Das Grundgesetz schützt auch die Umweltbewegung. Auch deshalb fährt sie mit der demokratischen Verfassung besser als mit einer Öko-Diktatur.
Plötzlich war das Thema wieder da. „Und, zu welchem Thema schreibst du deine Masterarbeit?“, hatte ich die Tochter von Freunden gefragt. „Es geht um Klimadiktatur ja oder nein“, sagte die junge Frau. Oh-oh, dachte ich, das klingt vertraut. Vor 15 Jahren hatte ich ein Büchlein geschrieben, Titel „Ausweg Ökodiktatur?“. Meine These damals: Nein, Ökodiktatur löst keine Probleme. Heute bekommt man das Buch nur noch antiquarisch. Aber die grundsätzliche Frage steht offenbar wieder vorn im Regal.
Schon seltsam: Einerseits klingen Versprechungen von autoritärem Staat oder Klimadiktatur für viel zu viele Leute attraktiv. Andererseits wird gerade überall und zu Recht das runde Jubiläum des Grundgesetzes gefeiert. 75 Jahre ist unsere Verfassung und so rüstig und quicklebendig wie ein Silver Ager in Funktionskleidung. Und gerade wir WeltretterInnen sollten stolz und glücklich sein über dieses lebendige Stück Demokratie.
Denn ohne unsere Verfassung sähe es auch in der Umwelt- und Klimapolitik noch viel düsterer aus. Immerhin steht der Schutz der „natürlichen Lebensgrundlagen und der Tiere“ in Artikel 20a. Aber wichtig sind auch viele andere Punkte des Grundgesetzes: Ohne die Garantie für Menschenwürde und Freiheit wäre Widerstand in Bürgerinitiativen nicht denkbar und die Umweltbewegung wie anderswo schnell kriminalisiert.
Die Freiheit kommender Generationen von Klimaschäden ist seit dem Klimaurteil des Verfassungs(!)gerichts als Maßstab in die Politik eingeführt. Die Redefreiheit garantiert die Greenpeace-Aktion am Schornstein ebenso wie die besserwisserische taz-Kolumne. Das Eigentumsrecht lässt Menschen Solaranlagen und Windräder bauen, die Freiheit der Wissenschaft klärt Fake News auf, wenn Populisten von links bis rechts bis doof mit Realitätsverweigerung Prozentpunkte sammeln wollen.
Es geht nicht nur um Windräder
Der Sozialstaat lässt uns 20 Milliarden Euro für die Kohleregionen aufbringen und uns fragen, warum zum Teufel es immer noch kein Klimageld gibt. Der Föderalismus stellt sicher, dass der Rest der Republik umweltpolitisch nicht so weit hinter dem Mond leben muss wie Bayern. Eine unabhängige Justiz führt dazu, dass die Regierung sich in peinlichen Verrenkungen erklären muss, wenn sie das Klimaschutzgesetz durchlöchert.
Dagegen sieht jede Klimadiktatur alt aus. Selbstverständlich geht in der guten, alten Demokratie beim Thema Klima und Artenschutz alles viel zu langsam. Aber wer denkt, eine Kommandowirtschaft nach chinesischem Vorbild sei die Lösung, der hat nicht verstanden, dass es nicht nur um Windräder und Solaranlagen geht – sondern um zentrale Zukunftsfragen nach politischer Rechenschaft und einer gerechten Wirtschaftsform – genau das, was Diktatoren bekämpfen.
Wer genau hinsieht, der merkt ohnehin: Wir leben trotz aller Rettungsversuche durch das Grundgesetz schon lange in der Ökodiktatur: in der brutalen Alleinherrschaft der Ökonomie, die im eigentlichen und übertragenen Sinn alles plattwalzt.
Und wer mal versucht hat, gegenüber manchen Autofahrern („ich hau dir aufs Maul!“) auch als Radfahrer auf seine Grundrechte auf Freiheit, Leben und Gesundheit zu pochen, der erfährt: Trotz Grundgesetz und freiheitlich-demokratischer Grundordnung hat die Bundesrepublik an manchen Stellen erreicht, was die DDR immer anstrebte:
die Diktatur des Proletariats.