„Das Besondere bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist, dass sie meist eine relativ lange Vorlaufzeit haben, bis sie zu Problemen oder im schlimmsten Fall zum Tod führen“, sagt Ulf Landmesser, Leiter der Klinik für Kardiologie an der Berliner Charité, im Gespräch mit FOCUS online. Inzwischen gibt es jedoch gut untersuchte Risikofaktoren.
Männer- und Frauengesundheit
Wer die wichtigsten davon für seine Herz-Gesundheit kennt, kann sie auch gezielt angehen und sein persönliches Herzinfarkt-Risiko senken:
- Blutdruck: Denn Bluthochdruck ist eine sehr häufige Ursache für Herzerkrankungen. Der Kardiologie-Professor erklärt: „Je früher er behandelt wird, umso besser lassen sich Schäden für das Herz-Kreislauf-System vermeiden.“
- Atherogene Lipoproteine, nämlich bestimmte Formen des Cholesterins und zwar das LDL-Cholesterin: Ist der Wert dauerhaft zu hoch, kann das Bildung von Ablagerungen in den Blutgefäßen (Plaques) fördern. Zudem ist ein Blick auf das Lipoprotein (a) sinnvoll. Es ist vor allem genetisch bestimmt. Die damit zusammenhängende Krankheit Hyperlipoproteinanämie (a) ist eine angeborene Fettstoffwechselstörung, die mit einem Herzinfarkt-Risiko verbunden sein kann. Weiterhin die Trglycerid-reichen Lipoproteine, die auch durch den Lebensstil beeinflusst werden können.
- Genetische Faktoren : Es ist wichtig, die Familiengeschichte zu kennen, betont Landmesser. Wenn hier jemand dabei ist, der schon früh einen Herzinfarkt hatte, einen Schlaganfall erlitten oder Diabetes hat, sollte man hellhörig werden. Dann kann das Risiko erhöht sein, dass man auch betroffen ist.
- Diabetes : Erhöhte Blutzuckerwerte und die mit dem Diabetes verbundenen Stoffwechselveränderungen schädigen langfristig die Blutgefäße.
„Das sind alles Risikofaktoren, die wir heutzutage gut behandeln können“, erklärt Landmesser. „Je früher man gegensteuert, umso besser.“
Schon kleine Veränderung kann Herzinfarkt-Risiko stark reduzieren
Die Ursache für einen Herzinfarkt ist in den allermeisten Fällen eine Arteriosklerose in den Herzkranzgefäßen. Ihre Entstehung ist ein Prozess, der über viele Jahre sogar Jahrzehnte geht. Schon bei einem Drittel der 30- bis 40-Jährigen fänden sich Plaques in den Gefäßen, berichtet der Experte.
„ Das heißt, wenn man Risikofaktoren hat und früh erkennt, genügt schon eine kleine Veränderung, um das lebenslange Risiko für einen Herzinfarkt oder eine koronare Herzerkrankung um bis zu 90 Prozent zu senken – das legen die genetischen Untersuchungen nahe“, erläutert der Kardiologe. Bei dieser kleinen Veränderung geht es wieder um das LDL-Cholesterin.
Studien zeigten: Um diesen starken Effekt zu erzielen, müsse es gelingen, den Wert um 100 Milligramm pro Deziliter Blut oder darunter zu halten. Im Umkehrschluss bedeutet es Landmesser zufolge auch: „Wer frühzeitig Blutdruck und LDL-Cholesterin kontrolliert, hat ein sehr geringes Risiko für einen Herzinfarkt.“
Um diese Werte unter Kontrolle zu halten, genügen oft kleine Veränderungen wie entsprechende Trainingseinheitenoder Ernährungsumstellungen – mit Fokus auf ballaststoffreicher Vollkornkost, ausreichend Kalium, vielen ungesättigten Fettsäuren und Polyphenolen, etwa aus Fisch, Gemüse und Obst.
Ab welchen Werten heißt es genauer hinzusehen?
Idealwerte:
- LDL-Cholesterin : unter 100 mg/dl (Milligramm pro Deziliter Blut), bei bereits vorliegender Erkrankung der Herzkranzgefäße unter 55 mg/dl
- Lipoprotein (a) : unter 30 mg/dl (Milligramm pro Deziliter Blut)
- Blutdruck : unter 140 (systolisch) und unter 90 (diastolisch)
- Diabetes : Nüchternblutzucker unter 100 mg/dl (5,6 mmol/l). Nüchternwerte zwischen 100 und 125 mg/dl weisen auf einen Prädiabetes hin, eine Diabetes-Vorstufe.
