Manchmal lernt man beim Lesen Menschen kennen, mit denen man gern befreundet sein möchte, oder wenigstens wünscht man sich, sie für eine Weile in ihrer Welt besuchen zu dürfen. Ada zum Beispiel, die uns in Gras unter meinen Füßen ihre Geschichte erzählt. Zu Beginn ist Ada neun Jahre alt. Sie lebt in London, ihre Welt ist winzig, eine armselige kleine Wohnung, die sie nie verlassen darf. Bis sie beschließt, es einfach zu tun.

Es ist das Jahr 1939, Krieg in Europa. Deutschland droht, Städte in England zu bombardieren. In London werden Kinder aufs Land verschickt, um sie in Sicherheit zu bringen. Auch für die Ärmsten ist Platz in den Zügen, für Jamie zum Beispiel, den kleinen Bruder von Ada. Seiner Mutter ist es eigentlich egal, ob er irgendwohin verschickt wird. Sie arbeitet jeden Abend im Pub, ihr Mann ist verschwunden oder tot, um ihre Kinder kümmert sie sich nicht. Ada begegnet die Mutter gar mit Hass und Verachtung, weil das Mädchen einen verkrüppelten Fuß hat. Die Mutter schämt sich, so ein Kind zu haben. Niemand soll Ada sehen, auf keinen Fall soll sie aufs Land, sondern in London bleiben. Wen kümmert es schon, ob eine Bombe sie tötet. Niemand wird Ada vermissen.



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