50.000 km in rund 1,5 Jahren: Da heißt es, sich ranzuhalten. Das ist schließlich die Distanz einer kompletten Weltumrundung und noch einmal ganz Europa obendrauf. Da kam es uns zupass, dass der über diese Distanz getriebene vollelektrische Genesis GV 70 äußerst formidable Reisequalitäten aufzuweisen hat. Wenn immer eine Langstrecke anstand, griffen die Kollegen gerne zum Genesis-Schlüssel.
Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige
Das liegt zum einen an seiner kraftvollen Motorisierung. Je ein Motor an Vorder- und Hinterachse mit je 180 kW oder 245 PS erzeugen 436 PS Systemleistung. Und wird die „Boost“-Taste im Lenkrad gedrückt, werden kurzfristig 490 PS und stattliche 700 Nm frei. Nach 4,2 Sekunden sind 100 km/h erreicht und der Porsche 911, der eben noch neben einem war, taucht langsam im Außenspiegel auf (0-100 in 4,5 Sek.). Und wer dann immer noch nicht den Gasfuß hebt, kann bis zum Topspeed von 235 km/h durchbeschleunigen. Die meisten anderen Elektroautos werden weit früher abgeregelt.
Das Leben und wir
Der Ratgeber für Gesundheit, Wohlbefinden und die ganze Familie – jeden zweiten Donnerstag.
Allerdings hat kaum einer das Leistungsvermögen regelmäßig ausgenutzt, denn eigentlich mag das Auto solche Exzesse nicht. Selbst in Stellung „Sport“ wirkt das Fahrwerk bei voller Beschleunigung überfordert. Das Chassis hebt sich hoch aus den Federn und die Zielgenauigkeit der Lenkung geht flöten. Nein, trotz gewaltiger Leistungsreserven ist der Genesis kein Sportler. Im Gegenteil, seine Domäne ist der gehobene Komfort.
Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige
Ultraschnelle Ladung
Wer es etwas langsamer angehen lässt und nicht jede Kurve auf der letzten Rille durcheilt, wird schnell die Ruhe und Gelassenheit des Autos zu schätzen wissen. Ruhe, weil die Ingenieure alle Register gezogen haben, das Auto leiser zu machen. So registrieren vier Sensoren den Schall im Innenraum und über acht Lautsprecher wird ein blitzschnell errechneter Gegenschall eingespielt, der störende Geräusche eliminiert (sogenanntes „noise canceling“). Wirkt verblüffend gut. Genauso trickreich wird der Abrollkomfort gesteigert. Eine Kamera überwacht die Straße vor dem Fahrzeug und stellt die Dämpfung in Sekundenbruchteilen auf die jeweiligen Straßenverhältnisse ein. Der Lohn der Mühen ist entspanntes Reisen auch über längere Distanzen. Dazu passen auch die makellosen Bremsen, bei denen der Übergang vom elektrischen Verzögern (Rekuperation) zum mechanischen Bremsen nicht zu spüren ist.
Zur hohen Reisetauglichkeit trägt auch ein weiteres Highlight des Fahrzeugs bei. Dank 800-Volt-Technologie (üblich sind 400 Volt), kann das Auto ultraschnell geladen werden. In der Spitze mit vorkonditionierter Batterie erreichten wir 238 kWh Ladegeschwindigkeit. Da gibt es nur wenige Autos, die schneller sind. Und die Werksangabe von 10-80 Prozent Ladung in 18 Minuten ist absolut glaubwürdig. Nicht erreicht haben wir dagegen die Verbrauchsangaben von 19,2 – 19,9 kWh/100 km. Wir kamen auf 22,5 kWh über den gesamten Zeitraum, was immer noch nicht ungebührlich ist. Zusammen mit der (Netto-) Batteriekapazität von 77,4 kWh ergibt sich eine Praxisreichweite von 350 Kilometer (Sommer) bis 280 Kilometer (Winter). Wie bei allen E-Autos weichen die Werte stark voneinander ab.
