Die neue Liste ist bislang nicht publik. Aber nach Informationen der Süddeutschen Zeitung sollen diesmal 16 Galeria-Filialen geschlossen werden. Das erfuhr die SZ von zwei mit dem Insolvenzverfahren vertrauten Personen. Der Insolvenzverwalter Stefan Denkhaus hat insofern geliefert. Auf einer Pressekonferenz Mitte April hatte er gemeinsam mit den designierten neuen Eigentümern der Warenhauskette, Bernd Beetz und Richard Baker, davon gesprochen, dass gut 70 der verbliebenen 92 Filialen erhalten bleiben sollen. Nun sind es 76 Kaufhäuser, die fortgeführt werden.
Insolvenzverwalter Stefan Denkhaus hatte Beetz und Baker in einem monatelangen Bieterverfahren den Zuschlag erteilt, weil sie diejenigen Investoren waren, die den Bestand der meisten Filialen garantierten. Denkhaus und die Investoren übererfüllen die Zusage nun sogar. Statt 22 sollen 16 Filialen schließen. Das Zerschlagungsszenario ist damit vom Tisch.
Die Nachricht bedeutet aber auch: Wieder müssen Städte mit drohendem Leerstand an prominenter Stelle in der City fertig werden. Zudem bedeutet die Schließung von 16 Filialen auch die Kündigung von 1400 Mitarbeitenden, wie die SZ erfuhr. Galeria bleibt damit andererseits ein Unternehmen mit mehr als 10 000 Beschäftigten. In den 1400 Kündigungen inbegriffen sind die 450 Beschäftigten in der Essener Zentrale. Das ist die Hälfte der Mitarbeiter dort. Das hatte Insolvenzverwalter Denkhaus bereits Mitte April angekündigt. Eine Beschäftigungsgarantie für die Mitarbeiter gibt es nicht.
Galeria-Manager verweisen darauf, dass Arbeitskräfte im Einzelhandel derzeit begehrt sind. Die Erfahrung allerdings zeigt auch: Viele ehemalige Galeria-Beschäftigte suchen sich eine neue Branche. In Nürnberg etwa, sagt ein Betroffener, seien von 60 Leuten, die im Zuge des vorangegangenen Insolvenzverfahrens gekündigt haben, nur drei wieder in den Einzelhandel gegangen. Galeria durchlief seit April 2020 drei Insolvenzverfahren.
Andererseits wurde in diesen Verfahren auch klar: Auf der “Schließungsliste” zu stehen, bedeutet für die Filialen nicht automatisch das endgültige Aus. Es können auch nach der Veröffentlichung Filialen gerettet werden. Eine mit dem Verfahren vertraute Person sagte, man könne das Vorgehen von Denkhaus und der designierten neuen Eigentümer Beetz/Baker auch als Ankündigung verstehen, jetzt in noch härtere Verhandlungen über die Höhe der Miete zu gehen. Diese sollen an manchen Standorten bis zur letzten Minute angedauert haben.
Galeria-Chef Olivier van den Bossche hatte wiederholt davon gesprochen, dass die Mieten in einem Korridor zwischen sieben und elf Prozent des Umsatzes liegen sollten. In der Filiale Köln Hohe Straße lag die Miete zuletzt bei 33 Prozent gemessen am Umsatz. Das Kaufhaus in der Hohe Straße gehört wie 17 weitere der 92 Häuser zur insolventen Signa-Gruppe des österreichischen Unternehmers René Benko. Signa hatte die Mieten in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich in die Höhe getrieben und damit den Wert der Immobilien gesteigert. Der erhoffte Umsatz in den Filialen wurde hingegen nicht erzielt. Folglich machten die Mieten einen immer höheren Anteil am Umsatz aus, was den Betrieb der Filialen unwirtschaftlich machte. Signa soll sich, wie mehrere Personen bestätigten, diesmal in den Verhandlungen aber als kooperativ erwiesen haben. Unter den 16 zu schließenden Filialen sollen sich nur wenige Signa-Standorte befinden.
Das Kalkül von Denkhaus und den Investoren soll es sein, mit der Schließungsliste weitere Vermieter zum Einlenken zu bewegen. So könnte die Zahl der 76 geretteten Filialen in den nächsten Tagen und Wochen theoretisch noch steigen. Andererseits hatte Beetz Mitte April auf einer Pressekonferenz in der Galeria-Zentrale in Essen auch klargemacht, dass kein Bestandschutz für die Kaufhäuser über einen bestimmten Zeitraum mit dem Insolvenzverwalter vereinbart worden sei. Kaufhäuser, die nicht profitabel wirtschaften, könnten insofern in den kommenden Jahren auch veräußert werden.
Es soll alles so verhandelt worden sein, dass jede der 76 Filialen einen positiven Deckungsbeitrag abliefert. Die verbleibenden Kaufhäuser sollen demnach keine Verluste mehr machen. Zudem sollen weitere Kosten gespart werden. Die hohe Miete von vier Millionen Euro für die Zentrale in Essen soll wegfallen, indem Galeria in günstigere Räumlichkeiten zieht. Das soll bereits im kommenden Jahr geschehen. Galeria-Chef Olivier van den Bossche sagte, er hätte es am liebsten, wenn die Verwaltung in die oberen Etagen einer Filiale verlegt werde. Das habe auch den Vorteil, nahe am Einzelhandelsgeschäft und den Kunden zu sein. Das bisherige Verwaltungsgebäude liegt abseits in einem Essener Vorort. Gespart werden soll auch in der Logistik.
Offiziell soll die Liste mit den betroffenen 16 Kaufhäusern am Samstagvormittag bekannt gegeben werden. Der Grund: Es soll ausreichend Zeit bleiben, die Städte und die Beschäftigten zu informieren. Ein Sozialplan und ein Interessenausgleich sind mit dem Gesamtbetriebsrat und der Gewerkschaft vereinbart worden. Teil davon ist, eine Transfergesellschaft zu gründen. Es wird davon ausgegangen, dass die betroffenen 16 Filialen an diesem Samstag nicht öffnen. Am Montag soll der Betrieb aber zunächst weitergehen.
Die neuerlichen Schließungen markieren einen weiteren herben Einschnitt für die Warenhäuser in Deutschland. Galeria Karstadt Kaufhof ist die letzte verbliebene Warenhauskette im Land. Doch auch mit Galeria war es in den vergangenen zehn Jahren rapide bergab gegangen. 2014 gab es noch 290 Filialen von Karstadt und Kaufhof. 2019 waren es noch 243 Filialen mit 32 000 Mitarbeitern. Beschleunigt wurde der Niedergang nach der Übernahme des österreichischen Immobilienhändlers René Benko, der die Warenhauskette nach 2020 dreimal in die Insolvenz schickte. 2022 waren es nach der ersten Insolvenz dann noch 131 Filialen und 17 000 Mitarbeiter und 2024, nach der zweiten, nur noch 92 Filialen und etwa 12 000 Mitarbeiter.
Die Gläubigerversammlung muss das laufende Verfahren Ende Mai noch offiziell absegnen.