Mit „Schau mich an“ läuft am Sonntag (7. April) der 95. „Tatort“-Fall der Münchner „Tatort“-Kommissare Ivo Batic und Franz Leitmayr, gespielt von Miroslav Nemec (69) und Udo Wachtveitl (65). Fünf weitere folgen dann noch 2024 und 2025, bevor sich die Kommissare nach dann 35 Jahren und 100 Fällen vom Dienst verabschieden. Im Interview sprechen Sie über den anstehenden Abschied und den neuesten Fall:

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In Ihrem neuen „Tatort“ behandeln Sie einen heftigen Fall mit Videos von Misshandlungen und Tötungen von Tier und Mensch, zumal die Geschichte auf echten Begebenheiten basiert …

Nemec: Ja, der „Tatort“ ist wirklich heavy. Der Fall ist angelehnt an die wahre Geschichte von Luka Magnotta, der Katzen misshandelt und getötet und das gefilmt hat, und später auch einen Menschen. Da haben sich auf Facebook Tausende Leute zusammengetan und ihn identifiziert anhand von den Videos, was bei uns im „Tatort“ auch vorkommt. Der Fall war damals in Kanada und Magnotta ist dann geflohen und in Berlin gefasst worden. Unser „Tatort“ spielt natürlich in München. Es ist heftig, aber auch interessant, in solche Abgründe zu gucken. Man versucht ja, eine Erklärung zu finden, warum so was passiert.

Sind das Themen, die Sie auch nach einem Dreh weiter beschäftigen?

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Wachtveitl: Das beschäftigt mich hauptsächlich vorher, wenn man das Drehbuch bekommt. Ich war ziemlich erschrocken von dem Fall und beim Dreh wurde sensibel darauf geachtet, wie man das filmisch so umsetzt, dass man den Film am Sonntag um 20.15 Uhr zeigen kann. Ich bin selbst auch etwas im Tierschutz aktiv, und es ist ein merkwürdiges Phänomen, dass die Leute bei Tieren so stark reagieren, vielleicht mehr als bei Menschen. Wenn Tiere leiden, symbolisiert das eben die Unschuld und das Unfassbare noch mehr. Aber natürlich muss man bei Menschen genauso empört sein.

So schlimm der Fall ist, am Ende passiert auch etwas Schönes: Batic und Leitmayr bieten Kalli endlich das Du an.

Nemec: Genau, Zeit wird’s. Und im nächsten Fall sagt Kalli dann: „Wo ist denn der Herr Batic, äh, der Ivo?“ Da hat er es noch nicht so drauf mit dem Duzen (lacht).

Wachtveitl: Ja, es wird Zeit, dass diese Asymmetrie endlich bereinigt wird. In dem Fall ist Kalli in Gefahr und hat eine größere Rolle, da passte es ganz gut – bevor es gar nicht mehr stattfindet.

Ist das die Steilvorlage dafür, dass Kalli in den nächsten Fällen aufsteigen kann und Sie zu Ihrem Ausstieg ablöst?

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Nemec: Das wird die nächsten Fälle ganz normal weiterlaufen, auch wenn wir per Du sind.

Hätten Sie ansonsten einen Wunsch für einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin?

Wachtveitl: Nein, weder vom Geschlecht noch vom Alter her. Ich habe aber immer versucht, mit der Figur Leitmayr den lokalen Bezug etwas herzustellen. Ich würde mir wünschen, dass das weiter gepflegt wird.

Sie hätten also gern einen Münchner oder eine Münchnerin?

Wachtveitl: Ich hätte gern eine Person, der man anmerkt, dass sie der süddeutschen Sprache mächtig ist oder mindestens ein Gefühl dafür hat, das muss nicht unbedingt ein Bayer sein. Lokalkolorit sollte aber auch durch Episodenfiguren abgebildet werden.

