Brüssel. Zyperns Präsident Nikos Christodoulidis hat die Wieder­aufnahme des maritimen Korridors für Hilfslieferungen an Gaza angekündigt. „Die Amerikaner stehen kurz vor der Fertig­stellung des provisorischen Hafens in Gaza“, sagte der Regierungschef im Interview mit dem Redaktions­Netzwerk Deutschland (RND). Der Seekorridor könne „sehr bald“ wieder in Betrieb genommen werden. Mit dem neuen Hafen könnten zwei oder sogar drei Schiffe, die zudem deutlich größer seien, humanitäre Hilfslieferungen nach Gaza bringen. Zypern liegt nur 160 Kilometer vom Gazastreifen entfernt.

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Christodoulidis kritisierte, dass die Europäische Union keine führende Rolle bei den Friedens­bemühungen im Nahen Osten spiele. „Ehrlich gesagt bin ich mit unserem derzeitigen Engagement als Europäische Union überhaupt nicht zufrieden“, so der Präsident des EU-Mitglieds­staates. Nachdem der Konflikt zwischen Israel und dem Iran wieder aufflammt, macht sich der Regierungschef große Sorgen über eine weitere Eskalation in der Region. „Wir können diese Krise nicht mit militärischen Mitteln lösen“, macht er deutlich.

Der Regierungschef forderte die EU und seine Amtskollegen auf, deutlich mehr diplomatische Schritte zu unternehmen und sich nicht nur auf die Ukraine zu konzentrieren. Wenn die EU eine geopolitische Führungsrolle spielen wolle, müsse sie in der Lage sein, mit zwei oder drei Krisen gleichzeitig umzugehen. Zudem habe der Krieg in Gaza Auswirkungen auf die Sicherheit in Europa und auf die Migration. „Wir müssen jetzt mit ganz konkreten Taten zeigen, dass uns diese Region wirklich am Herzen liegt“, so der Präsident.

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Zypern steht seit Monaten unter enormem Druck, weil Boots­flüchtlinge aus dem Libanon den Inselstaat ansteuern. Der Libanon hat die höchste Flüchtlings­dichte der Welt. Die meisten Flüchtlinge sind Syrer, dazu kommen Palästinenser und Binnen­flüchtlinge von der Grenze zu Israel. Im RND-Interview kündigte Christodoulidis nun exklusiv ein Finanzpaket der EU für den Libanon an, das er am 2. Mai gemeinsam mit EU-Kommissions­präsidentin Ursula von der Leyen der Regierung in Beirut überreichen wird. Bei diesem Paket gehe es nicht nur um finanzielle Hilfe für den Libanon, erklärte er. „Es umfasst auch die Unterstützung libanesischer Institutionen, zum Beispiel der libanesischen Streitkräfte, die ein stabilisierender Faktor im Land sind.“ Es handele sich um einen langfristigen Plan für den Libanon. Ziel sei es, dass der libanesische Staat den Flüchtlingen eine Perspektive bieten könne, damit sie nicht zum EU-Land Zypern kämen.

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Weil beinahe täglich neue Flüchtlinge Zypern erreichen, hat das Land die Prüfung der Asylanträge vorerst ausgesetzt. „Wir sind nicht in der Lage, noch mehr syrische Flüchtlinge aufzunehmen“, sagte Christodoulidis. Er müsse hier die deutlichsten Worte wählen. „Wir sind am Limit und können diesen Strom an Flüchtlingen nicht länger bewältigen.“ Mittlerweile betrage der Anteil der Flüchtlinge an der Bevölkerung Zyperns 7 Prozent. Neben Gesprächen mit dem Libanon will Präsident Christodoulidis Geflüchtete nach Syrien abschieben, wo es aus seiner Sicht einige sichere Gegenden gebe. „Wir fordern ausdrücklich, dass bestimmte Gebiete in Syrien als sichere Regionen eingestuft werden“, sagte der Präsident.



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