München – Keinem Klischee, das Rechte von Geflüchteten haben, entspricht Arif Abdullah Haidary. Er floh 2015 ohne seine Eltern aus Afghanistan nach München, erst 14 Jahre war er damals alt. In den Asylunterkünften organisierte er Konzerte, half in einer Fahrradwerkstatt, wurde Redaktionsleiter einer Schülerzeitung, moderierte eine Radio-Sendung. Er machte eine Ausbildung zum Mediengestalter, besuchte die Meisterschule für Fotografie.

Heute arbeitet er für den Bayerischen Flüchtlingsrat, ist europäischer Karate-Vize-Meister, den Titel hat er für Deutschland geholt, denn inzwischen ist Haidary eingebürgert. In seiner Freizeit gibt er außerdem Selbstverteidigungskurse, hilft bei der Tafel und berät als Mitglied des Migrationsbeirats den Stadtrat. 24 Stunden die Woche arbeitet er für Geld, 25 Stunden die Woche sind Ehrenamt, schätzt er.

Arif Haidary floh aus Afghanistan nach München: Seit einem Auftritt bei “Hart aber fair” ist alles anders

Trotzdem erlebt der 24-Jährige gerade viel Hass. “Wir wollen Sie nicht. Wir brauchen Sie nicht”, schreiben ihm Menschen. Er sei Abschaum. Er solle zurück nach Afghanistan, wo er sofort von den Taliban in einen Kerker gesteckt würde.

Der Anlass für all diese Beleidigungen: Haidary war Mitte März als Talk-Gast bei “Hart aber fair”. In der Sendung ging es um die Frage, wie sinnvoll eine Bezahlkarte für Geflüchtete ist. Die Bezahlkarte enthält ein Guthaben, mit dem Asylbewerber zwar einkaufen, aber ihren Familien im Ausland kein Geld schicken können. Sie sieht anders aus als eine EC-Karte. “Ich will nicht zeigen, dass ich ein Geflüchteter bin, ich bin auch ein Mensch und habe das Recht auf Barzahlung”, sagte Haidary in der Talkshow.

Außerdem widersprach er der Annahme, dass mit der Bezahlkarte Schleuser eingedämmt werden könnten. Schließlich bezahle man die nicht erst, wenn man am Zielort angekommen sei – sondern am Beginn der Flucht, erklärte er.

Nach der Sendung hätten ihn über 50 E-Mails voller Beleidigungen erreicht. Einige von ihnen hat Haidary der AZ gezeigt. “Was bilden Sie sich ein, ins Land zu kommen und Ansprüche zu stellen” – diesen Tenor haben viele Nachrichten. Andere hinterfragten, ob Geld für ihn wirklich kein Fluchtgrund gewesen sei – wo er doch drei Ringe an seiner Hand trage.

Auch nach einem Interview, das Haidary der “Zeit” gegeben hatte, um von seinen Selbstverteidigungskursen zu erzählen, erhielt er Hassnachrichten.

Migrationsbeirats-Vorsitzende: “Arif ist zur Zielscheibe geworden, aber viele andere sind auch gemeint”

“Ich kenne Anfeindungen”, sagt Haidary. “Aber so massiv wie heute war es noch nie.” Seit vergangenem Jahr ist er Mitglied des Migrationsbeirates. Dieser vertritt all jene, die zwar in München leben, aber kein Wahlrecht haben. Die Vorsitzende des Gremiums Dimitrina Lang beobachtet schon seit einer Weile, dass der Hass gegen die Mitglieder des Beirats steigt, je mehr sie in der Öffentlichkeit stehen. “Arif ist zur Zielscheibe geworden, aber viele andere sind auch mit gemeint”, sagt sie.

"Arif ist zur Zielscheibe geworden", sagt Dimitrina Lang, die Chefin des Migrationsbeirates. Arif Abdullah Haidary engagiert sich dort.
“Arif ist zur Zielscheibe geworden”, sagt Dimitrina Lang, die Chefin des Migrationsbeirates. Arif Abdullah Haidary engagiert sich dort.
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“Arif ist zur Zielscheibe geworden”, sagt Dimitrina Lang, die Chefin des Migrationsbeirates. Arif Abdullah Haidary engagiert sich dort.

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Bei einer Pressekonferenz am Montagnachmittag verteilte Dimitrina Lang eine Stellungnahme, um sich mit Haidary zu solidarisieren. “Wir beobachten mit Sorge, wie sich das gesellschaftliche Klima verschärft und rechtsextreme Tendenzen Raum greifen. Diese Entwicklung führt zu einer Atmosphäre der Unsicherheit”, schreibt der Migrationsbeirat darin.

Einschüchtern will sich Haidary allerdings nicht lassen. Er will sich weiterhin in Debatten äußern und im Migrationsbeirat die Stadtpolitik mitgestalten. “Ich werde nie aufgeben und weiterkämpfen”, sagt er. “Es ist wichtig, dass wir in der Politik vertreten sind.”

Mehr Rückhalt für Arif Haidary vom Stadtrat in München gefordert

Stadtrat Thomas Lechner (er ist Teil der Linken-Fraktion, aber kein Parteimitglied) hat eine Idee, wie man den Migrationsbeirat bei Anfeindungen unterstützen könnte: Stadtratsmitglieder würden in solchen Fällen Rechtsberatung bekommen, schildert Lechner. Das sollte aus seiner Sicht auch dem Migrationsbeirat zustehen.

Die Beiratsvorsitzende Dimitrina Lang hofft vor allem auf mehr Rückhalt seitens des Stadtrats. Sie fürchtet, dass es jetzt noch schwerer werden könnte, Ehrenamtliche für das Gremium zu finden – wenn den Mitgliedern statt Anerkennung Hass entgegenschlägt. “Mein Appell ist, dass wir zusammenhalten, sonst wird sich irgendwann niemand mehr trauen, in der Öffentlichkeit Gesicht zu zeigen”, sagt Haidary.





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