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Kommen wir zu Ihnen: Was wünschen Sie sich für einen Ausstieg? Sie wollen ja lieber am Leben bleiben, haben Sie mal gesagt …

Nemec: Ja, und dabei bleibt es auch. Wir brauchen für unsere Figuren keine falsche Dramatik. Es ist ja im „Polizeiberuf“ auch üblich, dass man einfach aufhört im Alter.

Wachtveitl: Ja, es passt nicht zu uns, sich dramatisch in den Tod zu stürzen. Wir haben diesem Trend zum „Trübsinnsschick“ ja immer widerstanden. Auch bei ernsteren Fällen ist durchgeschimmert, dass die beiden Kommissare Männer sind, die gern am Leben sind und nicht als Grundstimmung ständig am Leben verzweifeln. Wir sollten einen Ausstieg haben, der zu uns passt.

Wie sind denn Ihre Pläne für die Zeit nach dem „Tatort““? Haben Sie Angst vor Langeweile, oder freuen Sie sich?

Nemec: Ich kann auch mal einfach rumsitzen, aber es wird mir schnell langweilig. Meistens mache ich was und das wird auch weiterhin so sein nach dem „Tatort“, dass ich Soloauftritte mache oder andere Drehprojekte, die vielleicht vorher mit dem „Tatort“ kollidiert sind. Es wird eine Umstellung sein, aber Angst habe ich keine.

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Wachtveitl: Ich habe vor, vor Langeweile zu sterben. (lacht) Nein, ich mache zum Beispiel gern Lesungen mit klassischer Musik, das wird immer mehr. Und das Gute an dem Beruf ist: Ein 65-jähriger Elektroingenieur kann von einem 30-Jährigen ersetzt werden, aber eine 65-jährige Rolle kann schlecht von einem 30-Jährigen gespielt werden. Mit KI ändert sich das vielleicht …

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So eine „Tatort“-Rolle ist Fluch und Segen zugleich: Sie bringt Bekanntheit und Sicherheit, man wird aber vielleicht auch darauf festgelegt. Wie haben Sie das erlebt?

Nemec: Ich habe die letzten 20 Jahre immer noch zwei, drei andere Rollen im Jahr gespielt. Es kann sein, dass mir Rollen nicht angeboten wurden, weil ich ein bekanntes Gesicht aus dem „Tatort“ bin, aber die kenne ich ja nicht. Aber die Auftritte am Theater oder auch meine Solo- und Bandauftritte werden eher beflügelt dadurch, dass man mich kennt aus dem Fernsehen.

„Solange es gute Bücher gibt und ich mit Miro gut auskomme, habe ich keinen Grund, das Ende aktiv anzustreben“, haben Sie, Udo Wachtveitl, vor vier Jahren im RND-Interview gesagt. Was hat Sie beide jetzt zum Aufhören bewegt?

Nemec: Also auf keinen Fall, dass die Bücher schlechter geworden sind oder wir uns nicht mehr verstehen. Damit hat das nichts zu tun. Es hat auch mit dem Alter zu tun, bei mir vor allem, Udo ist ja vier Jahre jünger. Und wir wollten zusammen aufhören. Ich habe vorgeschlagen, nach 99 Folgen aufzuhören. Dann hätten wir 33 Jahre zusammen gehabt, Udo wird 66, und 99 Fälle. Aber der BR wollte gern die 100 vollmachen.

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Wachtveitl: Wir fanden es jetzt alle richtig. Nachdem der Ausstieg in der Presse stand, kamen in München viele Leute auf mich zu, das hat mich wirklich gefreut und überrascht. Viele haben gesagt: „Mei schad, dass ihr aufhört. Warum denn?“ Und ich habe dann gesagt: „Weil Sie es jetzt noch schade finden!“

Leitmayr fragt Batic im neuen Fall: „Was täte ich ohne dich?“ Was machen Sie beide ohne einander, wenn Sie nicht mehr zusammen drehen?

Nemec: Vielleicht drehen wir ja wieder zusammen. Wenn man sich versteht, kann man immer was zusammen machen.