Liegen die Werte oberhalb dieser Idealwerte, heißt es genauer hinzusehen.
Beim LDL-Cholesterin hängt es sehr davon ab, ob man bereits eine Herz-Kreislauf-Erkrankung hat oder nicht. „Ideal ist es, wenn der Wert um 100 Milligramm pro Deziliter Blut (mg/dl) gehalten werden kann oder niedriger, wenn noch keine Herzkranzgefäßerkrankung vorliegt“, erläutert der Kardiologe. „Wenn jemand einen Wert von 190 Milligramm pro Deziliter oder mehr erreicht, ist das ein Hinweis auf eine familiäre Hypercholesterinämie.“ In so einem Fall ist häufig ein Defekt des LDL-Rezeptors die Ursache. Das sollte unbedingt behandelt werden.
„Liegt der Wert zwischen 100 und 190 wird man immer zunächst versuchen, den Wert über die Ernährung zu verbessern“, erklärt Landmesser zur Therapie. „Zudem schauen wir, ob es bereits Anzeichen für eine Herzerkrankung gibt wie etwa Plaques in den Gefäßen.“
Zur herzgesunden Ernährung sollten viel Gemüse und Obst auf dem Speiseplan stehen, ballaststoffreiche Vollkornprodukte sowie Fisch.
Braucht es eine medikamentöse Behandlung, kommt ein Statin zum Einsatz. Die Dosierung passen Kardiologen an das Herz-Kreislauf-Risiko insgesamt an.
Männer- und Frauenherzen schlagen anders
Einen besonderen Blick braucht es auch auf Männer- und Frauenherzen. Bei Männern beginnen Herz-Kreislauf-Erkrankungen häufig bereits im mittleren Alter. Bei Frauen fängt es eher nach der Menopause (den Wechseljahren) an, kann aber auch seltener davor auftreten.
Warum Erektionsstörungen ein Alarmsignal sind
Risikofaktoren, die eine Erektionsstörung begünstigen, können auch Risikofaktoren für den Herzinfarkt sein. Welche sind das? „Erektionsstörungen haben häufig etwas mit der Gefäßfunktion in diesem Bereich zu tun“, erläutert der Kardiologe. Dementsprechend könnten Risikofaktoren, die die Herzkranzgefäße schädigen, Männern hier ebenfalls Probleme machen.
Als Gefährder des Herzens nennt der Herz-Professor Altbekannte: Bluthochdruck, zu hohes LDL-Cholesterin, Diabetes genauso wie die Lebensstil-Faktoren Rauchen, zu wenig Bewegung und Schlaf oder ungesunde Ernährung. Erektionsstörungen und Herzinfarkt hängen also nicht ursächlich zusammen, haben aber oft gemeinsame Ursachen.
„Männer, die Erektionsstörungen feststellen, sollten unbedingt auch ihre Herz-Kreislauf-Risikofaktoren untersuchen lassen. Sie sollten also nicht nur zum Urologen, sondern auch zum Beispiel beim Hausarzt oder Kardiologen das Herz-Kreislauf-Risiko checken lassen“, rät Landmesser.
Diese Herzprobleme gefährden besonders Frauen
Ein Risikofaktor fürs Herz ist auch Stress – besonders fürs Frauenherz. „Vor allem ein Dauerstress, der entsteht, wenn sich Menschen unter Druck fühlen, wirkt sich sehr wahrscheinlich ungünstig auf das Herz-Kreislauf-Risiko aus“, erläutert der Kardiologe. Tatsächlich kann akuter Stress zu einem Tako-tsubo-Syndrom führen, einer Stresskardiomyopathie – auch bekannt als Gebrochenes-Herz-Syndrom (Broken-Heart-Syndrome). Das betrifft in 90 Prozent der Fälle Frauen.
Akute Stresssituationen wie Trennungen vom Partner, der Tod eines geliebten Menschen oder Lebenskrisen können bei Frauen solch ein Syndrom auslösen. Im schlimmsten Fall führt es dazu, dass das Herz kaum noch arbeitet. Herausfinden lässt sich dies dann mit der Herzultraschall- und Herzkatheteruntersuchung.
