Soziale Innovationen wie Bürgerenergiegenossenschaften werden laut Experten in Deutschland zu wenig gefördert. Andere EU-Länder machen es besser.
Nicht nur Technik-Tüftler schaffen Innovationen, auch die Gesellschaft kann eine grandiose Erfinderin sein. Sogenannte Soziale Innovationen finden immer größere Aufmerksamkeit und Förderung, weshalb auch die Expertenkomission Forschung und Innovation (EFI) ihnen im neuen Jahresgutachten ein ganzes Kapitel gewidmet hat. Die Empfehlungen der sechs Wirtschaftswissenschaftler wurden in dieser Woche an Bundeskanzler Olaf Scholz überreicht.
„Unter sozialen Innovationen versteht die Expertenkommission neue individuelle und kollektive Verhaltensweisen sowie Organisationsformen, die zur Lösung gesellschaftlicher oder wirtschaftlicher Probleme beitragen und damit einen gesellschaftlichen Mehrwert schaffen“, heißt es im EFI-Gutachten im sperrigen Professorendeutsch. Die Mitglieder der Komission werden vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) benannt und aus dessen Etat finanziert.
Die angeführten Beispiele sind konkreter: Mehrgenerationenhäuser und Bürgerenergiegenossenschaften, Online-Vernetzungsplattformen oder die kollektiven Finanzierungsformate der „Crowd Economy“. Auch die taz wird mit einem Bericht über „Mitfahrbänke zur Förderung der Mobilität“ zitiert – von denen es inzwischen über 1.000 in Deutschland gibt.
Soziale Innovationen entstehen häufig spontan als Ausdruck gesellschaftlicher Selbstorganisation. Aber wegen der positiven Effekte für die Allgemeinheit gibt es auch zunehmend staatliche Unterstützung, wie durch die 2023 verabschiedete „Nationale Strategie für Soziale Innovationen und Gemeinwohlorientierte Unternehmen“ der Bundesregierung.
Hier sieht die EFI-Kommission allerdings Verbesserungsbedarf, etwa durch genauere Efassung der Situation. Es gibt nur eine Angabe der EU-Kommission, die die Zahl der Sozialunternehmen in Deutschland im Jahr 2017 auf 77.459 schätzte. Demnach gab es damals 936 Unternehmen, die meisten davon Startups, pro eine Million Einwohner.
Nach der Erfassung der EU-Kommission sind Sozialunternehmen in Italien, Ungarn und Frankreich am weitesten verbreitet. Eine andere Statistik beziffert den Anteil sozialinnovativer Unternehmen an allen Unternehmen in Deutschland auf 17,1 Prozent, mit einem Übergewicht in den Städten und den westdeutschen Bundesländern.
In ihren Empfehlungen spricht sich die Kommission dafür aus, bestehende Innovations-Förderprogramme auch für soziale Innovationen zu öffnen. Zur besseren Sichtbarkeit wird eine Messe als „Expo für soziale Innovationen“ vorgeschlagen. Dort könnten laut EFI „Erfahrungsberichte oder Roadmaps über den gesamten Innovationsprozess“ präsentiert werden, damit „andere Initiativen davon lernen können“.