Im vergangenen Herbst war in der Freiburger Niederlassung des Lebensmittellieferdienstes Flink eine Betriebsratswahl anberaumt worden. Doch wenige Tage vor der Wahl wurde der Betrieb eingestellt und etwa 50 Fahrer*innen entlassen. Fünf von ihnen reichten Kündigungsschutzklagen ein. Sie vermuten, dass das Unternehmen so die Betriebsratswahl verhindern wollte. Am Dienstag wies das Arbeitsgericht in Freiburg die Klage ab. Die Begründung lag bis Redaktionsschluss noch nicht vor.
Eine der Klägerinnen ist Aenne Wagner. Die 23-jährige Studentin hatte zuvor rund ein Jahr für Flink gearbeitet und war an der Betriebsratsgründung beteiligt sowie Mitglied des Wahlvorstandes. Den Minijob bei Flink habe sie gern gemacht, auch als Ausgleich zur Uni, erklärt sie gegenüber »nd«. Den Betriebsratsgründer*innen sei es vor allem um ein demokratisches Instrument der Mitbestimmung gegangen: »Super viele von den Kolleginnen waren internationale Studierende, die dann bei Flink waren und sich nicht mit deutschem Arbeitsrecht auskannten«, sagt sie.
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Das Aus kam für Wagner und ihre Kolleg*innen überraschend. So hatten sie die Wahlversammlung zur Vorbereitung der Betriebsratswahl noch im Freiburger Hub, der Verteilerzentrale, abhalten können. Auch hätten Hub- und Regionalmanagement den Beschäftigten gegenüber betont, der Betrieb würde gute Leistungen bringen und profitabel wirtschaften. »Mit den Klagen haben wir erreichen wollen, dass die Rechtswidrigkeit der Schließung festgestellt wird und dass Unternehmen nicht damit davonkomme, durch derartiges Handeln die Gründung von Betriebsräten zu verhindern«, erklärt Wagner.
Das Unternehmen hat dieser Darstellung stets widersprochen. Demnach habe die Auftragslage in Freiburg stagniert, die Schließung sei aus Gründen mangelnder Profitabilität und hoher Raummieten erfolgt. Die Aussagen der Hub-Managerin seien frei erfunden gewesen. Auch habe diese keine Einsicht in die Zahlen der Niederlassung gehabt. Flink war für eine Stellungnahme vor Redaktionsschluss nicht zu erreichen.
Auch das Freiburger Arbeitsgericht sah die Argumentation der Kläger*innen offenbar nicht für stichhaltig genug und wies deren Klagen ab. Tatsächlich konsolidiert Flink seit zwei Jahren sein Geschäft, baut Stellen ab und schließt Standorte. Zeitgleich mit dem Standort in Freiburg wurden auch Filialen in Passau und Mülheim geschlossen. Im vergangenen Jahr stand laut Medienberichten eine Übernahme durch den Konkurrenten Getir im Gespräch. Bei der Supermarktkette Rewe, die in Flink investiert hat und im vergangenen Sommer frisches Kapital nachschoss, werden einem Bericht der Lebensmittelzeitung zufolge die Zweifel an der Tragfähigkeit des Geschäftsmodells von Flink lauter. Die für dieses Jahr angepeilte Profitabilität des Unternehmens werde mittlerweile als unrealistisch eingestuft, heißt es dort.
Fakt ist aber auch, dass bei Flink bereits in der Vergangenheit Auseinandersetzungen um Betriebsratswahlen für Aufruhr gesorgt haben. In Berlin löste sich im November 2022 ein Wahlvorstand auf, nachdem Flink rechtlich gegen die Betriebsratswahl vorgegangen war. Bei der Wahlversammlung im September 2022 war es zu Auseinandersetzungen zwischen Flink-Management und Beschäftigten gekommen. Einige, die sich für einen Betriebsrat eingesetzt hatten, wurden in der Folge entlassen. Zudem arbeitete Flink mit der Arbeitsrechtskanzlei Pusch Wahlig zusammen.
Auch arbeitete Flink damals mit der Arbeitsrechtskanzlei Pusch Wahlig zusammen. Diese unterstützt Unternehmen unter anderem bei Themen der »alternativen Mitbestimmung«, zuletzt beim Hasso-Plattner-Institut (HPI) in Potsdam. Auch dort gab es Auseinandersetzungen über die Form der Mitbestimmung. Die Geschäftsführung warb im vergangenen Jahr für einen Institutsrat, zeitgleich wurde eine Betriebsratswahl vorbereitet, welche letztlich nicht stattfand. Kritiker*innen sehen im Agieren der Geschäftsführung und der Anwaltskanzlei eine Verhinderung der geplanten Betriebsratswahl, die Geschäftsführung betonte die demokratische Entscheidung für eine alternative Form der Mitbestimmung. Der Lieferdienst Flink hatte in der Vergangenheit eigeninitiativ ebenfalls mit »Ops Committees« sogenannte alternative Mitarbeitervertretungen etabliert – im Gegensatz zu Betriebsräten ohne arbeitsrechtliche Grundlage.
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