Herr Perschke, Sie arbeiten als Hausgerätetechniker. Was halten Sie von dem neuen „Recht auf Reparatur“, das heute vom Europaparlament heute abstimmen will?

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Grundsätzlich ist das eine sehr gute Sache. Vielleicht ist der Titel etwas unglücklich gewählt, denn er suggeriert, dass es bisher kein Recht auf Reparatur gab. Ursprünglich hat man von den Nachhaltigkeitsrichtlinien der Europäischen Union gesprochen, dabei hätte man es belassen können.

Das Ziel ist, den EU-Technik-Müllberg von 35 Millionen Tonnen Abfall pro Jahr zu verkleinern.

Das ist rundum begrüßenswert. Ich selbst bin Mitglied des Vereins „Runder Tisch Reparatur“, der sich dafür einsetzt, dass alles reparierbarer und nachhaltiger wird, dafür, dass Hersteller, Händler und Importeure allen Akteuren am Markt Ersatzteile über die gesamte Nutzungsdauer der Geräte hinweg zugänglich machen. Auch dafür, dass das Produktdesign reparaturfreundlich wird – dass keine Teile verklebt werden oder festverbaute Elemente verwendet werden, die eine Nachrüstung verunmöglichen. Und wir fordern auch einen Reparaturindex in Deutschland, über den Verbraucherinnen und Verbraucher Informationen über die Möglichkeiten einer Reparatur erhalten. Das EU-Gesetz ist auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung.

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Dass in Kühlschränke oder Waschmaschinen mutwillig Teile mit festgelegter Haltbarkeitsdauer eingebaut werden, ist definitiv nicht der Fall.

Sascha Perschke über den Mythos der programmierten Haltbarkeit von Haushaltsgeräten

Es gibt den verschwörerischen Volksmund, der sagt, in viele Geräte würden von Anfang an Verschleißteile eingebaut – der Ausfall und die frühe Verbringung auf den Müllberg sei programmiert.

Dass in Kühlschränke oder Waschmaschinen mutwillig Teile mit festgelegter Haltbarkeitsdauer eingebaut werden, ist definitiv nicht der Fall. Aber viele der Hersteller versuchen heute, die Konkurrenz zu unterbieten, weil sich viele Kunden am Ende immer für das günstigste Produkt entscheiden. Diese Unterbietung geht auf Kosten der Qualität – weil billigere Materialien verwendet werden. Und es gibt ja auch längst die entsprechende Haltung von Kunden: „Na gut, dann kauf ich mir in drei, vier Jahren halt wieder eine neue Waschmaschine.“

Früher war mehr Qualität?

Früher ging es um die lange Lebensdauer, entsprechend teuer waren die Geräte. Die Auswahl war kleiner – es gab weniger Hersteller mit weniger Modellen, es war auch weniger Technik in den Maschinen. Waschmaschinen etwa waren im Prinzip alle gleich – sie wuschen die Wäsche. Heute sind da oft gefühlt tausend Sonderfunktionen enthalten.

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Ich glaube, dass (…) die Qualität in den nächsten Jahren deutlich steigern wird. Aber dass auch die Preise deutlich höher werden.

Sascha Perschke über die wahrscheinliche Wirkung von Nachhaltigkeitsrichtlinen

Wenn sich die Gewährleistungspflicht verlängert, sich die Reparaturrechte des Kunden per Gesetz erweitern – wird bei den Herstellern von Großgeräten nicht zwangsläufig wieder mehr Wert auf Qualität gelegt werden?

Ich glaube das schon. Ich glaube, dass sich durch die ganzen Nachhaltigkeitsrichtlinien, durch das große Ziel, Ressourcen zu schonen und CO2 zu sparen, die Qualität in den nächsten Jahren deutlich steigern wird. Aber dass auch die Preise deutlich höher werden.

Sie sprachen vorhin vom Verein „Runder Tisch Reparatur“ der Techniker. Zeigt diese Runde auch, ohne auf Gesetze zu warten, Eigeninitiative?

Das fängt schon bei meinem Berufsverständnis an. Als ich mich vor zwei Jahren selbstständig machte, trat ich mit dem Ziel an, den Leuten zu beweisen, dass sich Reparieren sehr wohl lohnen kann, anzukämpfen gegen diese „Reparieren lohnt nicht – Neukauf“-Haltung. Ich habe mich deshalb auch ganz bewusst dagegen entschieden, neben Reparaturdienstleistungen den Verkauf neuer Geräte anzubieten. Wer repariert und zugleich Neues verkauft, tendiert schnell zu Letzterem – weil auch wir Techniker ein Jahr Garantie auf unsere Reparatur geben müssen. Verkaufe ich Ihnen stattdessen ein neues Gerät, habe nicht ich das Garantierisiko, sondern der Hersteller. Ich hätte nur Umsatz gemacht. So will ich es aber gerade nicht.

Erfindet man am „Runden Tisch“ auch neue Wege des Reparierens?

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Durchaus. Ich selbst habe einen Kleber entwickelt für die Metallböden von Geschirrspülern. Wenn ein Maschinenboden durch das Maschinensalz perforiert wurde, ist so eine Maschine ein Totalschaden und muss ersetzt werden. Nach der Behandlung durch den Kleber sind die Löcher verschlossen, die Maschine kann weiterlaufen, der Müllberg wird nicht größer. Da gibt es noch weitere Beispiele.

