Sein Anzug sitzt perfekt, er trägt eine Krawatte und ein Einstecktuch, die Haare sind ordentlich gescheitelt. So kennt man Wolfgang Grupp.   Einer der profiliertesten und schillerndsten deutschen Mittelständler. Der alleinige Inhaber der Textilfirma Trigema im schwäbischen Burladingen im Zollernalbkreis wurde durch kultige Fernsehspots bekannt. Über ein Jahr lang hat ein SWR-Kamerateam den ehemaligen Trigema-Chef und seine Familie begleitet. Die Grupps geben in der TV-Doku “SWR Porträt” sehenswerte Einblicke in ihr privates und berufliches Leben.

Grupp Senior tippt keine E-Mails selbst

E-Mails tippt Grupp Senior nie selbst. “Ich brauche keinen Computer. Ich habe eine Ahnung”, sagt Wolfgang Grupp. Wenn er eine E-Mail bekommt, druckt seine Sekretärin sie aus. Er spricht die Antwort in sein Diktiergerät. Die Assistentin hört das Band ab und schreibt dann die E-Mail.

Im Video oben: Dann fließen bei Trigema-Chef Grupp die Tränen – zu seinem Abschied macht er großzügiges Geschenk

Wolfgang Grupp wurde am 4. April 1942 in Burladingen geboren. Nach dem Besuch des Jesuitenkollegs in St. Blasien studierte er Wirtschaftswissenschaften an der Universität Köln. 1969 übernahm er die 1919 von seinem Großvater gegründete hochverschuldete Firma und brach seine Promotion ab. Grupp führte Trigema aus den roten Zahlen und machte den Betrieb zu Deutschlands größtem T-Shirt- und Tennis-Bekleidungs-Hersteller. Der Produktionsumsatz lag im Jahr 2022 bei 127,2 Millionen Euro. Die Zahl der Mitarbeiter bei rund 1160.

“Unsere Chefs sind hier im Haus”, schwärmt Lisa Bonnano, Stickerin bei Trigema. Dass die Chefs vor Ort sind und sich nach dem Wohlergehen ihrer Mitarbeiter erkundigen, das gebe es in anderen Textilbetrieben kaum. “Die Chefs dort sitzen in Amerika oder sonst wo.” Und selbst die Namen der Chefs kenne man nicht. Bei Trigema ist das anders. Auch Wolfgang Grupp sind seine Mitarbeiter besonders wichtig. Wer sich beispielsweise über einen längeren Zeitraum nicht krankmelde, erhalte alle zwei Monate einen Gutschein von 50 Euro. “Das finde ich richtig”, sagt Bonnano.

“Ich bin ein Egoist”

“Entscheidend ist, dass man etwas hat, das begehrt ist”, resümiert der bald 82-Jährige den Erfolg von Trigema. Allerdings berichten enge Partner auch von einem zähen Geschäftsmann. “Die Verhandlungen mit Grupp, die sind schon knallhart”, berichtet beispielsweise Andreas Merkel, Geschäftsführer der Baumwollzwirnerei Otto in Balzheim. “Grupp ist total egoistisch und als Unternehmer will er den bestmöglichen Preis haben und den fordert er eben auch ein.”

Das räumt auch Wolfgang Grupp in der SWR-Dokumentation auf seine charmante Art ein: “Sie müssen wissen, ich bin ein Egoist und ich sitze hier nicht, um Ihnen etwas Gutes zu tun. Aber ich weiß als Egoist, wenn ich hier sitze und Ihnen etwas sage, was allgemein gehört wird, dann kann das auch ein Vorteil für Trigema sein.”

Als Grupp die CDU-Mitgliedsbeiträge übernahm

In einer Anekdote erzählt Wolfgang Grupp von einer außergewöhnlichen politischen Unterstützung. Der heutige Ex-Trigema-Chef habe 1987 den CDU-Landtagskandidaten Paul-Stefan Mauz in Hechingen-Münsingen unterstützt und mobilisierte die Trigema-Belegschaft. „Die CDU ist damals auf mich zugekommen, weil ich immer dafür bekannt war, ein gutes Verhältnis zu meinen Mitarbeitern zu haben“, sagt Grupp. „Die haben zu mir gesagt: ‘Herr Grupp, wir wollen diesen Landtagskandidaten und müssen den anderen Kandidaten überstimmen. Können Sie nicht ein paar Mitarbeiter überzeugen, in die CDU einzutreten?’“

Grupp unterstützt – mit Erfolg. 459 Stimmen für Paul-Stefan Mauz, 416 für den langjährigen CDU-Landtagsabgeordneten Theo Götz. Damit hatte Trigema die CDU-Wahl entschieden. Grupp machte es seinen Mitarbeitern sogar leicht. Wollte ein Mitarbeiter in die CDU eintreten, lag der Antrag im Sekretariat. Knapp 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien dem Aufruf gefolgt, erinnert sich Grupp. Das Unternehmen übernahm dann auch den Mitgliedsbeitrag. Als Dank für das Vertrauen, das ihm die Belegschaft entgegengebracht habe.

