München – Der Trend setzt sich fort: Die “Alternative für Deutschland” (15,9 Prozent) hat sich in Deutschland hinter der siegreichen Union (30,2 Prozent) zur zweitstärksten Kraft bei der Europawahl aufgeschwungen. Und wie die CDU/CSU legte die AfD in der Gunst der jungen Erwachsenen zu, die vor allem den Grünen massiv den Rücken zukehrten. Die AZ hat bei Privatdozent Dr. Martin Gross vom Geschwister-Scholl-Institut für Politikwissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität zu diesen Entwicklungen nachgehakt.

Europawahl: Grüne verlieren bei jungen Wählern 23 Prozentpunkte im Vergleich zu 2019 

16 Prozent der 16- bis 24-jährigen Wähler in Deutschland machten am Sonntag ihr Kreuz bei der AfD – das sind elf Prozentpunkte mehr als 2019, die Unionsparteien steigerten sich in der Gunst dieser Klientel um fünf Prozentpunkte auf 17 Prozent. Wie die infratest-dimap-Zahlen zu den bundesweiten Gewinnen und Verlusten der Grünen zeigen, verliert die Regierungspartei im Vergleich zur Europawahl 2019 in dieser Gruppe 23 Prozentpunkte, während AfD (elf Prozent) und CDU/CSU (fünf Punkte) und sogar die “anderen Parteien” (drei Punkte) hier dazu gewannen.

Dr. Martin Gross (38) hat Politik- und Verwaltungswissenschaft (Bachelor of Arts) an der Universität Konstanz sowie Geschichte und Politik des 20. Jahrhunderts (Master of Arts) an der Friedrich-Schiller-Universität Jena studiert. Im Oktober 2017 trat er seine Stelle als Akademischer Rat am Geschwister-Scholl-Institut für Politikwissenschaft der Ludwig-Maximilians-Universität in München an.
Dr. Martin Gross (38) hat Politik- und Verwaltungswissenschaft (Bachelor of Arts) an der Universität Konstanz sowie Geschichte und Politik des 20. Jahrhunderts (Master of Arts) an der Friedrich-Schiller-Universität Jena studiert. Im Oktober 2017 trat er seine Stelle als Akademischer Rat am Geschwister-Scholl-Institut für Politikwissenschaft der Ludwig-Maximilians-Universität in München an.
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Dr. Martin Gross (38) hat Politik- und Verwaltungswissenschaft (Bachelor of Arts) an der Universität Konstanz sowie Geschichte und Politik des 20. Jahrhunderts (Master of Arts) an der Friedrich-Schiller-Universität Jena studiert. Im Oktober 2017 trat er seine Stelle als Akademischer Rat am Geschwister-Scholl-Institut für Politikwissenschaft der Ludwig-Maximilians-Universität in München an.

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Die Tatsache, dass in Deutschland 1,4 Millionen Erstwähler votiert haben, nachdem diesmal bereits 16-Jährige stimmberechtigt waren, will Martin Gross dabei nicht als Argument gelten lassen: “Das wäre Stochern im Nebel, das kann man aus den Daten nicht ablesen.” Leider liegen auch keine Zahlen darüber vor, ob und wie sich der bundesweite Trend der Europawahl bei den unter 30-Jährigen in Bayern und München zeigt.

Martin Gross: Junge Wähler sind “die am stärksten von Einschränkungen betroffene Generation”

Interessant: Die Ergebnisse bei der Juniorwahl an zahlreichen deutschen Schulen liegen nicht weit weg vom tatsächlichen Endresultat der Europawahl: CDU/CSU liegen hier mit 20,9 Prozent (plus 10,2) vor der SPD (14,7, plus 2,5) und der AfD (14,5, plus 8,5). Die Juniorwahl ist ein bundesweites Projekt zur politischen Bildung und will die Schüler so frühzeitig mit demokratischen Prozessen vertraut machen.


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Gross verweist zwar darauf, dass in der öffentlichen Wahrnehmung oft “ein Zerrbild der sogenannten Jugend” gezeichnet werde, denn schließlich sei diese Gruppe der Wähler genauso wenig homogen wie andere, ältere Gruppen, der Politik-Experte macht aber einen ganz wesentlichen Effekt aus: “Bei dieser Wählerschaft handelt es sich nun einmal um die am stärksten von Einschränkungen betroffene Generation.”

Politik-Experte Gross: “In Zeiten der Unsicherheit flüchtet sich der Mensch gerne ins Nationale”

Diese Gruppe kenne eben “keine anderen Zeiten wie ihre älteren Mitwähler”, sondern hangele sich seit der Corona-Pandemie von einem “Extrem-Ereignis” zum anderen, seien es nun die Themen Migration, Klimawandel, Ukraine-Krieg, Energiekrise oder Israel-Palästina-Konflikt. 


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Verstärkend mache sich  bei den Ergebnissen zudem der Effekt bemerkbar, dass sich der Mensch in Zeiten der Unsicherheit nur zu gerne “ins Nationale, ins Traditionelle, ins Bekannte” flüchte. Viele Jugendliche und junge Erwachsene hätten eben zum einen das Gefühl, dass sie noch so viel arbeiten könnten, um am Ende eben doch ohne Rente dazustehen, zum anderen wollten sie sich aber auch “nicht kaputt arbeiten” und ihre Zeit im Job am liebsten reduzieren.

Gross: “TikTok war für die AfD ein zentrales Element in der Strategie”

Jugendforscher Klaus Hurrelmann hatte bereits nach der Landtagswahl 2023 in Bayern mit dem Positiv-Sprung der AfD festgestellt, dass grundsätzlich knapp zehn Prozent der jungen Leute unter 30 nationalistisch orientiert seien und rechtspopulistische Positionen verträten. “Bei denen hat die AfD leichtes Spiel. Meiner These nach war das eine Kombination aus Enttäuschung und nicht erfüllter Bedürfnisse. Immer mehr fühlen sich sozial abgehängt und sehen für sich keine Perspektiven”, sagte Hurrelmann der “Taz”.

Für LMU-Dozent Martin Gross steht zudem fest, dass auch die Art, wie sich junge Menschen informieren, eine wesentliche Rolle spiele. “Maximilian Krah hat diese Tatsache gerade bei TikTok ohne Zweifel hervorragend genutzt und konnte dies zurecht als ‘seinen Erfolg’ verbuchen. Die Grünen und auch die anderen Parteien haben diesen Trend verschlafen, während er für die AfD ein zentrales Element in der Strategie war”, sagte er im Gespräch mit der AZ.

Klar ist: Die AfD war sehr früh in den sozialen Medien präsent, transportiert politische Botschaften vereinfacht beziehungsweise polarisierend und sorgt dafür, dass ihre Positionen große Beachtung finden.  Gross dazu: “Man darf bei der Einordnung der Ergebnisse einen Fakt nicht außer Acht lassen. Die jungen Grünen-Wähler sind einfach nur enttäuscht darüber, wie die großen Themen der Partei wie die Klimapolitik oder ihre Rolle als Friedenspartei in der Regierungsverantwortung leiden.”





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