Die wären?

Früher waren Waschmaschinentrommeln aus Edelstahl. Fast alle Hersteller bauen heute aus Einsparungsgründen Kunststofftrommeln ein. Waschen Sie versehentlich einen Nagel mit, schießt er beim Schleudern unter Umständen durch den Kunststoffbottich durch. Das passiert oft, und ein Loch im Bottich bedeutet: Totalschaden. Auch um so ein Loch zu verschließen haben wir eine Technik entwickelt, die bestens funktioniert.

Alternatives Reparieren.

Ja, auch bei Elektroniken, die durch Überspannungsschäden kaputtgehen. Da war es bislang so, dass man sofort eine komplette neue Elektronik für oft mehrere Hundert Euro kaufen musste, weswegen sich viele Kunden für einen Neukauf entschieden. Es gab keine Schaltpläne der Hersteller. Durch die Nachhaltigkeitsrichtlinien sind sie nun verpflichtet, diese zur Verfügung zu stellen. Oft ist ja nur ein Cent-Artikel auf der Platine kaputt.

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Es sind – ganz ehrlich – viel zu wenige Fachkräfte auf dem Markt.

Sascha Perschke über die Möglichkeiten, das Recht auf Reparatur in Deutschland umzusetzen

Kann die durch das EU-Gesetz zu erwartende erhöhte Reparaturauftragslage überhaupt bewältigt werden. Es war schon schwer, Sie ob ihres Tagespensums für ein kleines Gespräch zu bekommen.

Es sind – ganz ehrlich – viel zu wenige Fachkräfte auf dem Markt, um das in den Griff zu bekommen. Und genau hier müsste die Politik zuerst ansetzen. Ich suche schon seit zwei Jahren vergeblich einen Kollegen, der mich unterstützt. Bisher gibt es den Beruf des Hausgerätetechnikers, den ich ausübe, offiziell gar nicht. Ich beispielsweise bin ausgebildeter Elektroinstallateur – einer, der die Kabel in der Wand verlegt. Und der sich dann auf Hausgeräte spezialisiert hat.

Gibt es eine Lösung?

Die Handwerkskammer müsste diesen Beruf endlich anerkennen, dafür kämpft der „Runde Tisch“ schon lange. Dann könnte ich Schulabgänger einstellen und entsprechend ausbilden.

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Wie ist Ihre jetzige Situation konkret?

Ein Mitbewerber in einer Nachbarstadt hat Ende vergangenen Jahres aus Altersgründen aufgehört und keinen Nachfolger gefunden. Jetzt kriege ich auch noch die ganzen Anfragen von dort. Ich bin in Überlegungen, wie ich die Auftragsflut kontrolliere. Mache ich mich teurer, um die Nachfrage zu dämpfen? Das würde mehr Kunden zu Neukäufen bewegen. Und das liefe meiner Philosophie des Reparierens zuwider.

Und das steht im EU-Gesetz

Mit dem „Recht auf Reparatur“ wird die Gewährleistungspflicht der Hersteller bei Reparaturwunsch des Kunden um ein Jahr auf drei Jahre verlängert, die Hersteller müssen ihre Geräte auch nach Garantieablauf reparieren und unabhängigen Werkstätten Ersatzteile bereitstellen. Online-Portale sollen Kunden bei der Suche nach lokalen Reparaturdiensten behilflich sein. Das Recht auf Reparatur zielt darauf ab, die Technikschrott-Müllberge abbauen.

Laut EU-Kommission fallen jedes Jahr rund 35 Millionen Tonnen Abfall an, weil Geräte zu früh entsorgt und gegen neue ausgetauscht werden, statt sie reparieren zu lassen. Der jährliche Schaden für Verbraucherinnen und Verbraucher wird auf zwölf Milliarden Euro geschätzt. Am Dienstag stimmte eine überwältigende Mehrheit von 584 Abgeordneten final für eine entsprechende EU-Richtlinie, drei Abgeordnete stimmten dagegen, 14 enthielten sich bei der Abstimmung in Straßburg.

Die EU-Staaten müssen der Richtlinie noch final zustimmen, was als Formsache gilt. Bis die Verbraucher von dem neuen Recht profitieren, dauert es allerdings noch: Zwei Jahre haben die EU-Staaten ab jetzt Zeit, um die Vorgaben in nationales Recht zu verwandeln. Vom „Recht auf Reparatur“ sind zunächst große Haushaltsgeräte wie Geschirrspüler, Waschmaschinen und Kühlschränke, aber auch Tablet-Computer und Smartphones betroffen. Die Liste soll in den kommenden Jahren noch verlängert werden.

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RUNDER TISCH REPARATUR: Der gemeinnützige Verein „Runder Tisch Reparatur“ gründete sich Ende 2018. Seine Mitglieder arbeiten für nachhaltigen Konsum und das Recht auf Reparatur. „Um unseren ökologischen Fußabdruck zu reduzieren, müssen wir Produkte deutlich länger nutzen“, heißt es auf der Website des Vereins. Durch mehrmals im Jahr stattfindende Netzwerktreffen und Veranstaltungen soll der Austausch zwischen Aktivisten/Aktivistinnen Reparaturkräften und Wissenschaftlern/Wissenschaftlerinnen gefördert werden und sollen neue Kooperationen entstehen.



Source link www.ln-online.de