Parteispenden habe Trigema aber nicht gezahlt. “Ich habe viel Geld gespart”, betont Grupp. Denn als bekannt wurde, dass Trigema Mitarbeiter als neue CDU-Mitglieder angeworben hatte, um die Wahl zu beeinflussen, hätten die damaligen Bittsteller plötzlich “den Schwanz eingezogen”. Und: “Da habe ich gedacht: Ja, bin ich besoffen?” Heute will der ehemalige Geschäftsführer von der ganzen CDU-Wahlbeteiligung nichts mehr wissen. “Politik hat mich nie interessiert“, sagt der 81-Jährige.

“Einen solchen Spinner habe ich noch nie erlebt”

Ganz anders die Frauen. Die ehrenamtliche stellvertretende Bürgermeisterin von Burladingen, Rosi Steinberg, erinnert sich an einen gut aussehenden, gepflegten jungen Mann. Die Frauen im Ort hätten von ihm geschwärmt. Denn neben dem guten Aussehen habe Grupp auch einen Sportwagen gehabt und sei mit seinen Begleitern auch schon mal nach Monaco gefahren, erzählt Georg Steinmann, Grupps langjähriger guter Freund und Unternehmer aus Bremen. Wenn Grupp Lust auf Tennis hatte, habe er seine Begleiterinnen auch mal links liegen lassen. “Ich war nie aufdringlich”, erinnert sich Grupp. Allerdings räumt er ein, in jungen Jahren “mehrere parallele Beziehungen” gehabt zu haben. “Ich habe mich nicht festgelegt.”

Seine große Liebe lernte Grupp 1986 bei der Jagd kennen. Grupp war in der Obersteiermark auf Auerhahnjagd. Das ausgestopfte Tier von der damaligen Jagd steht in der Villa der Grupps. Als ein Baron, ein langjähriger Freund Grupps, zum Kaffee in sein Haus einlud, saß seine 19-jährige Tochter mit am Tisch. “Ich war lange Junggeselle, und wo man hinkam, fragte man immer nach den Fräuleins”, scherzt Grupp.

Liebe auf den ersten Blick war es allerdings nicht. “So etwas gibt es nicht. Das ist dummes Geschwätz”, meint Grupp. Der damals 44-jährige Grupp schien vielmehr Gefallen an der jungen Frau gefunden zu haben. Er lud sie zu einem runden Geburtstag in ein Bonner Nobelhotel ein. “Da sind wir zum ersten Mal ausgegangen”, schwärmt Elisabeth Grupp in einem Interview.

Nicht nur Ehemann – “er ist auch mein Chef”

Mit viel Liebe und Humor erinnert sich Unternehmer Grupp an dieses Treffen. “Als sie Zuhause war und gefragt wurde: ‘Wie war es?’ hat meine Frau gesagt: ‘Einen solchen Spinner habe ich noch nie erlebt.'” Darüber können beide heute herzhaft lachen, denn Elisabeth Grupp wusste bereits nach dem zweiten und dritten Treffen, dass “er mein sicherer Hafen wird”. Die Verlobung fand 1987 statt, ein Jahr später traute sich das Paar. “Am Hochzeitstag hatte sie ihren 22ten Geburtstag und ich war 46”, erzählt Grupp.

In ihrer Beziehung spielten Werte wie Vertrauen, Respekt und die Bereitschaft, füreinander da zu sein, eine zentrale Rolle. Diese Grundprinzipien bildeten nicht nur die Basis ihrer Ehe, sondern auch ihrer beruflichen Tätigkeit. “Es ist immer noch die Firma meines Mannes und im Zweifelsfall ist es mein Mann, aber im nächsten Fall ist es auch mein Chef”, sagt Elisabeth Grupp. “Und wenn ihm etwas nicht passt, dann muss ich es ändern.” Das habe aber weniger mit Kontrolle zu tun als mit Rückversicherung, ob alles in Ordnung ist oder ob etwas geändert werden muss.

Wolfgang Grupp tritt zurück – die Familie hält zusammen

Anfang des Jahres schied Wolfgang Grupp aus der Geschäftsführung aus. Elisabeth Grupp blieb als Gesellschafterin im Unternehmen. Beide übergaben die Verantwortung an Tochter Bonita Grupp und Sohn Wolfgang Grupp jr. Die beiden Kinder sind 2013 und 2014 in das Familienunternehmen eingestiegen. “Das Unternehmen ist das fünfte Familienmitglied”, resümiert Elisabeth Grupp. Höhen und Tiefen müsse man gemeinsam meistern. “Die Kinder wussten immer, dass sie sich auf uns verlassen können und wir wissen, dass wir uns auf sie verlassen können.”

Und Grupp hat nicht nur sein unternehmerisches Erbe geregelt. Unter Tränen sagt Grupp in seiner Hauskapelle: “Ich hatte kein so schwieriges Leben, aber ich hatte auch viel Verantwortung. Ich bin sicher, dass wir nach dem Leben zur Verantwortung gefragt werden und vielleicht Rechenschaft ablegen müssen”. Die stellvertretende Bürgermeisterin Rosi Steinberg verrät, dass sich Wolfgang Grupp bereits einen Platz auf dem Familiengrab der Grupps ausgesucht hat. “Er weiß, wo er einmal hinkommt, das ist alles geregelt”.





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