Denn der hat ziemlich genau in dem Moment begonnen, zu sich und einer zu ihm passenden Spielweise zu finden, als Hoeneß im April 2022 übernahm.
Umgekehrt ist auch Hoeneß am VfB gewachsen. Natürlich hat er dort den Erfolg, der dafür sorgt, dass Fans klatschen, wenn Trainer ihre Verträge verlängern. Am Schluss seiner immerhin auch zwei Jahre währenden Zeit bei der TSG Hoffenheim hatte er den nicht mehr. Allerdings hat er sein Auftreten seit der Zeit im Kraichgau auch – offenbar ganz bewusst – verändert. Verfocht er dort bei öffentlichen Äußerungen meist eine reine Vermeidungsstrategie, die oft auf Kosten der Substanz ging, ist er heute einer der am besten kommunizierenden Trainer der Liga. An der Aufgabe, als Fast-Absteiger der vergangenen Saison eine entfesselte Mannschaft nicht kleinzureden, ohne dabei jemals großmäulig oder selbstverliebt zu wirken, wären vermutlich auch erfahrenere Kollegen in dieser Spielzeit gescheitert. Hoeneß schafft den Spagat seit Saisonbeginn meisterhaft, lobte auch am Freitag das Team, und mahnte dennoch an, dass “Siege niemals selbstverständlich sein dürfen, auch wenn wir gerade relativ oft gewinnen.” Und ob er sich nun eine Ausstiegsklausel in den Vertrag hat schreiben lassen (wovon man ausgehen kann) oder nicht – ein echtes Bekenntnis zum VfB ist die Vertragsunterschrift allemal. Hoeneß sieht sich in Stuttgart “auf einem guten Weg”.
Auch Union hatte seine Chancen – spielte aber die Schlussphase in Unterzahl
Das kann man so sehen, wenn man nach 25 Spielen 53 Punkte hat – und einen doch ziemlich großen Abstand auf Rang vier. Sie müssten jetzt schon noch recht viele Spiele verlieren, um am Ende der Saison nicht auf einem Champions-League-Rang zu stehen. Und das letzte Mal verloren haben sie am 20. Januar. Die meisten Spiele gewinnt er dabei so souverän, dass der gegnerische Trainer nur höflich gratulieren kann.
Das hat auch Unions Trainer Nenad Bjelica, der den Platzverweis von Andràs Schäfer nach Foul an Josha Vagnoman zu hart fand, der aber recht hatte, als er ein von einem “von den Chancen ausgeglichenes Spiel” sprach. Yorbe Vertessen (3.), Kevin Volland (33./49.) und Lucas Tousart (42.) hatten gute Möglichkeiten – und vergaben sie. Auch Stuttgart hatte indes drei, vier weitere Abschlüsse, von denen zwei an (noch) besseren Tagen vielleicht im Netz gelandet wären. Doch auch wenn Hoeneß pflichtschuldig monierte, dass man in der letzten Viertelstunde ein wenig die Stringenz habe vermissen lassen – genau so darf man durchaus spielen, wenn man 2:0 gegen einen dezimierten Gegner spielt. Und wenn man für den Rest der Saison noch etwas vorhat.