Nach dem Tod mehrerer ausländischer Helfer im Gazastreifen durch einen israelischen Luftangriff hat US-Präsident Joe Biden Israel schwere Vorwürfe gemacht. “Das ist kein Einzelfall”, teilte Biden mit. “Dieser Konflikt ist einer der schlimmsten in jüngerer Zeit, was die Zahl der getöteten Mitarbeiter von Hilfsorganisationen angeht.” Biden fügte hinzu: “Israel hat nicht genug getan, um die Helfer zu schützen, die versuchen, die Zivilbevölkerung mit dringend benötigter Hilfe zu versorgen.” Auch für den Schutz der Zivilbevölkerung im Gazastreifen habe Israel nicht genug getan. 

Die Vereinigten Staaten hätten Israel wiederholt aufgefordert, Militäreinsätze gegen die Terrorgruppe Hamas von humanitären Einsätzen zu entkoppeln, um zivile Opfer zu vermeiden, erinnerte Biden.

Am Montag waren sieben Mitarbeiter der Hilfsorganisation World Central Kitchen im Gazastreifen durch einen Luftangriff des israelischen Militärs getötet worden. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sprach in einer Videobotschaft von einem “tragischen Fall eines unabsichtlichen Treffers unserer Streitkräfte gegen Unschuldige im Gazastreifen”. Man prüfe den Vorfall und werde alles tun, damit er sich nicht wiederhole. Der israelische Generalstabschef
Herzi Halevi sprach später von einem “schweren
Fehler” des Militärs
und drückte sein Bedauern dafür aus.

Biden fordert Veröffentlichung von Untersuchungsergebnissen

Biden forderte eine zügige Untersuchung und eine Veröffentlichung der Ergebnisse. Die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden. Er sei “empört und untröstlich” über den Tod der humanitären Helfer, unter denen ein US-Bürger gewesen sei. “Sie versorgten mitten im Krieg hungernde Zivilisten mit Lebensmitteln”, sagte Biden. “Sie waren mutig und selbstlos. Ihr Tod ist eine Tragödie.”

Der australische Premierminister Anthony
Albanese sagte, er habe gegenüber Netanjahu “Australiens Wut und
Besorgnis” über den Tod er zivilen Helfer zum
Ausdruck gebracht. Unter den Getöteten war eine junge
Frau aus Australien. Zuvor hatte bereits Australiens Außenministerin Penny Wong den
Luftangriff in einem Gespräch mit ihrem
israelischen Amtskollegen Israel Katz als “empörend und
inakzeptabel” verurteilt. Israel werde weiter an Unterstützung
verlieren, wenn es seinen Kurs nicht ändere, warnte Wong.

NGO setzen Aktivitäten in Gaza aus

Medienberichten zufolge ist die Versorgung der Zivilbevölkerung in Gaza durch den Vorfall noch prekärer geworden. Die Vereinigten Arabischen Emirate kündigten an, ihre Hilfslieferungen für den Gazastreifen über den Seeweg von Zypern bis zur vollständigen Aufklärung des Vorgangs einzustellen. Mehrere NGO kündigten zudem an, ihre Aktivitäten im Gazastreifen aussetzen, darunter die Gruppe Anera, eine Partnerorganisation von World Central Kitchen, und die US-Organisation Project Hope. Das International Medical Corps, das in der Stadt Rafah eines der größten Feldlazarette mit 140 Betten betreibt, kündigte an, sein “Prozedere zu überdenken”.

Unicef-Sprecherin Tess Ingram sagte der New York Times, sie hoffe, dass
der Tod der WCK-Mitarbeiter im Gazastreifen
“die Welt dazu bringen wird, zu erkennen, dass das, was hier passiert,
nicht in Ordnung ist”. 

UN sehen “Missachtung des humanitären Völkerrechts”

Heftige Kritik an Israel kam auch von den Vereinten Nationen. UN-Sprecher Stéphane Dujarric sagte, der Vorfall sei “ein unvermeidliches Resultat dessen, wie dieser Krieg aktuell geführt wird”. Der Tod der Mitarbeiter von World Central Kitchen stelle “eine
Missachtung des humanitären Völkerrechts und eine Missachtung des
Schutzes von humanitären Arbeitern” dar.

Angesichts der humanitären Katastrophe im Gazastreifen und der hohen Zahl ziviler Opfer in dem Konflikt gibt es zunehmende Kritik am militärischen Vorgehen Israels, auch vom wichtigsten Verbündeten USA. Biden und seine Regierung hatten sich lange mit öffentlichen Einwänden zurückgehalten, in den vergangenen Wochen aber zunehmend die Tonlage gegenüber der israelischen Führung verschärft. Die Beziehungen zwischen den Partnern, auch zwischen Biden und Netanjahu direkt, sind inzwischen äußerst angespannt.

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