Zehn Deutsche werden gesucht. Nun hat die Bundesanwaltschaft das Verfahren an sich gezogen – und könnte eine Auslieferung verhindern.

Protestierende gegen einen rechtsextremen Aufmarsch in Budapest

Protestierende gegen den rechtsextremen „Tag der Ehre“ in Budapest im Februar 2023 Foto: Martin Fejer, Estost

BERLIN taz | Die Ermittlungen gegen zehn gesuchte deutsche Linke, die vor einem Jahr in Budapest Teilnehmende eines rechtsextremen Aufmarschs angegriffen haben sollen, nehmen eine neue Wendung. Am Freitagabend bestätigte die Bundesanwaltschaft, dass sie das Verfahren zu den Angriffen an sich gezogen hat. Eine Auslieferung der Betroffenen nach Ungarn – wenn sie denn festgenommen würden – wird damit unwahrscheinlicher.

Eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft bestätigte der taz, dass das Verfahren übernommen wurde. Der Vorwurf laute auf Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Weitere Auskünfte wollte die Sprecherin nicht erteilen. Zuerst hatten NDR und WDR berichtet.

Die oberste Strafverfolgungsbehörde soll gegen einige der Betroffenen aber auch wegen Angriffen in Deutschland ermitteln. So war im Frühjahr 2022 in Erfurt eine Verkäuferin in einem Geschäft der rechtsextremen Modemarke Thor Steinar überfallen worden. Ein Jahr später wurden in der Stadt zwei Rechtsextreme attackiert und schwer verletzt.

Bei den Angriffen von Budapest im Februar 2023 wiederum waren neun Rechtsextreme rund um den internationalen Szeneaufmarsch „Tag der Ehre“ von Vermummten attackiert und teils schwer verletzt worden. Seitdem suchten ungarische Behörden nach den zehn deutschen Linken, auch öffentlich mit Namen und Fotos.

Auslieferung wird nun unwahrscheinlicher

Zugleich hatte die Generalstaatsanwaltschaft Dresden ein sogenanntes Spiegelverfahren geführt und die Soko Linx des sächsischen LKA nach den Gesuchten fahnden lassen. Im Dezember sprachen die Strafverfolgungsbehörden von einem ersten Fahndungserfolg, in Berlin war die nichtbinäre Thü­rin­ge­r*in Maja T. festgenommen worden. Sie sitzt seitdem in U-Haft. Das Kammergericht Berlin will demnächst entscheiden, ob hier einem Auslieferungsantrag Ungarns stattgegeben wird.

Sven Richwin, Anwalt von Maja T., bestätigte der taz, dass auch das Verfahren sei­ne*r Man­dan­t*in nun von der Bundesanwaltschaft übernommen wurde. „Genauere Begründungen liegen uns noch nicht vor. Aber wir gehen davon aus, dass ein Strafverfahren in Deutschland ein Bewilligungshindernis für eine Auslieferung darstellt.“ Mit der Übernahme der Ermittlungen durch die Bundesanwaltschaft habe das Verfahren den reinen Status eines Spiegelverfahrens verlassen, so Richwin.

Mehrere Anwälte der wegen der Budapest-Angriffe Gesuchten hatten zuletzt vor einer Auslieferung nach Ungarn gewarnt. Die Haftbedingungen dort seien miserabel, ein faires Verfahren unter der Orbán-Regierung nicht zu erwarten. Es drohten überzogene Strafen.

Die Anwälte erklärten auch, dass mehrere der Gesuchten bereit seien, sich zu stellen – wenn sie in Deutschland eine Zusage bekämen, nicht nach Ungarn ausgeliefert zu werden. Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden soll hier aber zusätzlich Geständnisse eingefordert haben. Das lehnen die Gesuchten ab – sie pochen auf die Unschuldsvermutung und ihre prozessualen Rechte.

Bereits direkt nach den Angriffen in Budapest waren zwei Linke aus Berlin und eine Italienerin festgenommen worden. Der Berliner Tobias E. war in einem ersten Prozess im Januar bereits zu einer Haftstrafe von drei Jahren verurteilt worden, nachdem er ein Geständnis abgelegt hatte. Die beiden anderen bestritten die Vorwürfe, ihr Prozess läuft weiter. Für Empörung sorgte, dass die Italienerin im Saal in Ketten an Händen und Füßen vorgeführt wurde. In einem Brief aus der Haft hatte sie über Bettwanzen, spärliche Nahrung und einen über Wochen untersagten Kontakt zu ihrer Familie geklagt.



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