Wachtveitl: Wir hätten es nicht über 30 Jahre miteinander ausgehalten, wenn wir uns nicht mögen würden. Wir sind gute Freunde und wir waren auch öfter schon mal zusammen im Urlaub, ich habe Miro in Kroatien besucht, und in dieser Taktung wird es wohl weitergehen.

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Sie haben also noch nicht genug voneinander?

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Nemec: Nein, wir reiben uns immer noch aneinander. Wenn wir drei „Tatorte“ im Jahr drehen, sind das dreimal vier bis fünf Wochen. Dazwischen telefonieren wir oder treffen uns mal, aber jeder lebt sein Leben. Manchmal kloppen wir uns, aber meistens verstehen wir uns (lacht).

Kommt schon Wehmut auf im Wissen, dass Sie nur noch wenige „Tatort“-Drehs vor sich haben?

Nemec: Wir haben noch vier Drehs, das ist eine Menge Arbeit. Da habe ich noch keine Tendenz zur Sentimentalität und Trauer. Nur einmal, beim letzten Drehtag des neuen Falls, habe ich mir gedacht: Wie wird es wohl sein, wenn es der allerletzte „Tatort“-Tag ist? Da werde ich bestimmt sentimental.

Wachtveitl: Ich kann mir auch vorstellen, dass man sentimental wird, wenn die letzte Klappe gefallen ist. Aber im Moment spüre ich davon noch nichts. Es ist ja immer hektisch und anstrengend beim Drehen, da merkt man nicht, dass das Ende naht oder alles milder wird. Im Gegenteil: Jetzt will man natürlich nicht lockerlassen.

Gibt es etwas, das Sie gar nicht vermissen werden?

Nemec: Gar nicht vermissen werde ich, was wir jetzt gerade hatten: nach zehn Stunden nachts draußen im Kalten herumzulaufen und dabei Texte von sich zu geben.

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Wachtveitl: Das frühe Aufstehen wird mir nicht fehlen.

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Der Monatsbeitrag für ARD, ZDF und Deutschlandradio soll auf 18,94 Euro steigen. In den Bundesländern formiert sich bereits Widerstand. Und zu Recht: Eine Erhöhung wäre ein massiver Fehler, denn im Kampf um ihre Zukunft dürfen es sich die Sender nicht mit der Gesellschaft verscherzen, kommentiert Imre Grimm.

Sie sind das Team mit den meisten Fällen. Was haben Sie dem „Tatort“ von sich mitgegeben?

Nemec: Wir haben immer versucht, realistisch zu sein und nicht trübsinnig, und zu zeigen, dass es nicht um uns selbst, sondern um den Kriminalfall geht. Natürlich kann es dabei auch persönliche, emotionale Momente geben, aber sie sollten nicht alles überlagern.

Wachtveitl: Genau, das war so ein Strukturprinzip bei uns. Wenn die Kommissare zu viele private Probleme und Verwicklungen haben, ist das manchmal ein Zeichen dafür, dass den Drehbuchautoren nicht genug für einen Krimi-90-Minüter eingefallen ist.

Wie sehen Sie die Zukunft des „Tatort“? Haben Sie Sorge, dass solche persönlichen Kommissarsgeschichten überhandnehmen?

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Nemec: Nein, das nimmt vielleicht zu – Gedanken mache ich mir aber eher über etwas anderes: Das Format „Tatort“ ist immer noch ein Turnierpferd, und dafür braucht es ordentliche Budgets. Und da werden die Spielräume bei den Sendern offenbar kleiner. Für die Produzenten ist das eine echte Herausforderung und nicht immer ganz leicht, alles zu stemmen.

Wachtveitl: Es gibt nur einen Weg aus der Fernsehmisere, von der manche sprechen: Und das ist Qualität und Freiheit. Wir konkurrieren immer mehr mit internationalen Produktionen auf Streamingdiensten, die das Drei- bis Vierfache an Geld haben. Da kann man nur auf Qualität setzen. Ich finde nicht, dass das System unbedingt mehr Geld braucht, aber es muss effektiv im Programm eingesetzt werden.



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