So läuft die Behandlung der Stresskardiomyopathie ab:
Wenn das Herz nicht zu stark eingeschränkt ist, bekommen die Patientinnen u.a. Beta-Blocker, um das Herz zu schonen und zu entlasten. In der Akutphase ist es auch sehr wichtig auf Herz-Rhythmus-Störungen zu achten. Wenn es so weit kommt, dass das Herz tatsächlich nicht mehr ausreichend pumpt, müssen die Betroffenen auf der Intensivstation überwacht werden. Über die Zeit kann sich sehr häufig das Herz dann wieder erholen. Das geschieht in der Regel innerhalb von vier bis fünf Wochen. Danach sind die Bewegungsstörungen am Herzmuskel oft nicht mehr zu sehen. Die Therapie ist also meist vorübergehend.
Ein anderes Phänomen bei Frauen um die Phase der Menopause herum sind spontane Risse an den Herzgefäßen, sogenannte Spontan-Dissektionen. Besonders im Alter von etwa 47 bis 53 Jahren sollte bei Frauen an diese Ursache für einen Herzinfarkt gedacht werden. Druck auf der Brust, Rückenschmerzen oder auch Oberbauchbeschwerden sollten Frauen unbedingt ernstnehmen und daran denken, dass diese auch vom Herz kommen könnten.
So läuft die Behandlung der Spontan-Dissektion ab:
Zunächst werden Mediziner ein EKG (Elektro-Kardiogramm) schreiben und entsprechende Blutwerte bestimmen. Behandelt wird mit einer herzschonenden Therapie – zeitlich begrenzt mit blutverdünnenden bzw. gerinnungshemmenden Medikamenten. Die Behandlung ist auch abhängig davon, ob die Risse an den Herzgefäßen bereits akute Durchblutungsstörungen verursachen. In diesem Fall würden Kardiologen einen Stent setzen, damit das Gefäß sich nicht verschließt. Das ist notwendig, damit es nicht zu einem größeren Herzinfarkt kommt oder Schaden am Herzen entsteht. Ist die Situation noch nicht so akut, regeneriert sich das Gefäß in der Regel gut von selbst.
Zu diesen Checks rät der Kardiologe Männern und Frauen schon ab 40 Jahren
Um die oben erwähnten Risikofaktoren frühzeitig zu identifizieren, rät der Charité-Experte genau zu untersuchen. Konkret heißt das: Schon ab 40 Jahren sollten Männer wie Frauen ihre atherogenen Lipoproteine überprüfen lassen, sprich das LDL-Cholesterin und bei entsprechender Familiengeschichte ebenso das Lipoprotein (a).
Zur Familiengeschichte gehört zudem: Wenn etwa der Vater mit 40 einen Herzinfarkt hatte, muss man natürlich noch genauer auf die Risikofaktoren schauen. Blutdruck checken ist ganz wichtig. Ebenso den Blutzuckerspiegel, um Diabetes rechtzeitig zu erkennen.
Darüber hinaus hält der Herz-Professor eine Plaque-Bildgebung für sinnvoll, wenn Unsicherheit bezüglich des kardiovaskulären Risikos besteht. Gerade dann, wenn jemand anhand anderer Risikofaktoren eine mittlere Gefährdung feststelle und es darum gehe, wie behandelt werden solle, wäre es ein gutes Instrument. Dabei könnten Herz-CTs (Computer-Tomographien) bei entsprechendem Verdacht inzwischen gut darstellen, ob die Herzgefäße bereits Schäden aufweisen, ob es Plaques gibt und ob diese gefährlich aussehen. Dies sei aber in Deutschland noch nicht breit im Einsatz.
Der Check und ob sich bereits Plaque-Bildung zeigt, wird ab 50 Jahren noch wichtiger. Dann sollte auch ein Herzultraschall hinzukommen, um festzustellen, ob bereits Schäden am Herz vorhanden sind. Beispielsweise führt Bluthochdruck zu einer Verdickung des Herzmuskels (Hypertrophie). „Das möchte man vermeiden, weil es zu einer Versteifung des Herzens führen kann“, erklärt Landmesser. „Und damit zur Einschränkung der Herzleistung und -funktion.“