Herr Schindler, Russland und China lassen in Deutschland offenbar aggressiv spionieren. Wie nehmen Sie das als Experte wahr?

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Der Ukraine-Krieg hat den Geheimdienst-Aktivitäten beider Länder nochmal einen Schub gegeben. Allerdings gehören Spionage, Sabotage und Desinformation seit jeher zum Werkzeugkasten der russischen Geopolitik und immer mehr auch der chinesischen. Im Kern hat sich wenig verändert.

Aber es gibt doch zwischen beiden Ländern Unterschiede, oder?

China war lange Jahre sehr aktiv im Bereich der Wirtschaftsspionage – und zwar ein Stück weit brachial. Sie wollten alle Spitzentechnologie und alles entsprechende Know-how aus Deutschland abgrasen, um es selbst verwerten zu können. Dabei hat vor allem die Cyberspionage den Vorteil, dass der Angegriffene oft gar nicht merkt, dass die Kronjuwelen längst aus dem Computer gestohlen wurden. Schließlich wird das entsprechende Werkstück nachgebaut. Und nach ein paar Jahren taucht es auf dem Weltmarkt auf. Zuletzt hat China seinen Fokus erweitert und ist jetzt geheimdienstlich umfassend in Europa tätig. Denn es hat sich selbst das Ziel gesetzt, im Jahr 2049 die Weltführerschaft zu erlangen: technologisch, militärisch, wirtschaftlich und politisch. Spionage ist dabei ein Mittel.

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Und Russland?

Russland ist seit jeher konzentriert auf Militärtechnologie, Energiepolitik, Bündnispolitik, Sicherheitspolitik, parteipolitische Strukturen und Entscheidungen in Deutschland. Das Ganze hat durch den Ukraine-Krieg noch zugenommen. Ein Krieg, eingebettet in einen Informationskrieg – das ist die Stunde der Spione. Dabei muss man davon ausgehen, dass wir bisher nur die Spitze des Eisbergs gesehen haben und darunter viele weitere nachrichtendienstliche Operationen laufen.

Nun haben wir mit der AfD seit einiger Zeit eine Partei, die in Teilen bereit ist, sich russischem und chinesischem Einfluss zu unterwerfen. Welche Qualität hat das?

Ich würde es anders beschreiben. Die AfD ist, wenn man von außen auf Deutschland guckt, ganz sicher ein relevantes Ziel. Das hat mit der gedanklichen Nähe etwa mit Blick auf den Ukraine-Krieg zu tun. Sie erleichtert die Anwerbung von Personen. Hinzu kommt, dass es in der AfD nicht wenige Leute mit flexiblen Lebensläufen gibt. Das lockt gegnerische Dienste an. Jemand, der unstet ist, ist einfacher zu werben als einer, der stets auf derselben Linie fährt. Und schließlich hat die AfD das Potenzial, im politischen Alltag Themen zu setzen. Das kann ein gegnerischer Dienst nutzen. Er hat damit einen Anker in Deutschland. Solche Organisationen sind ein lohnendes Ziel für Russland und China.

Was kann der Staat tun, um das zu unterbinden?

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Wir stören uns ja jetzt daran, dass wir so viele aufgedeckte Spionagefälle haben. Das sollte uns aber eigentlich nicht stören. Denn das ist ja ein Erfolg der Sicherheitsbehörden. Und warum sollten wir uns durch Erfolge irritieren lassen? Im Gegenteil: Wir sollten den Sicherheitsbehörden für ihre hervorragende Arbeit danken, statt reflexartig das Haar in der Suppe zu suchen.

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Gibt es trotzdem Defizite?

Die Bekämpfung von Spionage, Sabotage und Desinformation ist grundsätzlich schwer. Wir werden das nur begrenzen können – passiv, indem wir den Geheimschutz und den Wirtschaftsschutz stärken, und aktiv bei der Erfassung und Weitergabe von Informationen. Denn Kommunikation und Spionage sind untrennbar miteinander verbunden. Wer die Kommunikation zwischen dem Agenten und seinem Fallführer aufklären kann, der hat gewonnen. Spionage ohne Kommunikation gibt es nicht.

Was folgt daraus?

Wir müssen uns darauf konzentrieren, die Kommunikation zu knacken. Das betrifft die Kommunikationsüberwachung. Damit tun wir uns in Deutschland schwer. Wir diskutieren schon seit Jahr und Tag über die Frage der Mindestspeicherfristen – bekannt als Vorratsdatenspeicherung. Hinzu kommt, dass der Bundesnachrichtendienst bei der Aufklärung grundsätzlich keine deutschen Telefonnummern oder E-Mail-Adressen erfassen darf. Das ist ein großes Handicap. Ein ausländischer Agent braucht nur ein deutsches Handy zu nehmen, und schon ist der BND draußen. Das Bundesamt für die Verfassungsschutz und die Landesämter brauchen zudem die Möglichkeit zur strategischen Kommunikationsaufklärung im Inland. Zu guter Letzt kann Kommunikation auch über persönliche Treffen, also über Reisen, erfolgen. Reisewege sind daher bei der Aufklärung ebenfalls ein wichtiger Ansatzpunkt. Hier könnte das Erkennen von Mustern helfen, sprich: zu wissen, wer wann immer wieder an welche Orte fliegt. Solche Rasteranalysen sind nach unserem Datenschutzrecht nahezu unmöglich. Man könnte deshalb manches verbessern. Aber das bedeutet, dicke Bretter zu bohren.

