Es ist ein Tag der Entscheidungen: Die Abgeordneten im Straßburger Europaparlament stimmen an diesem Mittwoch über mehrere wegweisende Gesetzesvorhaben ab. Es geht um Menschenrechte, Luftverschmutzung und Agrarpolitik. Das sind die wichtigsten Themen:

EU-Lieferkettengesetz

Große Unternehmen sollen künftig zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie von Menschenrechtsverletzungen wie Kinder- oder Zwangsarbeit außerhalb der EU profitieren. Darauf zielt das EU-Lieferkettengesetz ab, für das eine Mehrheit der Parlamentarier stimmte. Zudem müssen größere Unternehmen Klima-Pläne erstellen.

Vertreterinnen und Vertreter des Europaparlaments und der EU-Staaten hatten vor der Abstimmung hart verhandelt. Ein erster Kompromiss fand zunächst keine ausreichende Mehrheit und wurde nochmals abgeschwächt.

Statt wie ursprünglich geplant, soll das Gesetz nicht schon für Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten und mindestens 150 Millionen Euro Umsatz gelten, sondern erst ab 1000 Beschäftigten und 450 Millionen Euro Umsatz. In den ersten Jahren nach der Einführung des Gesetzes sind die Grenzen noch höher. Dennoch würde die neue Regelung in bestimmten Aspekten über das deutsche Lieferkettengesetz hinausgehen. Dort ist im Gegensatz zu der europäischen Version ausgeschlossen, dass Unternehmen für Sorgfaltspflichtverletzungen haftbar sind.

Kritiker – wie etwa die FDP – äußern die Sorge, dass bürokratische Belastungen für Unternehmen durch das Gesetz zu groß seien. Als die Mitgliedstaaten ihren Beschluss in Brüssel fassten, enthielt sich Deutschland wegen des Widerstands der Liberalen seiner Stimme und verweigerte auch der abgeschwächten Version die Zustimmung.

Luftverschmutzung

Schlechte Luft bleibt nach Einschätzung der EU-Umweltagentur EEA das größte von Umweltbedingungen ausgehende Gesundheitsrisiko. Für Feinstaub, Stickstoffdioxid (NO₂) und Schwefeldioxid (SO₂) sollen deshalb von 2030 an schärfere Grenzwerte gelten. Die Abgeordneten wollen an diesem Mittwoch beschließen, worauf sich Vertreter der EU-Staaten und des EU-Parlaments schon im Februar verständigt haben.

Mit den neuen Regeln solle sichergestellt werden, dass die Luftverschmutzung in Europa die menschliche Gesundheit nicht schädige, hieß es vom Parlament. Bürger sollen etwa Anspruch auf Entschädigung bekommen, wenn sie wegen nicht eingehaltener Grenzwerte krank werden. Für bestimmte Feinstaubpartikel sowie Schwefeldioxid sollen die Grenzwerte halbiert werden. Nach der Abstimmung im Europaparlament müssen die EU-Staaten die neuen Regeln noch bestätigen. Das ist in der Regel Formsache und für kommende Woche vorgesehen.

Agrarreform

Wütende Bauern haben in diesem Jahr nicht nur in Deutschland, sondern auch schon mehrfach in Brüssel demonstriert und mit ihren Traktoren das Europaviertel lahmgelegt. Und der Protest zeigt Wirkung: Vielen europäischen Politikern ist es ein großes Anliegen, die aufgebrachten Landwirte rechtzeitig vor der Europawahl Anfang Juni zu beruhigen.

Das Europaparlament in Straßburg dürfte nun am späten Mittwochnachmittag für ein Reformpaket stimmen, das den Bauern weniger Bürokratie und mehr Einkommen bringen soll – aber auch die Umwelt- und Klimapolitik der EU gefährdet, wie Kritiker bemängeln.

Die Landwirtinnen und Landwirte werden damit dauerhaft von der Pflicht entbunden, vier Prozent der Ackerflächen brachliegen zu lassen. Wer es dennoch tut, muss dafür vom Staat entlohnt werden, die EU setzt also auf Freiwilligkeit. Aufgeweicht werden Regeln für die Fruchtfolge, die erlassen worden waren, damit die Böden sich besser erholen können. Etliche andere Ökoregeln können die nationalen Regierungen zudem flexibler als bisher anwenden. Betriebe unter zehn Hektar Fläche sollen nicht mehr kontrolliert werden, ob sie die Regeln wirklich anwenden.



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