Grüne warnen vor Rechtsruck bei Europawahl
17.19 Uhr: Die Grünen-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Terry Reintke, hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen aufgerufen, eine mögliche Koalition mit Rechtskonservativen auszuschließen. „Schließen Sie endlich aus, dass Sie mit Rechtsautoritären und Rechtsextremen nach dieser Europawahl zusammenarbeiten!„, forderte Reintke am Montag bei einer Wahlkampfveranstaltung der Grünen in Frankfurt. Die rechten Parteien wollten die Europäische Union kaputt machen, warnte sie.
Reintke rief die Anhänger ihrer Partei auf, vor der Wahl noch um Stimmen zu kämpfen. «Bei dieser Europawahl geht es um alles», sagte Reintke. Die anstehende Wahl entscheide, wie sich die Europäische Union weiterentwickele. Unter anderem gehe es dabei auch um die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen, die in den kommenden fünf Jahren angegangen werden müsse. Dies sei auch für den Wirtschaftsstandort Europa eine wichtige Frage.
Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) rief die Anhänger seiner Partei auf, sich weiter für die Mobilisierung von Wählern einzusetzen. «Diese Wahl wird durch Mobilisierung entschieden», sagte Habeck. Rechte Parteien, deren Ziel es sei, Europa zu zerstören, seien voll mobilisiert. Für Europa gehe es in den kommenden Jahren darum, ob es zu einem handelnden Akteur auf der globalen Ebene werde, auch in Fragen der Wirtschaftspolitik sowie der Verteidigung, des Militärs und der Rüstungsindustrie. Während Habecks Rede gab es mehrere propalästinensische Zwischenrufe.
Auch bei einem anschließenden Wahlkampftermin im nordhessischen Kassel kam es kurzzeitig zu entsprechenden Störungen. Dort betonte Habeck ebenfalls die Bedeutung eines geeinten Europas. Die Weltpolitik werde in Zukunft nicht von Dänemark, den Niederlanden und Portugal beeinflusst werden. «Und ehrlicherweise auch nicht von Frankreich und Deutschland.» Aber zusammen könne Europa den Unterschied machen. “Europa muss weitergehen. Wir brauchen mehr Europa“, so Habeck.
Wie Russland die Europawahl manipulieren kann
Montag, 27. Mai 2024, 07.27 Uhr: Kurz vor der Europawahl wächst erneut die Sorge vor russischer Beeinflussung: Es gibt Cyberattacken auf Einrichtungen der EU-Länder, prorussische Internetplattformen sollen Propaganda in der EU verbreiten und sogar von Geldzahlungen an europäische Politiker ist die Rede. Wie groß ist die Gefahr?
Lea Frühwirth forscht beim Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS) in Berlin zu dem Thema Wahlbeeinflussung. Ihr zufolge fällt Russland seit Jahren mit illegitimer Einflussnahme auf – beispielsweise durch Desinformationskampagnen mit gefälschten Medienseiten, die über Werbeanzeigen und nicht authentische Accounts verbreitet werden.
EU-Wahl als erwartbares Ziel für Einflussversuche
„Die Wahl zum Europäischen Parlament Anfang Juni ist ein erwartbares Ziel für solche Einflussversuche“, sagt sie. Typische Beispiele seien die Diskreditierung von Parteien sowie Politikern und Politikerinnen oder das Säen von Misstrauen gegenüber der Legitimität des Wahlprozesses. Kampagnen könnten Wählerinnen und Wähler aber auch indirekt beeinflussen. Wer das Vertrauen in demokratische Institutionen zersetzen wolle, könne das auch tun, indem er unzureichenden Schutz der Bevölkerung suggeriert.
Nach Angaben der Expertin mischt sich Russland nicht nur bei Wahlen ein. Solche Kampagnen seien eher eine Art Grundrauschen, sagt Frühwirth. Zu bestimmten Anlässen oder um polarisierende Debatte noch einmal anzuheizen, nehme das dann noch einmal zu.
Bestes Beispiel dafür ist der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Die East StratCom Task Force, die zum diplomatischen Dienst der EU gehört, berichtet, dass Desinformationsfälle, die die Ukraine ins Visier nehmen, mehr als 40 Prozent aller Fälle in ihrer Datenbank ausmachen.
Wer hinter Desinformationen steckt, ist oft unklar
Ein Mitte März 2024 in sozialen Medien kursierendes Video zeigt beispielsweise, wie ein Panzer mit einer blauen Flagge – die ein wenig der EU-Flagge ähnelt – durch die Landschaft fährt. Das soll angeblich in Russland nahe der ukrainischen Grenze sein. Wie Faktenchecker der dpa prüften, erinnert das Emblem auf der Fahne im Video zwar an den Sternenring des EU-Banners – gehört aber tatsächlich zur Legion „Freiheit Russlands“, die aufseiten der Ukraine kämpft. Von wem genau solche Videos letztendlich stammen und wer sie verbreitet, lässt sich nicht immer eindeutig feststellen.
Den Expertinnen und Experten der East StratCom Task Force zufolge zielen Kampagnen zum Ukraine-Krieg unter anderem darauf ab, die europäische Unterstützung für die Hilfe für das angegriffene Land mit finanzieller, militärischer und humanitärer Hilfe zu untergraben.
