AZ: Herr Encke, Sie haben einmal gesagt, der Job als Zoodirektor sei hochpolitisch. Warum?
DAG ENCKE: Weil es sich bei Zoos um die größte öffentliche Plattform handelt, um über das Verhältnis zwischen Mensch und Tier zu sprechen. Die Leute sehen hier, wie die Tiere gehalten werden, und wir laden sie dazu ein, darüber nachzudenken. Und das macht Zoos politisch.

Wenn man politisch aktiv werden will und Tiere mag – warum nicht Tierschutzaktivist werden? Warum ausgerechnet Zoodirektor?
Weil ich darin einen Mix gesehen habe, der unschlagbar gut ist: In einem Zoo geht es um Artenschutz, Bildung, Forschung und darum, wie wir über all diese Themen in der Gesellschaft sprechen. Etwas Vielfältigeres kann ich mir gar nicht vorstellen, wenn man das Ziel hat, Artenschutz zu betreiben.

Ihr Credo lautet: “Alles, was wir tun, machen wir für die Menschen.” Wenn Ihnen Artenschutz so wichtig ist, warum heißt es dann nicht: “Alles, was wir tun, machen wir für die Tiere”?
Es geht bei Artenschutz darum, die Vielfalt der Tierwelt zu erhalten und nicht jedes einzelne Tier zu retten. Denn die Biodiversität ist das höchste Gut für unser Überleben als Menschen. Um die zu bewahren, müssen vereinzelt Tiere auch sterben, damit ganze Arten überleben können.

Nürnberger Tiergarten-Direktor Dag Encke: “Zoos sind ein Baustein bei den Artenschutzbemühungen”

Ist das der Grund, warum einige der Guinea-Paviane in Ihrem Zoo getötet werden sollen?
Das Beispiel der Paviangruppe zeigt, dass trotz Ausschöpfung aller Alternativen im Populationsmanagement, wie etwa Abgabe der Tiere oder Verhütung, die Tötung von einzelnen Tieren für den Erhalt einer gesunden Gruppe unausweichlich bleibt. Das gilt grundsätzlich für alle Tiere in Arterhaltungsprogrammen. Da dieses Dilemma für den Artenschutz so relevant ist, wollen wir einen möglichst großen Teil der Bevölkerung darüber informieren. Deswegen haben wir die Hintergründe im Umweltausschuss der Stadt erläutert und informieren darüber zum Beispiel über Infotafeln hier im Tiergarten, über unsere Social-Media-Kanäle oder über die Presse.

Mehrere Guinea-Paviane. Einige müssen getötet werden, um die Art als solche zu bewahren.
Mehrere Guinea-Paviane. Einige müssen getötet werden, um die Art als solche zu bewahren.
© Daniel Karmann/dpa
Mehrere Guinea-Paviane. Einige müssen getötet werden, um die Art als solche zu bewahren.

von Daniel Karmann/dpa

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Ist ein Zoo die beste Form, um Artenschutz zu betreiben?
Nein, aber er ist ein ganz wichtiger Baustein bei den weltweiten Artenschutzbemühungen. Das Besondere bei uns ist, dass wir alle Aspekte des Artenschutzes verbinden: Forschung, Bildung und den Schutz gefährdeter Arten.

Wie schützen Sie diese?
In Kasachstan kümmern wir uns zum Beispiel darum, Wildesel und Wildpferde wieder anzusiedeln. Wir bauen die Gehege, transportieren die Tiere und geben unser Wissen weiter, wie man zum Beispiel Tiere narkotisiert oder im Krankheitsfall behandelt.

Ein Wildesel im Tiergarten Nürnberg. Der Zoo beteiligt sich daran, die Art wieder in Kasachstan anzusiedeln.
Ein Wildesel im Tiergarten Nürnberg. Der Zoo beteiligt sich daran, die Art wieder in Kasachstan anzusiedeln.
© Daniel Karmann/dpa
Ein Wildesel im Tiergarten Nürnberg. Der Zoo beteiligt sich daran, die Art wieder in Kasachstan anzusiedeln.

von Daniel Karmann/dpa

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Helfen Sie auch bei der Forschung?
Ja. In Brasilien unterstützen wir die dortige Wissenschaft durch unsere eigenen Projekte und helfen so etwa, den La Plata Delphin zu schützen.

Dag Encke: Wie im Zoo “aktive Bildungsarbeit” betrieben wird

Inwiefern hilft Forschung beim Artenschutz?
Durch mehr Daten verstehen wir die Tiere besser und können sie wirksamer schützen. Deshalb müssen wir ganz viel und ganz schnell forschen.

Eine Studie hat ergeben, dass Kinder eigentlich nur Aussehen und Namen der Tiere durch Zoobesuche lernen. Verfehlt da der Zoo nicht seinen bildungspolitischen Auftrag?
Nein, denn zum einen machen wir Bildungsangebote an die Besucher, die bei uns einen schönen Tag haben wollen. Wir gestalten die Gehege so, dass diese einen Eindruck davon bekommen, wie die Tiere in ihrer natürlichen Umgebung leben. Und sie erhalten die wichtigsten Infos über Schilder. Um alles über die mehr als 300 Tierarten bei uns zu erfahren, müssten die Leute während ihres Besuches ganze Bücher lesen – das wäre völliger Quatsch.

Und zum anderen?
Betreiben wir aktive Bildungsarbeit: von einstündigen Führungen über Fortbildungen für Lehrer bis hin zu Übernachtungsprogrammen, bei denen Kinder auch nachts den Zoo erleben können. Darüber können wir bis zu 15.000 Menschen informieren. Es gibt kaum andere Bildungsinstitutionen, die so viele Menschen pro Jahr erreichten.

Was muss sich ändern, damit mehr bei Kindern und Erwachsenen nach dem Zoobesuch hängenbleibt?
Wir würden die Übernachtungsprogramme gerne sehr viel intensiver anbieten, weil wir da tief in die Themen einsteigen können. Gleichzeitig wollen wir auch unsere Beschilderung ausweiten. Denn für die Leute, die öfter kommen, soll es auch immer wieder etwas Neues zu entdecken geben.





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