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Wie dringend ist es, die Möglichkeit zu Finanzermittlungen auszuweiten?

Wenn man bestimmte Finanzströme inklusive Geber und Nehmer nachweisen kann, dann hilft das. Man darf aber bei den Voraussetzungen nicht überziehen. Es geht für einen Nachrichtendienst wie den Verfassungsschutz darum, bereits im Vorfeld polizeilicher Ermittlungen zu Erkenntnissen zu gelangen. Das bedeutet: Er muss auch schon mal mit Vermutungen arbeiten dürfen und kann nicht sofort mit gerichtsverwertbaren Ergebnissen antanzen. Wenn Nachrichtendienste nach Polizeireicht arbeiten müssen, dann können sie nicht vernünftig agieren.

Es geht für einen Nachrichtendienst wie den Verfassungsschutz darum, bereits im Vorfeld polizeilicher Ermittlungen zu Erkenntnissen zu gelangen. Das bedeutet: Er muss auch schon mal mit Vermutungen arbeiten dürfen und kann nicht sofort mit gerichtsverwertbaren Ergebnissen antanzen.

Gerhard Schindler

Sie brauchen also mehr Kompetenzen?

Ich sehe immer die Möglichkeit, besser zu werden. Und wenn die Erfolge unserer Sicherheitsbehörden jetzt Anlass sind, darüber nachzudenken, wie sie noch besser werden können, dann finde ich das gut.

Es werden auch Hackbacks diskutiert, sprich: Gegenangriffe im Cyberraum.

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Es wäre gut, wenn wir mal vor die Welle kommen würden. Dabei geht es etwa um die Frage, wie wir Künstliche Intelligenz einsetzen können – im Sinne des Schutzes unserer Bürgerinnen und Bürger und des Wissens unserer Wirtschaft. Dazu gehören aber ebenso Hackbacks. Denn sie sind ein Mittel, um Cyberangriffe abzuwehren. Darüber diskutieren wir in Deutschland schon seit über zehn Jahren. Die Schweiz hat Hackbacks 2016 eingeführt. Und alle Bedenken, die man bei uns vorbringt, sind in der Schweiz nicht eingetreten. Niemand hat der Schweiz den Krieg erklärt. Insofern sage ich: Von der Schweiz lernen, heißt siegen lernen. Ich bin nachhaltig für solche Hackbacks, weil es einfach zu einem Staat dazugehört, dass er sich wehrt.

Maximilian Krah(l-r),  Kandidat der AfD für den Spitzenplatz bei der Europawahl, Tino Chrupalla, AfD-Bundesvorsitzender und Fraktionsvorsitzender der AfD, und Alice Weidel.

Zur Kenntlichkeit entstellt: Die AfD, eine Partei nützlicher Idioten

Maximilian Krah bleibt nach vielen Eskapaden und der Verhaftung seines Mitarbeiters dennoch Spitzenkandidat der AfD für das EU-Parlament, soll aber im Wahlkampf in den Hintergrund rücken. Mit dieser halbherzigen Distanzierung schadet die AfD-Spitze der ganzen Partei. Diese wird immer mehr zur Alternative gegen Deutschland, meint Jan Sternberg.

Wie steht es heute um den Austausch von Informationen mit anderen Ländern?

Internationale Zusammenarbeit ist unverzichtbar. Das haben alle eingesehen. Wir bekommen dadurch oft wichtige Hinweise, etwa auf Anschläge oder die Lage in der Ukraine. Das hat im Afghanistan-Krieg begonnen und durch den Ukraine-Krieg nochmal zugenommen. Es ist zentral, Erkenntnisse verschiedener Dienste zu einem Gesamtlagebild zusammenfügen zu können.

Wie geht es insgesamt weiter mit der Spionage?

Die Spionage wird eher noch zunehmen. Der Kampf um die Ressourcen und die Vorherrschaft in dieser Welt hat begonnen. Wir haben neben Russland und China viele weitere Player wie Iran oder Nordkorea. Die sicherheitspolitische Gemengelage wird schlimmer statt besser. Und in dieser Gemengelage spielt eine Frage eine wichtige Rolle: Wer hat Wissensvorsprünge? Sie zu erzielen, gibt es viele Mittel. Eines davon ist Spionage. Man muss sich also gegen Spionage wappnen. Man sollte aber auch selbst versuchen, zu Erkenntnissen zu gelangen, und nicht den Moralapostel spielen.

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Das heißt: selbst spionieren?

Genau.



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