Umkämpftes Spitzenduell: Das Hinspiel gewannen die Füchse um den überragenden Mathias Gidsel (3.v.r.) gegen die Magdeburger.

Umkämpftes Spitzenduell: Das Hinspiel gewannen die Füchse um den überragenden Mathias Gidsel (3.v.r.) gegen die Magdeburger.

Foto: imago/Jürgen Engler

Sie schauen düster und tragen martialische Monturen: Tim Hornke, Rechtsaußen des SC Magdeburg, trägt ein Schwert, sein Coach Bennet Wiegert präsentiert einen Speer. Auch Dejan Milosavljev, Torwart der Füchse Berlin, ist schwer bewaffnet. Vor dem Spitzenspiel wirbt die Handball-Bundesliga in den sozialen Medien mit einem abgewandelten Plakat des zweiten Teils der Science-Fiction-Saga »Dune«, der gerade im Kino läuft.

In dystopische Schlachten, wie sie Regisseur Denis Villeneuve entworfen hat, dürfte es am Sonntag in der ausverkauften Magdeburger Arena nicht ausarten. Zwar bekämpfen sich die besten Handballprofis bekanntlich physisch hart, aber ihr Kodex verbietet es ihnen natürlich, den Gegner zu verletzen. Selbstverständlich aber fällt an diesem Sonntag zwischen dem zweitplatzierten SC Magdeburg und dem Spitzenreiter Füchse Berlin eine Vorentscheidung im Kampf um die Deutsche Meisterschaft.

Sollten die Magdeburger mit ihren 38:6 Punkten dieses Heimspiel verlieren, lägen schon drei Minuspunkte zwischen ihnen und den Hauptstädtern, die mit der Bilanz von 41:5 Zählern anreisen. Kaum vorstellbar angesichts der bisher stabilen Leistung des Tabellenführers, dass das Team des 30-jährigen Coaches Jaron Siewert sich dann den ersten Meistertitel noch nehmen lassen würde. Füchse-Sportvorstand Stefan Kretzschmar spricht daher von einem »fantastischen Showdown«.

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Schon jetzt besitzt diese Spielzeit eine handballhistorische Dimension: Erstmals seit der Saison 1992/93, als sich die SG Wallau/Massenheim gegen den TV Niederwürzbach durchsetzte, ist keiner der großen Klubs aus Schleswig-Holstein in der Schlussphase der Meisterschaft mehr im Titelrennen. Sowohl Rekordmeister THW Kiel mit 34:12 Punkten auf Platz vier als auch die einen Rang und Zähler besser platzierte SG Flensburg-Handewitt haben schon alle Chancen verspielt und werden daher in der kommenden Saison auch in der Champions League zuschauen müssen. Die Tektonik des deutschen Klubhandballs dürfte sich damit aber nicht auf Dauer verschoben haben. Das Kieler Imperium, das mit 14 Millionen Euro noch immer über den größten Etat verfügt, wird bald wieder zurückschlagen. Und auch die SG aus dem dänischen Grenzland, deren Coach Nicolej Krickau in seiner ersten Bundesliga-Saison viel Lehrgeld zahlen musste, dürfte im Herbst wieder zur Jagd auf den Titel blasen.

In das Spitzenspiel der beiden derzeit Enteilten geht der SCM zumindest mit einem mentalen Vorteil. Er hat sich vor zwei Jahren in einer ähnlichen Lage bewährt, als der zweite gesamtdeutschen Meistertitel nach 2001 gefeiert werden konnten. Und auch im vergangenen Sommer behielt das Team die Nerven, als es zum zweiten Mal nach 2002 in der Champions League triumphierte. Hinzu kommt an diesem Sonntag der Heimvorteil. »Die Magdeburger sind zu Hause eine Macht«, sagt Julian Rux, der als Datenexperte für die Bundesliga arbeitet. In der Tat ist der Druck, der auf den Tribünen von den Fans aufgebaut wird, nirgendwo so groß wie in Magdeburg. In der Liga ist der SCM in dieser Saison daheim noch ohne Punktverlust.

Die Form beim Aushängeschild des ostdeutschen Handballs stimmt auch. Am Donnerstagabend siegte der bemerkenswert abgeklärte SCM erstmals in Veszprém und löste mit dem mit 30:28-Sieg das Ticket für das Viertelfinale der Champions League. Insbesondere der schwedische Rückraumspieler Felix Claar spielt seit Wochen in Superform. »Wir haben uns durch die Menge nicht irritieren lassen«, sagte er nach seinen neun Toren in Ungarn. Im Meisterschaftskampf wird nun viel davon abhängen, ob sich die Berliner durch die Kulisse in Magdeburg beeindrucken lassen.

Die sportliche Last können die Magdeburger im Rückraum auf viele Schultern verteilen, neben Claar ist auch Mittelmann Janus Smarason in bestechender Form. Die Offensive der Füchse ist dagegen sehr stark auf den dänischen Linkshänder Mathias Gidsel zugeschnitten. Der Weltmeister spielt bislang eine spektakuläre Saison, seine Trefferquote liegt bei über 72 Prozent.

Die Coaches sind indes bemüht, Druck aus dem Kessel zu nehmen. »Eine Vorentscheidung sehe ich noch nicht, es sind danach noch neun, zehn Spiele zu absolvieren und in der Bundesliga kann viel passieren«, sagt Füchse-Trainer Siewert. Sein Magdeburger Kollege Wiegert stimmt zu: »Natürlich fällt noch keine Entscheidung, man muss sich nur das Restprogramm beider Mannschaften anschauen.« In der Tat könnte am Ende die Kraft über die Deutsche Meisterschaft entscheiden. Die Belastung ist für beide Teams enorm, da sie noch um drei Titel spielen: Im Final-Four-Turnier geht es Mitte April in Köln um den DHB-Pokal. Und während der SCM die Trophäe in der Königsklasse verteidigen will, spielen die Füchse gegen Schaffhausen im Achtelfinale der European League.

Platzen könnte der Berliner Traum vom Gewinn der Deutschen Meisterschaft, die Manager Bob Hanning den »wichtigsten Titel« nennt, auch mit Blick auf den eigenen Kader. Gidsel darf sich nicht verletzen. Torwart Dejan Milosavljev, der seine beste Ligaserie spielt, soll ebenso nicht ausfallen. Auch auf dieser wichtigen Position erscheint der SCM angesichts des Restprogramms personell besser gerüstet, da seine beiden Torleute Nicolas Portner und Sergej Hernandez auf ähnlichem Niveau halten. Am Sonntag aber werden alle bisherigen Saison-Statistiken wenig zählen, dann entscheiden Details und Tagesform über den Ausgang dieser historischen Saison.

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