Trotz des Wahlsiegs der Konservativen bei der Europawahl ist eine zweite Amtszeit von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen noch nicht ausgemacht. Einige der bei der Wahl deutlich gestärkten rechten Parteien Europas wollen sich noch nicht auf die CDU-Politikerin festlegen, andere potenzielle Unterstützer stellen Bedingungen für ihre Wiederwahl.

Von der Leyen selbst zeigte sich zuversichtlich, dass sie die notwendige Unterstützung für eine zweite Amtszeit erhalten wird. Obwohl linke und rechte Extremparteien bei der Wahl dazugewonnen hätten, wolle sie wolle eine breite Mehrheit der Mitte für ein starkes Europa aufbauen. “Das Zentrum hält”, sagte von der Leyen.

Damit von der Leyen eine zweite Amtszeit antreten kann, müssen die Staats- und Regierungschefs im Europäischen Rat sie mit qualifizierter Mehrheit dem Europaparlament vorschlagen. Neben den 13 Staats- und Regierungschefs der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) im EU-Parlament, der von der Leyens CDU angehört, müssten demnach noch mindestens drei weitere große Mitgliedstaaten für sie stimmen.

Giorgia Meloni könnte entscheidend sein

Dabei könnte der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni eine entscheidende Rolle zukommen. Melonis rechtspopulistische Partei Fratelli d’Italia ist mit 26 bis 30 Prozent stärkste Kraft in Italien geworden; das Land ist eines der bevölkerungsreichsten der EU, entsprechend gewichtig wird Melonis Entscheidung sein. Sie hat ihre mögliche Unterstützung für von der Leyen allerdings offengelassen. Eine Entscheidung dazu sei noch zu früh, sagt Meloni in einem Radiointerview nach der Wahl.

Das Ergebnis der Abstimmung zeige, dass Europa in Zukunft eine pragmatischere Politik umsetzen müsse. Im Wahlkampf hatte von der Leyen offen um Meloni geworben und sich teils ihren Positionen angenähert, beispielsweise in Zuwanderungsfragen. “In wenigen Stunden könnte Giorgia Meloni die am besten positionierte Regierungschefin in Bezug auf politische Stärke in der EU sein”, analysierte der Politikwissenschaftler Lorenzo Castellani auf X.

Die SPD hatte ihre Unterstützung für von der Leyens Wiederwahl zuvor allerdings daran geknüpft, dass diese eine Kooperation mit der
rechtskonservativen EKR-Fraktion, zu der auch Melonis Partei gehört,
ausschließt.

EVP fordert Unterstützung ein

Der Vorsitzende der EVP-Fraktion Manfred Weber forderte indes von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron Unterstützung für die Wiederwahl von der Leyens. “Wir bieten jetzt Sozialdemokraten und Liberalen die ausgestreckte Hand an und ich warte auf Rückmeldung”, sagte Weber am Morgen nach der Wahl.

“Konkret muss jetzt Olaf Scholz Ursula von der Leyen auch als deutsche Kommissarin vorschlagen, als Kommissionspräsident unterstützen”. Auch von Macron erwarte er Unterstützung für von der Leyen. Allerdings fehle auch von dieser Stelle eine “klare Aussage”, sagte Weber.

Zwar betonte Weber, die EVP werde nicht mit Parteien zusammenarbeiten, die Europa infrage stellten. Dass seine Partei bei der Wiederwahl von der Leyens aber auch auf Stimmen der Fratelli d’Italia und Meloni setzen könnte, schloss er nicht aus.

FDP will Distanz von Ultrarechten

Für die Liberalen im Europaparlament kommt laut FDP-Spitzenkandidatin Marie-Agnes Strack-Zimmermann eine Wiederwahl von der Leyens ebenfalls nur infrage, wenn sie sich nicht von ultrarechten Parteien unterstützen lässt. “Wir werden keine Kommissionspräsidentin wählen, die sich von Rechtsradikalen wählen lässt”, sagte Strack-Zimmermann im Bayerischen Rundfunk. “Daran wird aus der demokratischen Sicht gemessen werden, ob Frau von der Leyen eine wirkliche Zukunft hat in Europa”, sagte die FDP-Politikerin.

Auch Strack-Zimmermann stelle die Fratelli d’Italia in den Fokus ihrer Argumentation. Meloni führe eine “postfaschistische Partei” an, ihre Bürgerlichkeit sei nur eine Fassade, sagte die FDP-Politikerin. In Wahrheit schränke die italienische Ministerpräsidentin aber etwa die Pressefreiheit ein.



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