Brüssel. Als Reaktion auf die europaweiten Bauernproteste will die EU-Kommission kurzfristig zahlreiche Umweltauflagen für die Landwirtschaft lockern. Das geht aus einem Entwurf für der Kommission für eine Reihe von Gesetzesänderungen der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik (GAP) hervor, der dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vorliegt. Die Erleichterungen sollen offenbar im Eilverfahren beschlossen werden, ohne dass eine wirtschaftliche, soziale oder agrarökologische Bewertung der Maßnahmen erfolgt. „Angesichts der politischen Dringlichkeit dieses Vorschlags, mit dem auf eine Krisensituation in der EU-Landwirtschaft reagiert werden soll, wurde keine Folgenabschätzung durchgeführt“, heißt es in dem Entwurf. Die Begründung: „Die Kommission ist der Ansicht, dass politische Stabilität wichtig ist.“
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Nachdem in den vergangenen Jahren strengere Vorschriften für die Landwirtschaft verabschiedet wurden, um das Artensterben und den Klimawandel aufzuhalten, will die EU-Kommission nun viele Maßnahmen wieder zurücknehmen. So sollen mehrere verbindliche Regeln für mehr Naturschutz in der Landwirtschaft, die zuletzt bei Bauernprotesten kritisiert worden waren, abgeschwächt oder ganz gestrichen werden. Das betrifft unter anderem die in Deutschland besonders umstrittene Vorgabe, 4 Prozent der Ackerflächen als Rückzugsraum für Insekten brach liegen zu lassen. Ohnehin wurde diese Regelung in vielen Mitgliedstaaten, darunter auch in Deutschland, bereits mehrfach ausgesetzt, um die europäische Getreideproduktion nach Beginn des Krieges in der Ukraine zu erhöhen und die demonstrierenden Landwirte zu besänftigen. Die EU-Kommission schlägt nun vor, die Vorschrift komplett abzuschaffen. Landwirte, die ihre Felder freiwillig brach liegen lassen, sollen bereits ab dem ersten Hektar entschädigt werden. Am Freitag bestätigte die Kommission die Pläne.
Eine weitere Erleichterung für die Landwirte: Die Verpflichtung, die Bodenbearbeitung zur Erosionsvermeidung auf ein Minimum zu reduzieren, soll dem Entwurf zufolge entfallen. Außerdem sollen die Behörden bei kleinen Betrieben nicht mehr kontrollieren, ob sie die Vorschriften einhalten.
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Die Vorschläge der Kommission hätten zur Folge, dass Bäuerinnen und Bauern in Zukunft auch dann EU-Gelder überwiesen bekommen, wenn sie nicht alle Vorgaben für eine umwelt- und klimafreundliche Landwirtschaft erfüllen. Etwa ein Drittel des gesamten EU-Budgets fließt in die Landwirtschaft. Außerdem räumt die Kommission den Mitgliedstaaten die Möglichkeit ein, die Agrarvorschriften freier auszulegen und Ausnahmen zuzulassen, wenn sie diese begründen können.
Für die Umweltpolitikerin Jutta Paulus (Grüne) ist das der völlig falsche Ansatz. „Bauern leiden unter finanziellem Druck und den Folgen der Klimakrise. Jetzt den Umwelt- und Naturschutz für das jahrelange, strukturelle Versagen in der Landwirtschaftspolitik verantwortlich zu machen, löst keine Probleme, sondern verschärft sie nur noch“, sagte Paulus dem RND. „Ungebremste Handelspolitik, Machtwirtschaft im Lebensmittelsektor und der Landwirtschaft verursachen den Preisdruck, der den Bauern die Existenz kostet.“
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Erst Anfang der Woche hatte die Europäische Umweltagentur in einem alarmierenden Bericht schärfere Maßnahmen zum Schutz vor der Klimaerwärmung angemahnt. Als einen der dringendsten Handlungsbereiche identifizierten die Fachleute die Landwirtschaft und warnten vor Überschwemmungen und langen Hitzeperioden. „Insbesondere anhaltende und weiträumige Dürren stellen eine erhebliche Bedrohung für die Erträge, die Ernährungssicherheit und die Trinkwasserversorgung dar“, so die EU-Behörde.
Der Europäische Rat und das Europaparlament können innerhalb von zwei Monaten ein Veto gegen den Entwurf einlegen, aber keine Änderungen vornehmen. Die neue Verordnung soll rückwirkend zum 1. Januar in Kraft treten.