Cyber-Angriffe auf die SPD
Doch der russische Einfluss geht über Desinformationskampagnen hinaus. Immer wieder wird dem Kreml vorgeworfen, Drahtzieher von Cyberattacken zu sein. „Es können verschiedene Ziele dahinterstecken, beispielsweise das Abgreifen von Daten, das Schwächen kritischer Infrastruktur oder eine Kommunikationswirkung“, erklärt Forscherin Frühwirth. Eingriffe in kritische Infrastruktur würden konkrete Abläufe stören, sollen aber auch das betroffene Land vorführen und vermitteln, dass die Regierung nicht in der Lage sei, die Bürgerinnen und Bürger zu schützen.
Bei schon länger zurückliegenden Cyber-Angriffen auf die SPD und deutsche Unternehmen aus den Bereichen Logistik, Rüstung, Luft- und Raumfahrt und IT-Dienstleistungen benannte Außenministerin Annalena Baerbock Russland ganz klar als Täter. „Staatliche russische Hacker haben Deutschland im Cyberraum angegriffen“, sagte die Grünen-Politikerin im Mai. Die Bundesregierung macht eine Einheit des russischen Militärgeheimdienstes – APT28 – verantwortlich.
Nicht nur Deutschland ist in Russlands Visier: Laut EU waren zuvor bereits andere staatliche Institutionen, Agenturen und Einrichtungen in den Mitgliedstaaten, darunter in Polen, Litauen, der Slowakei und Schweden, vom gleichen „Bedrohungsakteur“ angegriffen worden.
Prorussische Plattform soll Geld an europäische Politiker gezahlt haben
Ein besonders prominentes Beispiel von möglicher russischer Einflussnahme ist die Plattform Voice of Europe – mit Sitz in Prag. Diese steht unter Verdacht, prorussische Propaganda in der EU verbreitet und Geld an europäische Politiker gezahlt zu haben. Auf dem Portal waren unter anderem Interviews mit dem AfD-Politiker Petr Bystron und seinem Parteikollegen Maximilian Krah erschienen. Die tschechische Zeitung „Denik N“ hatte Anfang April berichtet, im Fall Bystron sei möglicherweise auch Geld geflossen. Der AfD-Bundestagsabgeordnete hat das mehrfach zurückgewiesen. Auch Krah bestreitet, Geld aus dem Umfeld von Voice of Europe angenommen zu haben.
Infolge dieser und anderer Berichterstattung hatte die Staatsanwaltschaft in München im Fall Bystron sogenannte Vorermittlungen eingeleitet, um zu prüfen, ob sich ein Anfangsverdacht wegen eines strafbaren Verhaltens einer Abgeordnetenbestechung ergibt. Bei den eingeleiteten Ermittlungen geht es nach dpa-Informationen um die Vorwürfe im Zusammenhang mit Voice of Europe.
EU sperrt Voice of Europe
Im Fall von Voice of Europe wurde Mitte Mai ein Sendeverbot in der EU beschlossen. Neben der Plattform wurden damit auch drei russische Medien in der gesamten EU gesperrt. Dass das Sendeverbot nun ausgekoppelt von einem geplanten 14. Sanktionspaket gegen Russland kam, hat wohl auch mit der Sorge vor der Beeinflussung vor der Europawahl zu tun.
Forscherin Frühwirth mahnt an, dass das sich Angriffe auf die Legitimität von Wahlergebnissen auch im Nachgang abspielen und nachhaltig Probleme verursachen können. „Das Ende des Wahlkampfs muss nicht das Ende von wahlbezogenen Einflussversuchen sein.“
Umfrage zur Europawahl: AfD unverändert bei 17 Prozent
Sonntag, 26. Mai, 00:02 Uhr: Die AfD hat laut einer Insa-Umfrage zur Europawahl trotz der jüngsten Turbulenzen nicht in der Wählergunst eingebüßt. Sie verzeichnet in der neuen Befragung für die „Bild am Sonntag“ 17 Prozent und kommt damit auf denselben Wert wie in einer Insa-Umfrage aus dem April. Die Union legt um einen Punkt zu auf 30 Prozent. Das berichtete die „Bild am Sonntag“, für die das Institut rund 1000 Menschen online befragte.
Die SPD verliert in der Umfrage um zwei Punkte und liegt nun bei 14 Prozent. Die Grünen stehen unverändert bei 13 Prozent – die FDP bleibt bei 4 Prozent. Die Linke büßt einen Punkt ein und erreicht 3 Prozent. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) bekommt in der Umfrage 7 Prozent. Auf die Freien Wähler entfallen unverändert 3 Prozent. Die sonstigen Parteien vereinen 9 Prozent auf sich, wenn schon an diesem Sonntag gewählt würde.
In Deutschland ist die Europawahl in rund zwei Wochen. Auslöser der akuten AfD-Krise ist ein Interview von Spitzenkandidat Maximilian Krah mit der italienischen Zeitung „La Repubblica“ und der „Financial Times“. Krah wurde nach der nationalsozialistischen SS gefragt. Die sogenannte Schutzstaffel Adolf Hitlers bewachte und verwaltete unter anderem die Konzentrationslager und war maßgeblich für Kriegsverbrechen verantwortlich. Bei den Nürnberger Prozessen nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde sie zu einer verbrecherischen Organisation erklärt. Krah sagte in dem Interview: „Ich werde nie sagen, dass jeder, der eine SS-Uniform trug, automatisch ein Verbrecher war.“ Daraufhin distanzierte sich unter anderem der französische Rassemblement National. Die rechte ID-Fraktion im Europäischen Parlament schloss alle AfD-Abgeordneten aus.
Wahlumfragen sind generell immer mit Unsicherheiten behaftet. Unter anderem erschweren nachlassende Parteibindungen und immer kurzfristigere Wahlentscheidungen den Meinungsforschungsinstituten die Gewichtung der erhobenen Daten.
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