Ladestopps besser selbst planen
Die Planung der Ladestopps kann man zwar dem Bordcomputer überlassen, doch mit ein wenig Erfahrung kann man das selber besser. Zu früh lotst einem das übervorsichtige Navi an die Ladesäule, oft standen noch rund 100 Kilometer Restreichweite auf dem Display. Die Strecke Hamburg-Frankfurt schafften wir händisch programmiert mit einem Ladestopp, das System wollte partout zwei einlegen. Das geht besser.
Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige
Was die Reisetauglichkeit etwas einschränkt, ist der nur mäßige Knieraum hinten und das bestenfalls durchschnittliche Kofferraumvolumen von 504 Litern. Unserem Gefühl entsprechen die vom ADAC gemessenen 380 Liter eher der Realität. Doch die Kolleginnen und Kollegen waren meist dienstlich unterwegs und reisten mit kleinem Gepäck. Da wurden dann auch die für ein E-Auto stattlichen 1,8 Tonnen. Anhängelast nicht beansprucht.
Die bei rund 30.000 Kilometer anstehende Inspektion verlief Genesis-like. Schließlich erhält jeder Käufer einen persönlichen Assistenten an die Seite gestellt, der sich um alle Angelegenheiten rund ums Auto kümmert. In Sachen Inspektion bedeutet das: Ein Anruf genügt und zum Wunschtermin wird das Auto abgeholt und ein Ersatzwagen für die Zeit der Inspektion vor die Tür gestellt. Bei uns wurde am gleichen Abend wieder zurückgetauscht. Das alles kostet innerhalb der ersten fünf Jahre keinen Cent. Auch eventuell benötigte Betriebsstoffe und Verschleißteile sind im Preis mit drin. Selbiger liegt mit 69.580 Euro Grundpreis auf dem Niveau der deutschen Premium-Konkurrenz (BMW iX3 67.300 Euro), umfasst aber klar mehr Ausstattung und Service. Unser Testwagen kam mit allen verfügbaren Extras auf 78.000 Euro.
Bordstromakkus die häufigste Pannenursache
Und dann kam doch noch ein Fleck auf die weiße Weste. Kurz vor Abschluss des Tests musste der ADAC ran. Allerdings kann man die Ursache weniger dem Auto als dem Autor ankreiden. In einer hektischen Entlade-Situation („Die Gäste kommen schon!“), vergaß der Autor das Fahrzeug ordentlich abzuschließen, das heißt, die „Zündung“ war nicht komplett aus. In dieser Situation laufen verschiedene Systeme unbemerkt im Hintergrund weiter und ziehen Energie aus der ebenfalls vorhandenen 12-Volt-Bordstrom-Batterie. Und zwar reichlich. Nach gut drei Stunden war der Saft alle und das Auto ließ sich nicht mal mehr öffnen. Ein Fall für den Profi, der die 12-Volt-Batterie kurz an sein Ladegerät klemmte und die Mindest-Ladung wieder herstellte. Übrigens sind entgegen landläufiger Meinung nicht leere Antriebs-Batterien sondern leere Bordstromakkus die häufigste Pannen-Ursache bei E-Autos: 43,2 Prozent aller Pannenhilfe-Einsätze bei E-Autos waren laut ADAC 2022 darauf zurückzuführen.
Und wie steht der Wagen nach 50.000 Kilometern da? Fast makellos. Der Lack glänzt wie am ersten Tag und die Inneneinrichtung ist kein bisschen verwohnt. Lediglich die weiße Lederausstattung („Glacier White“) zeig einige Verschmutzungen und muss vor allem am Fahrersitz ein bisschen aufgefrischt werden. Ansonsten funktionieren alle Komponenten wie auf den gesamten 50.000 Kilometern einwandfrei und ohne jede Auffälligkeit. Verschleiß ist quasi nicht seh- oder fühlbar. Der künftige Besitzer kann sich also freuen: Er erhält ein wie neu dastehendes Auto mit immer noch 3,5 Jahren Garantie. Gut gemacht, Genesis.