Berlin. Abtreibungen sollten in Deutschland nach Einschätzung einer von der Bundesregierung eingesetzten Expertenkommission künftig nicht mehr grundsätzlich strafbar sein. „In der Frühphase der Schwangerschaft (…) sollte der Gesetzgeber den Schwangerschaftsabbruch mit Einwilligung der Frau erlauben“, heißt es in der Zusammenfassung eines Berichts der Kommission, die am Montag in Berlin vorgelegt wurde. Die Expertinnen und Experten äußern sich darin auch zu den Themen Eizellspende und Leihmutterschaft. Beides hält die Kommission unter bestimmten Umständen für zulässig.

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Zwar sind Schwangerschaftsabbrüche faktisch auch heute in der Frühphase – also innerhalb der ersten zwölf Schwangerschaftswochen – möglich, wenn die Frau sich zuvor hat beraten lassen. Auch wenn bestimmte medizinische Gründe vorliegen oder nach einer Vergewaltigung sind Abbrüche möglich. Allerdings ist dies bisher als Ausnahmeregelung im Strafgesetzbuch geregelt, das Abtreibungen ansonsten ganz grundsätzlich unter Strafe stellt. In ihrem Koalitionsvertrag hatte die Ampel vereinbart, durch eine Kommission prüfen zu lassen, inwieweit Schwangerschaftsabbrüche auch außerhalb des Strafgesetzbuches geregelt werden könnten. Die Kommission sollte zudem Möglichkeiten zur Legalisierung von Eizellspende und Leihmutterschaft prüfen.

Kommission: Großer Unterschied für betroffene Frauen

„Die grundsätzliche Rechtswidrigkeit des Abbruchs in der Frühphase der Schwangerschaft (…) ist nicht haltbar. Hier sollte der Gesetzgeber tätig werden und den Schwangerschaftsabbruch rechtmäßig und straflos stellen“, sagte die für das Thema zuständige Koordinatorin in der Kommission, die Strafrechtlerin Liane Wörner von der Universität Konstanz, am Montag in Berlin.

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Kommission spricht sich für Legalisierung von Abtreibungen in Frühphase aus

Abtreibungen sind in Deutschland grundsätzlich strafbar. Eine Expertenkommission empfiehlt hier Änderungen.

Ein Abbruch sei aktuell zwar unter bestimmten Bedingungen straffrei, „aber er ist nach wie vor als rechtswidrig, als Unrecht gekennzeichnet“, kritisierte die stellvertretende Koordinatorin, Frauke Brosius-Gersdorf, die geltende Regel. Eine Änderung sei nicht einfach nur eine Formalie. Für die betroffenen Frauen mache es einen großen Unterschied, ob das, was sie täten, Unrecht sei oder Recht. „Außerdem hat das Auswirkungen auf die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherungen.“

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Neuerungen beim Thema Eizellenspende

Eine Legalisierung der Eizellspende in Deutschland sehen die Expertinnen und Experten als zulässig, „sofern sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, die insbesondere den notwendigen Schutz der Spenderinnen und das Kindeswohl gewährleistet“, heißt es. Deutschland sei neben Luxemburg das einzige EU-Land, in dem die Eizellspende noch verboten sei, sagte die Koordinatorin für das Thema in der Kommission, Claudia Wiesemann von der Universität Göttingen. Wichtig sei, so wie bei der Samenspende auch, das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Herkunft zu sichern. Leihmutterschaft könne der Gesetzgeber in bestimmten Fällen zulassen, heißt es von der Kommission, „sofern insbesondere der Schutz der Leihmutter und das Kindeswohl hinreichend gewährleistet werden“.

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Keine schnelle Neuregelung von der Ampel zu erwarten

Mit der Entscheidung, inwieweit die Vorschläge zur Liberalisierung des Abtreibungsrecht der Expertenkommission umgesetzt werden sollen, will sich die Ampel Zeit lassen. Kurzfristige Neuregelungen sind demnach nicht zu erwarten. Die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann sprach am Montag vor Journalisten in Berlin von einem sehr sensiblen Thema, das stark in persönliche Bereiche gehe. Es gelte, unterschiedliche Güter gegeneinander abzuwägen. „Und wir wollen eine Debatte führen, die letztlich uns weiterbringt in dieser Frage, und das ist nichts, was man unter Zeitdruck und „jetzt machen wir das ganz schnell“ führen kann. Das wäre wirklich der falsche Weg.“

Der Expertenbericht sollte jetzt Grundlage sein für eine Debatte, die Politik und Gesellschaft miteinander führten, sagte Hoffmann. Man könne eine längere gesellschaftliche Debatte erwarten. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sei daran gelegen, dass diese Diskussion in ruhiger und sensibler Weise geführt werde. Das sei verbunden mit der Hoffnung, dass in Deutschland eine Polarisierung beim Thema Schwangerschaftsabbruch vermieden werden könne.

Buschmann: „Brauchen keine Debatten, die die Gesellschaft in Flammen setzen“

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sagte am Montag, man werde den 600 Seiten starken Bericht als Bundesregierung gründlich auswerten und verfassungs- und völkerrechtliche Argumente prüfen. „Was wir nicht gebrauchen können, das sind Debatten, die die Gesellschaft in Flammen setzen oder gar spalten.“

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagte, die Expertise der Kommission sei eine wesentliche Hilfe, um die komplexen ethischen Fragen zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin zu beantworten. „Am Ende braucht es dafür aber einen breiten gesellschaftlichen und natürlich auch parlamentarischen Konsens.“ Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) nannte die Empfehlungen der Kommission eine gute Grundlage für einen nun notwendigen offenen und faktenbasierten Diskurs.

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RND/dpa



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