München – Aber ja, der Tuchel war mit’m Radl da. Und verabschiedete sich auch via Drahtesel vom gemeinsamen Brunch am Pfingstsonntag mit der Mannschaft, dem Trainerteam, dem gesamten Staff und den Verantwortlichen samt Familien im “Käfer”.
Thomas Tuchel erhielt aus den Händen von Vorstandschef Jan-Christian Dreesen einen Blumenstrauß, ein gerahmtes Bild und ein paar warme Worte. Laut Sky soll die Abfindung, die der FC Bayern an Tuchel und sein Trainerteam zahlen muss, rund zehn Millionen Euro betragen – schließlich wurden alle Verträge um ein Jahr auf das aktuelle Saisonende bzw. bis zum 30. Juni verkürzt. Am Sonntag hatte sich Tuchels Laune etwas aufgehellt, am Tag zuvor hatte er das Podium der Pressekonferenz in Hoffenheim extrem angefressen verlassen.
FC Bayern: Tuchels Erklärung für die Hoffenheim-Niederlage “nicht für die Öffentlichkeit”
Seine letzten Worte als Bayern-Trainer nach der 2:4-Pleite? Reporter-Frage: Haben Sie eine Erklärung dafür, dass wieder ein Spiel auf diese Weise aus der Hand gegeben wurde? Tuchel: “Ja, aber die ist nicht für die Öffentlichkeit.”
2:4 nach 2:0-Führung im letzten Saisonspiel, dem 43. und letzten unter der Regie von Tuchel. Ein Spiel als Spiegelbild einer (national) total verkorksten Saison, am Ende fehlten den Bayern die personellen Alternativen und die Lust. “Es ist nicht genug, 20 Minuten gut zu spielen, in einem Spiel, das 95 Minuten geht”, schimpfte Tuchel, “das reicht nicht.”
Hat man sehr oft gehört in seiner Amtszeit. Weil parallel der VfB Stuttgart sein Heimspiel gegen Mönchengladbach mit 4:0 gewann, rutschten die Münchner in der Tabelle auf Rang drei. Die Milliönchen der möglichen Supercup-Teilnahme (als Vizemeister bei Pokalsieg Meister Leverkusen) sind flöten gegangen.
Was bleibt von der Ära TT? Zunächst die Fakten: 61 Partien (alle Pflichtspiele), 37 Siege, 16 Niederlagen (macht 26 Prozent!), acht Unentschieden, 142:80 Tore. Auf der Habenseite: Eine – von Borussia Dortmund freundlich geschenkte – Meisterschaft 2022/23, da war Tuchel lediglich neun Spiele im Amt. In den Pokal-Wettbewerben erreichte Tuchel kein Finale, dazu kommt der vergeigte Supercup gegen Leipzig im August 2023. Gab’s auch Positives? Durchaus!
Guter Tuchel: Champions League, Kane, Pavlovic & Co.
Die Champions-League-Saison: Das 3:0 gegen Lazio Rom nach dem 0:1 im Hinspiel war das Schlüsselspiel der Saison – bei einem Achtelfinal-Aus wäre Tuchel wohl direkt entlassen worden. Gegen das starke Arsenal kam Bayern (2:2/1:0) ins Halbfinale, Trainer und Mannschaft fanden (wieder) zusammen. Auch Real lieferte man einen intensiven Fight, scheiterte nur knapp (2:2/1:2).
Harry Kane: Hatte die meisten Einsätze (45), die mit Abstand meisten Tore (44), stand die meisten Spielminuten auf dem Platz. Der teuerste Einkauf der Bayern-Historie (rund 100 Millionen Euro Ablöse) lieferte konstant ab, wurde souverän Torschützenkönig (36). Hasan Salihamidzic, Eberls Vorgänger, hatte mit Tuchel massiv um Kanes Unterschrift gekämpft.
Aleksandar Pavlovic: Die Entdeckung der Saison aus der eigenen Akademie – einst Balljunge, jetzt Stammspieler und mit einem EM-Ticket ausgestattet. Die Passmaschine blühte unter Tuchel in der Rückrunde als Sechser auf. Eine Traumsaison für den gebürtigen Münchner, der in Hoffenheim umknickte, aber kurz darauf Entwarnung geben konnte. Die EM ist nicht in Gefahr!
Schlechter Tuchel: Keine Entwicklung und Negativrekorde
Die titellose Saison: Der entthronte Meister geht erstmals seit der Spielzeit 2011/12 aus einer Saison ohne jeglichen Titel. Auf Platz drei beendete Bayern letztmals eine Saison 2010/11, in der aktuellen Rückrundentabelle landete man gar auf Platz fünf (!). Auch verheerend: acht (oder mehr) Liga-Niederlagen gab’s zuletzt 2006/07 mit zehn Pleiten.
Die fehlende Entwicklung: Spielerisch war Tuchels Ära kein Fortschritt, der Umschaltfußball mit Konter-Schwerpunkt in der Königsklasse nicht Bayern-like. Die viel zu vielen Verletzungen sind ein Rätsel, warfen seine Pläne aber immer wieder über den Haufen.
Die angekratzte Hierarchie: Tuchel wollte Erbhöfe abschaffen, eine neue Team-Struktur schaffen. Verscherzte es sich dabei mit den Führungsspielern Joshua Kimmich, Leon Goretzka und Matthijs de Ligt. Seine meist (zu!) ehrlichen Aussagen nach Pleiten (“Dafür habe ich keine Erklärung!”) kamen in der Kabine nicht gut an.