Joe Biden beschrieb dieser Tage den israelischen Premierminister wie einen wirklich dummen Jungen: „Er schadet Israel mehr, als er seinem Land nützt“, sagte Biden dem US-Sender NBC.
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Diplomaten aller Welt zogen die Augenbrauen hoch. Wann je hat ein amerikanischer Präsident solche Töne angeschlagen gegenüber dem Regierungschef einer verbündeten Nation?
Biden und Israels Premier Benjamin Netanjahu sind, das wusste man, in Fragen des Nahostkonflikts seit Jahrzehnten uneins. Inzwischen aber ist aus den Meinungsverschiedenheiten eine für beide gefährliche Feindschaft geworden.
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Mehrfach fiel das Wort „Arschloch“
Bereits im Februar steigerte sich Biden im Weißen Haus in eine Schimpftirade hinein: Immer wieder habe er Netanjahu um eine Feuerpause in Gaza gebeten, die Zahl der zivilen Opfer auf palästinensischer Seite sei viel zu hoch. Immer wieder aber habe Netanjahu ihn abblitzen lassen. Mehrfach benutzte Biden, wie Mitarbeiter bezeugten, mit Blick auf Netanjahu das Wort „Arschloch“.
Ein neuer Tiefpunkt war am Dienstag erreicht. In einem Dossier der US-Geheimdienste heißt es, Netanjahu werde es politisch wohl nicht mehr lange machen. Der Premier rufe Misstrauen in Israel hervor. Mögliche Folgen seien Proteste, Neuwahlen und „eine andere gemäßigte Regierung“. Tatsächlich liegt Netanjahus innenpolitischer Rivale Benny Gantz derzeit in Umfragen vorn. Dieser Tage war Gantz zu Gast in Washington; parallel wies Netanjahu die israelische Botschaft an, Gantz in keiner Weise zu unterstützen, es handele sich um eine private Reise.
Biden hat erkannt: Netanjahu wackelt. Allerdings blickt zugleich Netanjahu auf den US-Präsidenten – und stellt fest: Auch Biden wackelt. Warum sollte er auf die Ratschläge eines wütenden alten Mannes im Weißen Haus hören, der schon Anfang November abgewählt sein könnte? Ein US-Präsident Donald Trump würde ihm gewiss nicht lästig werden als Mahner in Sachen Menschenrechte der Palästinenser.
Netanjahu kann zu Bidens Blamage beitragen
Für Netanjahu bietet dieses Szenario machtpolitische Vorteile. Und der Clou ist: Er kann dazu beitragen, dass es auch eintritt – durch eine bloße Fortsetzung seiner harten Linie. Solange auf Palästinenser in Gaza aus den USA stammende Bomben und aus den USA stammende Hilfspakete gleichzeitig abgeworfen werden, steht Biden auch innenpolitisch blamiert da: als gutmeinender alter Mann, dem dummerweise die weltpolitischen Dinge zusehends entgleiten. Mit stillem Vergnügen sehen das alles die Diktatoren in Teheran, Moskau und Peking.
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Erst fallen aus den USA stammende Bomben, dann segeln aus den USA stammende Hilfspakete zu Boden: Hilfsaktion mit Fallschirmen am 11. März im Norden von Gaza.
Quelle: IMAGO/UPI Photo
Bidens Ringen um eine Feuerpause ist auch ein Ringen um die Fortsetzung seiner Präsidentschaft. Wenn der Krieg weitergeht, werden linke Kritiker in den USA ihre Drohung wahr machen und am Wahltag zu Hause bleiben – dies könnte Biden entscheidende Swing States kosten. Bei den Vorwahlen in Michigan zeigte sich bereits, wie viel Gewicht die Gegner der israelischen Gaza-Offensive auf die Waage bringen.
Biden als Friedensbringer – das brächte dem Präsidenten neuen Schub im Wahlkampf. Das allerdings werden all jene Mächte zu verhindern suchen, die in nächsten Monaten das weltweite Chaos maximieren wollen, um einen Trump-Sieg im November zu begünstigen. So wird die mit Russland verbündete iranische Führung ihren Einfluss auf die Hamas geltend machen und weiter auf ein Nein zu Feuerpausen dringen.
Entsetzt stellt das Weiße Haus jetzt fest: Im Fall Netanjahu geht es um einen existenziellen Machtkampf, den nur einer von beiden gewinnen kann. Und es geht um mehr als Netanjahu. Anders als in früheren Jahrzehnten stößt Biden im Nahen Osten auf etwas viel Größeres als nur den Nahostkonflikt: einen globalen Machtkampf, bei dem er selbst ins Visier mächtiger Feinde geraten ist.