Hinweis: Dieser Text erschien zuerst im FOCUS online Earth Newsletter. Abonnieren Sie ihn hier und erhalten Sie ihn jeden Freitag in Ihrem E-Mail-Postfach.

 

Die Aufregung war groß am Donnerstagabend: Volker Wissing droht mit Verboten für alle deutschen Autofahrer! Wenn das Klimaschutzgesetz nicht endlich geändert werde, sei das Verkehrsministerium zu drastischen Maßnahmen gezwungen, wie etwa der Einführung eines Fahrverbots am Wochenende, ähnlich wie zu Zeiten der Ölkrise in den 1970ern. So war es in einem Brief des FDP-Ministers an seine Kabinettskollegen zu lesen, der hilfreicherweise sogleich seinen Weg in die Medien gefunden hat.

Wissing und sein durchschaubares Manöver – Fahrverbote sollen für Angst sorgen

Das politische Manöver dahinter ist durchschaubar. Das Verkehrsministerium reißt seit Jahren seine gesetzlich vorgegebenen Klimaschutzziele, die Lücke wird immer größer. Die FDP will sich des Problems entledigen, indem sie diese sogenannten „Sektorziele“ einfach abschafft – nur noch die Gesamtrechnung soll am Ende zählen. Der Verkehrsbereich könnte sich dann inmitten der Positivbeispiele (etwa dem Energiesektor) einfach „verstecken“. 

„Man fragt sich, ob der Minister absichtlich eine absolut beispiellose drakonische Maßnahme beschwört, um die Öffentlichkeit in Angst zu versetzen“, sagt der Dortmunder Verkehrsforscher Giulio Mattioli zu FOCUS online Earth. Und tatsächlich: Flächendeckende Fahrverbote, um das Klima zu schützen – das hat es in der Geschichte der ganzen Menschheit noch nie gegeben.

„Beklopptes Klimaschutzgesetz“?

Was das grundlegende Prinzip angeht, hat Wissing jedoch Recht. Klimaschutz und Klimapolitik sind ein Wettrennen gegen die Zeit. Je ambitionsloser der Klimaschutz der Vergangenheit und Gegenwart ausgefallen ist, desto ambitionierter – und kurzfristiger – müssen die Instrumente der Zukunft ausfallen. Das Bundesverfassungsgericht hatte das bereits 2021 in seinem spektakulären Urteil zum Klimaschutzgesetz festgelegt: Wer jetzt zu wenig tut, wird in Zukunft nur noch radikaler Freiheiten einschränken müssen.

In der FDP ist die Wut groß über die vorangegangene Große Koalition aus Union und SPD, die unter großem öffentlichen Druck ambitionierte Klimaziele gesetzt hatte – die Umsetzung dieser Ziele jedoch auf nachfolgende Legislaturen abwälzte. Von einem „bekloppten Klimaschutzgesetz“ spricht etwa der FDP-Energiepolitiker Konrad Stockmeier.

Allerdings ist das Klimaschutzgesetz, welches Wissing bislang noch zu Sofortprogrammen verpflichtet, nicht das einzige Problem für den FDP-Minister. Denn auf europäischer Ebene gibt es Ziele für den Verkehrssektor. Wenn die Bundesregierung diese nicht einhält, drohen Deutschland Milliarden-Strafzahlungen aus Brüssel. „Deshalb muss in diesem Bereich mehr passieren. Es geht darum, Strafzahlungen zu vermeiden“, erklärt Katharina Dröge, Fraktionsvorsitzende der Grünen, der „FAZ“. 

Wissing verschweigt, dass es Lösungen für das Problem gibt

Was Wissing und seine Kollegen zudem verschweigen: Die Lösung ist nicht so alternativlos wie behauptet. Expertinnen und Experten sind sich einig, dass es noch viele andere Wege abseits von Fahrverboten gibt, um im Verkehrsbereich schnell für Besserung zu sorgen. „Die Maßnahmen sind wohlbekannt“, sagt Mattioli, „sie beinhalten Dinge wie das Tempolimit und die Abschaffung bzw. Reform CO2-intensiver Subventionen wie zum Beispiel der Pendlerpauschale.“

Solche kleineren Schritte lehnte Wissing aber stets ab. Das ist eine politische Entscheidung, die ihre Gründe haben mag – aber langfristig ist sie eben mit Kosten verbunden. Und ausgerechnet diejenigen Politiker, die Autofahrern nie etwas zumuten wollten, würden dann zu Vätern des Fahrverbots.

+++ Keine Klima-News mehr verpassen – abonnieren Sie unseren WhatsApp-Kanal +++  





Source link www.focus.de