Die Altmeister spielten zum bislang letzten Mal im Jahr 2017 im Hamburger Volksparkstadion, in Rezensionen war danach von einem „Auftritt der Superlative“ zu lesen. Alles wie gehabt also bei Mick Jagger, Keith Richards und Ron Wood, alles Mitglieder in der Ruhmeshalle des Rock, längst sind sie ihre eigenen Kunstfiguren geworden.

Auf die Rolling Stones ist eben Verlass, immer schon. Im Fußball dagegen ist nichts für die Ewigkeit, die Kunst verblasst, auch bei den famosesten Einzelkönnern knarzen irgendwann die Knochen, ihre Muskeln ermüden schneller. Und so hatten sich auch Luka Modric, Marcelo Brozovic und Mateo Kovacic, die drei gloriosen Mittelfeldmänner aus Kroatiens goldener Generation, zuletzt nach dem 0:3 gegen Spanien anhören müssen, dass an ihnen nun die Zeichen der Zeit nagten: Zu behäbig, ohne Inspiration – derart vernichtende Kritiken waren ihnen zuvor wohl nie gewidmet worden.

Ausgleich: Andrej Kramaric (Nummer 9) trifft zum zwischenzeitlichen 1:1. (Foto: Carmen Jaspersen/Reuters)

Am Mittwoch durften sie es im Hamburger Volksparkstadion erneut aufspielen – und dürften die Kritiker zumindest nicht zum Verstummen gebracht haben: 2:2 endete das wilde Ringen gegen Albanien. Zwar boten die Kroaten eine große Willensleistung, waren kratzbürstig und bisweilen so hungrig, wie man es von ihnen eine Dekade lang gewohnt war. Die Elf von Trainer Zlatko Dalic drehte nach dem Treffer von Angreifer Andrej Kramaric (74. Minute) und einem Eigentor von Albaniens Klaus Gjasula (76.) sogar ein Spiel, in dem lange alles nach einer Niederlage ausgesehen hatte – ehe jener Gjasula in der fünften Minute der Nachspielzeit doch noch für den Außenseiter traf.

Ins Hintertreffen waren die Kroaten früh geraten, weil Albaniens Jasir Asani nach einer Verlagerung komfortabel viel Raum vor sich hatte, um aus dem Halbfeld in den Strafraum zu flanken. Der Kopfball des gerade mal 1,73 Meter großen Stürmers Qazim Laci war so vorzüglich wie die Flanke: 1:0 für Albanien, elf Minuten waren gespielt. Und der Ton für den Rest der ersten Hälfte war gesetzt.

Den Kroaten fehlt es an Breite, in die relevanten Zonen schaffen sie es kaum

Modric versuchte drei lockere Außenristpässchen, nur einer fand ins Ziel. Brozovic war wieder viel unterwegs, allerdings oft als Aufbauspieler in allerletzter Reihe, wodurch in den Zonen weiter vorn einige Dilemmata entstanden: Kovacic suchte intuitiv die Nähe seiner Kollegen und hielt sich weiter hinten auf, als es ihm normalerweise beliebt. Und Lovro Majer schob ständig von der rechten Seite in den Halbraum. So fehlte es den Kroaten an Breite, in die relevanten Zonen schafften sie es kaum. Und sie hatten zwar viel vom Ball, aber nur wenig vom Spiel.

Es waren die Albaner, die vieles richtig von dem machten, wofür die Kroaten lange berüchtigt waren: Härte, Kompaktheit, rasante Vertikalisierungen. So kamen sie zu vielen guten Chancen, die beste vergab Mittelfeldregisseur Kristjan Asllani nach einem Konter.

Kroatiens Nationalcoach Dalic nahm Brozovic und Majer zur Pause vom Feld, bot dafür die Offensivmänner Mario Pasalic und Luka Susic auf, um endlich Wirbel im gegnerischen Strafraum zu erzeugen. Doch die Albaner verteidigten die Bälle der Opposition mit einer Robustheit weg, als würden die Kroaten sie auf Felsen im Prokletije-Gebirge schießen. Dann bekam Kramaric im Strafraum den Ball, er behielt die Ruhe und traf per Rechtsschuss.

Kurz darauf unterlief Albaniens Gjasula ein mittelschweres Unglück: Ein geblockter Schuss sprang von seinem Knie ins eigene Tor. In zwei Minuten hatten die Kroaten das Spiel gedreht, mit einer Effizienz fast wie in den guten alten Zeiten. Und mit viel Glück, weil die Albaner in der Schlussphase noch zwei hervorragende Gelegenheiten ausließen – ehe Gjasula seine Mannschaft für den großen Aufwand belohnte, den Schlussakkord einer wilden Schlussphase setzte. Nichts ist für die Ewigkeit.



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